Ein ganzes Haus aus dem 3D-Drucker? Klingt wie Science-Fiction, ist aber schon Realität. Nach Ansicht vieler Experten ist eine neue industrielle Revolution damit bereits in vollem Gange.
Der Bau einer schicken Villa mit Rundbogenfenstern, Balustraden und über 1.000 Quadratmetern Wohnfläche dauert für gewöhnlich ziemlich lange. Monate, wenn es schnell geht. Eher aber Jahre. In China aber baute die Firma WinSun solch ein Gebäude innerhalb weniger Tage: Es wurde einfach aus einem gigantischen, sechs Meter hohen 3D-Drucker ausgespuckt.
Hierzulande klingt das wie Zukunftsmusik. Von 3D-Druckern hat man zwar schon mal gehört. Doch besteht Eindruck, dass sie hauptsächlich von einigen Tüftlern oder zur Entwicklung von Prototypen in der Industrie genutzt werden. Dabei kommen 3D-Drucker schon heute häufig zum Einsatz und haben das Potenzial, ganze Branchen komplett umzukrempeln.
So funktioniert ein 3D-Drucker
Die Funktionsweise der meisten 3D-Drucker erinnert ein bisschen an das Dekorieren einer Torte, anstelle von Sahne kommt jedoch thermoplastischer Kunststoff aus der Düse. Dieser wird erhitzt und in dünnen Schichten bis zum fertigen Bauteil oder Produkt auf eine Platte aufgetragen.
Damit der Drucker weiß, was er zu tun hat, muss der Bauplan vorher am Computer mit einer speziellen Software entwickelt werden.
Anstelle von Kunststoff können auch andere Materialien verwendet werden, Kunstharz zum Beispiel oder sogar Schokolade. Daneben gibt es Geräte, die mit Pulver als Rohmaterial arbeiten: Millimeter für Millimeter verfestigt der Druckkopf das Pulver zu einem fertigen Produkt, sogar Stahl oder Titan können somit bearbeitet werden.
Das übrige Pulver wird am Ende einfach weggebürstet und kann für den nächsten Produktionsprozess verwendet werden. Damit sind 3D-Drucker auf jeden Fall äußerst sparsam im Umgang mit Ressourcen, es gibt nur wenig Überschuss und Müll während der Produktion.
Häuser, Prothesen und Autoteile kommen aus dem 3D-Drucker
Die gedruckte Luxusvilla aus China ist nur ein Beispiel dafür, was mit 3D-Druck heute schon möglich ist. In vielen Gebieten – von der Medizin bis zur Automobilindustrie – kommt die sogenannte additive Fertigungstechnik schon zum Einsatz.
Zahnimplantate und Prothesen aus dem Drucker haben bereits vielen Patienten ein besseres Leben ermöglicht: Drei Kinder aus den USA beispielsweise, die mit einem angeborenen Fehler in der Luftröhre auf die Welt gekommen sind, können dank eines speziellen Implantats größtenteils auf künstliche Beatmung verzichten.
Einer blinden Frau aus Brasilien ermöglichte man mittels eines 3D-Modells, ein Ultraschallbild ihres ungeborenen Kindes zu ertasten.
Der Automobilhersteller VW stellt im Fertigungswerk in Wolfsburg seit rund einem Jahr Werkzeuge und Montagehilfsmittel in 3D-Druckern selbst her, die Luxus-Marke Bentley setzt in seinem neusten Modell sogar auf einen gedruckten Kühlergrill.
Und über die perfekte und in kürzester Zeit gefertigte Violine aus dem 3D-Drucker würde der legendäre Geigenbauer Antonio Stradivari Bauklötze staunen, der seinerzeit noch Monate am Bau eines Saiteninstruments saß.
Mittlerweile werden einfache 3D-Drucker auch für Privatpersonen immer erschwinglicher, ein bekannter Elektronikmarkt bietet bereits ein Modell für knapp 400 Euro an. Damit können schon heute einfache Gebrauchsgegenstände wie Smartphone-Hüllen, Kinderspielzeug oder Espresso-Tassen mit geringen Produktionskosten von wenigen Cent zuhause hergestellt werden.
Großes Revolution – oder alles nur ein Hype?
Viele Experten sprechen in Zusammenhang mit 3D-Druck von einer neuen industriellen Revolution. Man muss das Ganze nur mal weiter denken: Was wäre denn, wenn sich künftig jeder Mensch seine Gebrauchsgegenstände – vom Kochlöffel bis zum Schuh – selbst herstellen könnte?
Ganze Produktions- und Handelsnetze würden in sich zusammenbrechen. Was bedeutet es für die Zuliefererindustrie und Logistikbranche, wenn bald alle Autohersteller kleinere Einzelteile und Werkzeuge selbst produzieren?
Ob der 3D-Druck die Massenproduktion und das Handwerk tatsächlich ersetzen wird, bleibt abzuwarten. Denkbar wäre auch, dass sich das additive Verfahren als zusätzliche Technik etabliert.
Das Potenzial ist aber auf jeden Fall enorm: Die Europäische Weltraumorganisation ESA testet bereits den Einsatz von 3D-Druckern, um auf dem Mond eine Basis aus dem dort vorhandenen Material zu bauen. "Der 3D-Druck stellt eine potenzielle Möglichkeit dar, die von der Erde aus notwendige Logistik zu reduzieren und die Besiedlung des Mondes damit zu erleichtern", sagte Scott Hovland von der ESA.
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