Renault will mit dem Elektro-Master Marktführer bei den elektrischen Nutzfahrzeugen werden. Dazu soll die beachtliche Reichweite beitragen. Das checken wir im Fahrbericht.

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Die Transporterbranche holt aktuell die Entwicklung aus dem Pkw-Lager nach. Wie bei den damals ersten Elektroautos auf dem Markt waren die leichten Nutzfahrzeuge in der Klasse bis fünf Tonnen bislang mit eher schütterer Reichweite auf der Basis von Verbrenner-Modellen nachträglich elektrifiziert worden, sehr überzeugend war das nicht.

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Bei den neuen Generationen, die Branchengrößen wie Ford, Mercedes und Stellantis präsentiert haben, ist das Angebot runder. Als neuestes Angebot betritt nun der Renault Master die Arena, der von Grund auf für den Elektroantrieb entwickelt wurde und mit der aktuell höchsten Reichweite dieses Segment künftig anführen möchte.

Vierte Generation

Im November 2023 präsentierte Renault den neuen Master der Generation 4 auf der Nutzfahrzeugmesse Solutrans in Lyon. Das Hauptaugenmerk bei der Entwicklung war dabei die Aerodynamik, üblicherweise nicht die größte Tugend von Transportern und Kastenwagen. Mit zahlreichen Einzelmaßnahmen von der stärker geneigten Windschutzscheibe über die nach hinten abfallende Dachlinie bis hin zu Luftumleitungen in der Schürze scheint dieser Job gelungen. Der Luftwiderstandsindex wurde gegenüber der Vorgänger-Generation um mehr als 20 Prozent verbessert.

Das bringt nicht nur den Diesel-Modellen einen Verbrauchsvorteil (laut Renault bis zu 1,5 Liter auf 100 Kilometer), sondern trägt bei der Elektroversion Master E-Tech entscheidend zur Reichweiten-Verbesserung bei. Die ist das Aushängeschild des neuen Renault-Transporter und soll je nach Modellvariante bei bis zu 460 Kilometer liegen.

Über 400 Kilometer Reichweite

Mehr als 400 Kilometer elektrische Reichweite sind zwar auch bei einigen der neuesten Wettbewerbsmodellen verfügbar, dort allerdings mit gewaltigen Akkupaketen von weit über 100 kWh. Renault nutzt dagegen lediglich eine 87 kWh-Batterie, was auch Gewicht spart, 522 Kilo wiegt die Traktionsbatterie. Eine kleinere 40-kWh-Version für den städtischen Einsatz ist ebenfalls verfügbar.

Die Nutzlast des E-Master beträgt bis zu 1.625 Kilogramm, die Anhängelast 2,5 Tonnen, was für einen E-Transporter beachtlich ist. An Schnellladesäulen kann der Master mit bis zu 130 kW laden und im von Renault errechneten Idealfall in 30 Minuten Energie für 229 Kilometer aufnehmen. Eine 22-kW-Wechselstrom-Ladestation lädt die Batterie in knapp vier Stunden von zehn auf 100 Prozent.

Die neue Generation bietet zahlreiche Aufbauvarianten mit einer Ladekapazität von elf bis 22 Kubikmeter. Die seitliche Ladeöffnung ist 40 Millimeter breiter und die Ladefläche 100 Millimeter länger. Der Wendekreis verkleinert sich dank neuer Vorderachse und verkürztem Radstand um 1,5 Meter.

Zu den Fahrerassistenzsystemen gehören Seitenwindstabilisierung, Notbremsassistent, Anhängerstabilitätskontrolle und ein adaptiver Tempopilot mit Tempolimit-Scanner. Serienmäßig ist das Multimediasystem "Open R Link" mit 10-Zoll-Display sowie kabelloser Android Auto- und Apple-CarPlay-Konnektivität, die Elektro-Master bekommen außerdem serienmäßig ein volldigitales Cockpit.

