Die Elektrifizierung von Oldtimern polarisiert: Vernichtung automobilen Kulturguts versus umweltverträglich und vergnüglich sind die unversöhnlichen Extrempositionen. Im Rahmen der New Mobility Rallye 2024 konnten wir einen Porsche 914/4 testen, der statt eines Boxer- einen E-Motor trägt und von der Bauart dem künftig elektrischen Porsche 718 überraschend nahekommt.
Wenn Sie auf einer Familienfeier versuchen, einen hitzigen Streit mit einer kontroversen Polit-Diskussion umzulenken, dürfte das selten zur Beruhigung der Gemüter beitragen. Ähnlich verhält es sich mit Tipps für Oldtimer-Fans, die in Zeiten des vieldiskutierten Verbrenner-Verbots um ihre automobilen Schätze bangen. "Einfach auf Elektro umrüsten" ist ein Ratschlag, der dort nicht gern gehört wird. Worauf wollen wir eigentlich hinaus? Darauf, dass die New Mobility Rallye von auto motor und sport Moove genau der richtige Ort für einen 51 Jahre alten Porsche 914/4 ist. Wie das möglich ist? Mit gedrosselter Leistung und einem halben Akku.
Von vorne. Stephan Raif lenkt einen zambezigrünen 914/4 auf den Hotelparkplatz, hält vor einer Ladesäule, steigt aus und schließt den CCS-Stecker an den Sportwagen aus den 70ern an. Längst hat sich eine kleine Menschentraube um den flachen Targa gebildet, der dort in der Sonne glänzt und gemütlich mit 50 kW Strom nuckelt. Empörte Rufe schallen nicht aus der Menge. Das Raunen speist sich zu gleichen Teilen aus Begeisterung und Interesse. Es ist der Abend vor der alljährlichen New Mobility Rallye, bei der ausschließlich Fahrzeuge mit alternativen Antrieben mitfahren dürfen. Entsprechend selten sind Teilnehmer aus der Blütezeit von Led Zeppelin im Starterfeld vertreten.
Reversibler Umbau
"Unser 914 ist eigentlich eine Guerilla-Werbefigur", verrät Stephan mit Blick auf den Schriftzug an der Fahrzeugflanke. Die "Meistro-Stiftung" setzt sich für Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein, ist aber als Stiftung nicht befugt, Werbung zu schalten wie ein Unternehmen. "Also haben wir uns einen automobilen Markenbotschafter zugelegt und fahren damit bei so vielen Rallyes und Auto-Events wie nur möglich vor", erklärt der selbstständige Berater. In der Oldtimer-Szene trifft man mit dem Komplettumbau allerdings nicht nur auf Anerkennung. Wenngleich die gesamte Elektro-Umrüstung durch Nutzung der originalen Aufnahmepunkte hundertprozentig reversibel ist.
In dem 914 ersetzt der Motor eines Tesla Model S den ursprünglichen Vierzylinder-Boxer, allerdings mit einer Leistungsbeschränkung auf 185 PS, denn sonst wären die wirkenden Kräfte selbst für das jetzt verstärkte Chassis des Guten zu viel. Die Energie liefert ein halber Akku des Porsche Taycan. Sowohl Motor als auch Akku verbringen unter der 914-Hülle übrigens ihr zweites Leben als gebrauchte Komponenten. Realisiert wurde der Umbau von der Firma Voltimer, deren Datenblättern auch weitere Leistungswerte zu entnehmen sind. So wird die Reichweite mit bis zu 300 Kilometer angegeben, die Höchstgeschwindigkeit mit 210 km/h und die Sprintzeit von null auf 100 km/h mit 4,5 Sekunden.
Ein Handling-Streber
Nach unserer 170 Kilometer langen Rallye-Ausfahrt muss keiner der angegebenen Werte angezweifelt werden. Am Ende der Tour entsteigt man dem E-914 übrigens keinesfalls gerädert. Das Fahrwerk malträtiert nicht mit übertriebener Härte, trotzdem entsteht durch die sehr tiefe Sitzposition eine enge Verbindung zur Straße. Entsprechend sportlich lässt sich der Oldie um die Kurven scheuchen, gibt durch seine ausgewogene Gewichtsverteilung gar den Handling-Streber. Dabei fühlt es sich immer so an, als müsste das Lenkrad eigentlich deutlich dicker sein für ein Fahrzeug mit dieser Performance.
Überhaupt ist das Kuriose am Elektro-914 der Stilmix. Während die Kraft aus der Moderne stammt, bleiben das charakteristische Knarzen und Quietschen ebenso erhalten wie die Abwesenheit einer Armarda von elektronischen Helfern. Oder einer Klimaanlage. Letzteres kompensiert man am besten durch die Abnahme des Vinyl-Dachs. Worauf wir hinauswollen: Der Charme eines Oldtimers bleibt trotz des Umbaus erhalten. Vielleicht – und das trägt bei manchen sicher auch nicht zur Beruhigung der Gemüter bei – macht ein 914 dieser Bauart vielleicht sogar ein bisschen mehr Spaß. © auto motor und sport
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