Brüggen-Bracht/Brühl - Bernd Schouren ist Renault-Händler mit ganzem Herzen und hat in seiner Kariere schon so manchen R5 in den Fingern gehabt. Doch ein Auto wie der Lectric Leopard war ihm noch nicht untergekommen - ein elektrischer Renault 5.

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"Als ich das erste Mal von dieser in den 1980er Jahren in den USA zum Elektroauto umgebauten Version des Kleinwagens gehört habe, war ich so neugierig und angefixt, dass ich erst wieder Ruhe geben konnte, als so ein Auto bei mir auf dem Hof stand", sagt der Unternehmer.

Er blickt verliebt auf den kleinen Franzosen, der in seiner Sammlung fast untergeht, so unscheinbar ist der Wagen. Doch ist der weiße Winzling von gerade mal 3,50 Metern eine echte Rarität.

Nur wenige Exemplare wurden unter Strom gesetzt

Denn während der normale R5, der 2022 seinen 50. Geburtstag feierte, zumindest daheim in Frankreich als Oldie noch omnipräsent ist, gab es vom Lectric Leopard nur rund 400 Exemplare. "Und nach Europa hat es davon wahrscheinlich kein zweites geschafft", sagt Schouren. "Erst recht keines, das funktioniert und auch noch zugelassen ist."

Er erzählt von einer Odyssee, die vor etwa zehn Jahren mit einer Kleinanzeige aus dem US-Staat Indiana im Internet begann und ein glückliches Ende nahm - nach endlosen Stunden auf seiner Hebebühne sowie langen Terminen bei Tüv und Behörden.

Exoten wie der Lectric Leopard werden zwar gerne vergessen, aber sie gehören zur ebenso langen wie bunten Karriere des Kleinwagens, sagt Renault-Sprecher Thomas May-Englert.

Vor über 50 Jahren gezeichnet und millionenfach verkauft

Denn der 1967 in ersten Skizzen geplante und 1972 eingeführte R5 war eben nicht nur ein Millionenseller, der als "Kleiner Freund" schnell auch Deutschland eroberte. Sondern genau wie bei uns der VW Käfer und der Golf, in Italien der Fiat 500 oder der Citroën 2 CV in Frankreich, war der R5 auch die Basis für zahlreiche Kleinserien.

Die wurden vom Werk selbst initiiert oder von Unternehmen wie eben der US Electric Car Corporation aus Athol im US-Staat Massachusetts in Eigenregie entwickelt. So wurden von einem Massenmodell Autos für Individualisten abgeleitet, die heute begehrte Sammlerstücke sind, sagt May-Englert.

Der "Kleine Freund" für jedermann und jedefrau

Die eigentliche Mission des R5 war demnach freilich eine andere: Denn bei der Entwicklung orientierte sich Renault an einer breiten Käuferschicht. Vorstandschef Pierre Dreyfus habe von seiner Mannschaft ein Auto verlangt, das junge Menschen, kleine Familien, Zweitwagenbesitzer und vor allem Frauen anspricht.

Deshalb sollte der Wagen nicht nur klein genug sein, um flott durch den Großstadtverkehr zu wuseln. Sondern er sollte auch variabel genug sein, um große Einkäufe, Urlaubsreisen und lange Wochenenden zu zweit zu bewältigen. Und moderner und jugendlicher als der R4 sollte er natürlich auch noch aussehen.

Wenn man auf die mehr als neun Millionen Exemplare und die 22 Jahre währende, in zwei Generationen aufgeteilte Karriere schaut, hat das offenbar bestens funktioniert. Die Idee mit den Kleinserien dagegen war nicht immer vom Erfolg gekrönt. Zumindest nicht beim Elektro-R5.

Die Idee vom Elektroumbau war später sehr erfolgreich

Dabei hätte der Lectric Leopard sogar das Zeug zu mehr gehabt, sagt Schouren. Er zieht eine Parallele zu einem ganz ähnlichen Konstrukt jüngeren Datums. Denn so wie die Amerikaner 1978 ein europäisches Importmodell als Basis für ihren Umbau wählten, baute rund 30 Jahre später ein gewisser Elon Musk einen Lotus Elise zum elektrischen Roadster um - und hat damit deutlich mehr Erfolg gehabt.

Ob es an den maximal 90 km/h lag, an der Reichweite von bestenfalls 128 Kilometern, an der Ladezeit von einer Nacht, am gegenüber dem normalen R5 von 3495 auf 6995 US-Dollar verdoppelten Preis, oder ob einfach die Zeit noch nicht reif war? Während die umgebaute Elise die Basis für den aktuell wertvollsten Autohersteller der Welt war, kennt den elektrischen R5 heute jedenfalls kaum noch einer.

Experimente und Sportversion - das gab's auch ab Werk

Auch Renault selbst experimentierte laut Werkschronik mit einem elektrischen R5. Doch obwohl mit 180 Kilometern Reichweite und nur zehn Stunden Ladezeit sogar etwas besser als das US-Modell, reichte es nur für 90 Exemplare, die im Staatsdienst zum Einsatz kamen.

Dafür jedoch haben es die Franzosen mit einer anderen Kleinserie zu Ruhm und Ehre gebracht: Dem R5 Alpine. Wo das Original im Jahr 1972 mit 25 kW/34 PS und einem Spitzentempo von gut 120 km/h startete, schaffte der erste R5 zum Rasen mit 68 kW/93 PS über 190 Sachen.

Als 1980 der R5 Turbo mit 118 kW/160 PS vorfuhr, war das Herzrasen perfekt: Mit einem Sprintwert von 6,9 Sekunden ließ er so manchen Sportwagen jener Zeit hinter sich. Im Renn- und Rallyesport war der R5 Turbo sogar mit bis zu 272 kW/370 PS unterwegs.

Der "Kleine Freund" kommt wieder

50 Jahre nach seiner Premiere ist die Idee des R5 wieder lebendiger denn je. Denn Renault plant laut Firmenchef Luca de Meo ein Comeback. Wie damals soll er Mobilität wieder erschwinglich machen, nur diesmal von Anfang an und ausschließlich elektrisch.

Mehr als 25.000 Euro soll zumindest das Basismodell nicht kosten, wenn es 2024 auf die Straße rollt. Aber so wie es aussieht, hat neben dem universellen und vor allem erschwinglichen Anspruch des R5 auch das Faible für die Varianten und für die Geschwindigkeit überlebt.

Denn noch bevor der neue R5 überhaupt auf der Straße ist, wurde schon der erste Ableger präsentiert: Eine Studie im Stil des R5 Turbo als Auto für Drifter mit extrem verbreiterter Karosserie, zwei E-Motoren und 279 kW/380 PS. Zwar ist das bislang nur ein Einzelstück. Doch wer sich die ganzen Exoten in der langen Karriere des Originals anschaut, der hat keinen Zweifel daran, dass es dabei nicht bleiben muss.  © dpa

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