Volldigitales Cockpit

Während Renault für den Master mit der großen Batterie bislang eine 105-kW-Maschine auswies, ist im Datenblatt unseres Testwagens Kastenwagen (L2H2) die Rede von einem 100-kW-Elektromotor, das entspricht 136 PS. Maximales Drehmoment: 300 Nm. Das klingt beides gar nicht einmal so üppig für einen großen Transporter, überzeugt aber gleich auf den ersten Metern mit Praxistauglichkeit. Dabei war der Testwagen mit einem Ballastgewicht von 400 Kilogramm beladen.

Die Fahrstufenwahl wird über einen Lenkstockhebel erledigt, dabei lässt sich wahlweise der normale Fahrgang oder der "Brake"-Modus für starke Rekuperation einstellen, was zum Beispiel an langen Gefällstrecken von Vorteil sein kann. Weitere "Feineinstellungen" zur Rekuperation gibt es jedoch nicht. Dass der Master angesichts der Leistungsdaten nicht wie ein Berserker von der Ampel losstürmt, ist natürlich klar. Das sofort verfügbare Drehmoment bringt dennoch – unter Transporter-Maßstäben – einen sehr munteren Antritt, mit dem er die Diesel-Kollegen weit hinter sich lässt. Die lebhafte Beschleunigung ist dabei im gesamten Geschwindigkeitsbereich erlebbar, selbst bei Tacho 100 legt der Master noch kräftig zu, bevor bei 120 km/h abgeregelt wird.

Der Elektroantrieb im Verbund mit der guten Aerodynamik bringt ein sehr geringes Innenraumgeräusch mit sich. Auch bei hohem Tempo kann man sich in Zimmerlautstärke in der Dreisitzer-Kabine unterhalten, ein großer Fortschritt gegenüber anderen Großraum-Transportern mit Dieselmotor. Ebenfalls auffällig ist die gute Sitzposition auf dem außergewöhnlich bequemen Fahrersitz, selbst die Armlehne auf der Fahrertür verdient ein Extra-Lob. Das in Höhe und Weite verstellbare Lenkrad komplettiert die gute Ergonomie.

Komfortables Fahrwerk

Etwas sparsam war Renault dagegen bei den Ablagen. Zwar gibt es zahlreiche Fächer hinter der Scheibe, im Beifahrer-Bereich, unter dem Mittelsitz und in der herausklappbaren Armlehne. Bei den Getränkehaltern und offenen Ablagen, die man häufig nutzt, ist die Auswahl dagegen eingeschränkt. So gibt es lediglich eine kleine Smartphone-Ablage und einen Getränkehalter, der sich eher für Dosen eignet, in Fahrer-Reichweite. Wasserflaschen beispielsweise lassen sich nur in den Türtaschen verstauen und sind dort während der Fahrt nicht erreichbar.

Das Fahrwerk – auch hier gilt "unter Transporter-Maßstäben" – ist komfortabel abgestimmt. Speziell die Vorderachse federt und dämpft angenehm, von der starren Hinterachse gibt es dagegen leichte, branchenübliche Knuffe und Wipp-Aktionen bei groben Unebenheiten. Die Lenkung arbeitet zielgenau, der vergleichsweise geringe Wendekreis erleichtert den Umgang mit dem 5,7 Meter langen Kastenwagen.

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Beim Verbrauch schließlich scheint Renault nicht zu viel zu versprechen. 21,7 kWh/100 km stehen im Datenblatt, an diesen Wert kamen wir bei der ausgedehnten Testfahrt mit Stadt- und Autobahnanteil sowie viel Überland-Strecken gut heran. Für ein so großes Nutzfahrzeug ist das eine echte Ansage. Jetzt muss nur noch der Preis passen, aber den verrät Renault aktuell noch nicht. Mit mindestens 60.000 Euro für die 87-kWh-Version wird aber wohl zu rechnen sein, die 40-kWh-Version könnte bei rund 50.000 Euro starten.  © auto motor und sport

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