Muss die Polizei immer die Personalien aufnehmen, wenn sie jemanden bei einer Verkehrssünde erwischt? Lohnt es sich vielleicht sogar, wenn ich im Gespräch Einsicht zeige? Wir haben bei einem Anwalt für Verkehrsrecht nachgefragt.

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Ein Fahrradfahrer fährt bei Rot über die Straße. Polizisten sehen es und halten ihn an. Nach einem kurzen Gespräch darf er weiterfahren, Personalien nimmt die Polizei nicht auf. Unrealistisch? Oder haben Sie eine solche Situation auch schon mal beobachtet oder selbst erlebt und sich gefragt, ob die Polizei sich hier korrekt verhalten hat?

Zunächst einmal gilt für Fahrradfahrer: "Rotlichtverstöße von Radfahrern sind grundsätzlich genauso zu ahnden wie von Autofahrern, wenn auch die Bußgelder geringer sind und kein Fahrverbot droht", fasst Albert Cermak, Fachanwalt für Verkehrsrecht, zusammen.

Bei Rot über die Ampel - welche Strafen drohen?

  • Tatsächlich spielt eine Rolle, wie lange die Ampel schon rot war. Je länger nämlich, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der kreuzende Verkehr schon freigegeben ist, was die Situation sehr gefährlich macht. Daran bemisst sich dann auch die Höhe der Strafe.
  • Zeigte die Ampel beim Überfahren maximal eine Sekunde lang rot, gilt dies als einfacher Rotlichtverstoß. War die Ampel länger als eine Sekunde rot, ist das ein qualifizierter Rotlichtverstoß. Wenn man andere Verkehrsteilnehmer gefährdet, kann die Strafe noch höher ausfallen. Details dazu finden Sie unter den Bußgeldkatalognummern 137606 ff.
  • Nur in Notfällen darf man über Rot fahren, um etwa Platz für durchfahrende Einsatzfahrzeuge zu machen, solange man dadurch den Verkehr nicht blockiert.
  • Wird man als Fußgänger beim Überqueren einer roten Ampel erwischt, kostet das fünf Euro Strafe. Ist ein Unfall die Folge, zehn Euro. Die Polizei kann es auch als Verstoß werten, wenn Sie im direkten Umfeld einer Ampel über die Straße gehen.

Darf die Polizei mündlich verwarnen?

Tatsächlich aber gilt: "Bei allen Ordnungswidrigkeiten dürfen Polizeibeamte ein Auge zudrücken und es beispielsweise bei einer mündlichen Verwarnung belassen", klärt Cermak auf. Es gebe zwar ein sogenanntes "Legalitätsprinzip": die Pflicht der Polizei, bei einer Strafverfolgungsbehörde ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, wenn es einen Anfangsverdacht gibt. Dieses Prinzip gelte aber nur bei Straftaten, nicht bei Ordnungswidrigkeiten.

Wo liegt der Unterschied? Ordnungswidrigkeiten sind alle Vergehen, die nur mit einem Bußgeld und eventuell einem befristeten Fahrverbot bestraft werden. Cermak nennt einige Beispiele für Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr:

  • Geschwindigkeitsverstöße
  • Abstandsverstoß
  • Rotlichtverstoß
  • Handy am Steuer

"Ein Auge zugedrückt wird eher bei kleineren Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, etwa Gurtpflicht oder Beleuchtungspflicht. Wenn die Beamten von einem fahrlässigen Verstoß ausgehen und man sich einsichtig zeigt, verbleibt es oftmals bei einer mündlichen Verwarnung", erklärt der Fachanwalt.

Wann die Polizei reagieren muss

Eine nicht unbedeutende Rolle spielt das übrigens auch für das Privatleben von Polizeibeamten, wie Cermak ausführt: "Denn auch da gilt: Wenn ein Polizeibeamter - auch privat - von einer Straftat erfährt, muss er sie unter Umständen zur Anzeige bringen. Das gilt jedenfalls bei den meisten Verbrechen – beispielsweise einer gefährlichen Körperverletzung", zählt Cermak auf. "Wenn es aber nur um ein Bagatelldelikt geht, muss ihn das nicht interessieren."

Auch ob die Polizei nach einem Unfall diesen aufnimmt, kann damit zusammenhängen: "Geht es nur um einen Sachschaden und die Polizei hat gerade viel zu tun, wird den Beteiligten oft gesagt, dass keine Beamten zur Unfallstelle kommen. Gibt es aber einen Personenschaden, steht eine fahrlässige Körperverletzung im Raum - und sie stellt eine Straftat dar. Dann muss die Polizei kommen", sagt Cermak.

Welche Straftaten gibt es im Straßenverkehr?

Auch im Straßenverkehr können Straftatbestände vorliegen. Darunter fällt alles, was dazu im Strafgesetzbuch (StGB) steht und vereinzelt auch in anderen Gesetzen, vor allem in §21 des Straßenverkehrsgesetzes "Fahren ohne Fahrerlaubnis".

Cermak nennt die wichtigsten Verkehrsstraftaten im StGB:

  • §142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
  • §229 Fahrlässige Körperverletzung
  • §240 Nötigung
  • §315b Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr
  • §315c Gefährdung des Straßenverkehrs
  • §315d Verbotene Kraftfahrzeugrennen
  • §316 Trunkenheit im Verkehr

Über den Gesprächspartner

  • Albert Cermak ist Fachanwalt für Verkehrs- und Arbeitsrecht in München.

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