Sich einfach nur ans Tempolimit zu halten, reicht nicht. Das zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil, nach dem eine Fahrerin nicht zu schnell fuhr, aber bei einem Unfall trotzdem mithaftet. Die Begründung: Sie hätte die Gegebenheiten mit einkalkulieren müssen.
Auch wer sich an das angezeigte Tempolimit hält, kann zu schnell unterwegs sein und für die Folgen eines Unfalls haften müssen. Denn Autofahrer müssen ihre Geschwindigkeit immer auch an die Verkehrs-, Sicht- und Wettersituation anpassen.
Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts, auf das die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins hinweist.
Tempo 80 war erlaubt - und doch zu viel
Im verhandelten Fall war eine Frau bei Dunkelheit mit rund 80 km/h auf einer Gemeindestraße unterwegs. Dort war Tempo 80 erlaubt, doch die Fahrbahn war nur knapp fünf Meter breit und wies weder Markierungen noch befestigte Seitenstreifen auf.
In einer leichten Rechtskurve stieß die Autofahrerin dann mit einem beleuchteten, rund drei Meter breiten Trecker-Gespann zusammen, das ihr entgegenfuhr. Dabei entstand erheblicher Personen- und Sachschaden und der Treckerbesitzer verlangte vollen Schadenersatz. Den wollte die Versicherung der Pkw-Fahrerin aber nur zur Hälfte leisten, da sie von einer Mithaftung des Gespannfahrers ausging.
Gericht: Fahrerin hat Unfall verursacht
Die Sache ging vor Gericht, und das entschied auf eine Teilung des Schadens. Es sah aber in der Autofahrerin die Unfallverursacherin und wies ihr eine 70-prozentige Haftung zu. Obgleich sie das Tempolimit allenfalls geringfügig überschritten hatte, habe sie ihr Tempo eben nicht an die Verhältnisse angepasst, so das OLG.
Dunkelheit, fehlende Fahrbahnmarkierungen, nicht befestigter Seitenstreifen sowie erkennbarer Gegenverkehr hätten genau das aber erforderlich gemacht.
Nach Ansicht der OLG wären angesichts der Verhältnisse in der Kurve selbst 75 km/h noch zu schnell gewesen. Richtig wäre es gewesen, nur so schnell zu fahren, dass die Frau das Auto mindestens in der Hälfte der von ihr übersehbaren Strecke hätte anhalten können. Denn sie hätte einkalkulieren müssen, dass das Trecker-Gespann im Gegenverkehr überbreit war und ihr nur sehr wenig Raum übrig blieb.
Wegen des überbreiten landwirtschaftlichen Fahrzeugs mit 18 Tonnen Gewicht und entsprechend erhöhten Betriebsgefahr musste sich der Traktorfahrer allerdings 30 Prozent der Haftung anrechnen lassen. (af/dpa)
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