Nissan will unbedingt den Turnaround schaffen – und setzt dabei weiter stark auf Elektroautos. Mit dieser Technik möchte der Konzern aus der Krise fahren.
Nissan befindet sich aktuell im Krisenmodus. Die letzten vorgestellten Geschäftszahlen trugen ein dickes Minus, die Fusionsgespräche mit dem japanischen Rivalen Honda scheiterten, und der taiwanesische Auftragsfertiger Foxconn will doch nicht bei Nissan einsteigen. Dann musste auch noch der Präsident und Geschäftsführer Makoto Uchida abdanken und seinen Stuhl für Ivan Espinosa räumen. Der gebürtige Spanier bekräftigt: "Ich will Nissan vorwärtsbringen."
Nissan will und muss sich emanzipieren
Einige Modelle, mit denen das gelingen soll, hatte Nissan kürzlich vorgestellt. Darunter den neuen Leaf (siehe Video), der in seiner dritten Generation zum Elektro-Crossover mutiert. Hinzu kommen der technisch eng verwandte, künftig rein elektrisch angetriebene Juke und der neue Micra, der künftig optisch und technisch ein Ableger des Renault 5 E-Tech ist. Mit dem französischen Konzern ist Nissan weiterhin eng verbandelt. Die Renault Group hält über eine Treuhandgesellschaft derzeit 18,66 Prozent der Nissan-Aktien. Allerdings sind beide Partner neuerdings berechtigt, ihren Anteil an der anderen Firma auf jeweils zehn Prozent reduzieren zu können.
Video: Nissan Leaf im Teaservideo
Nissan kann (oder muss) sich also künftig stärker von Renault emanzipieren. Und im Zuge dessen mehr eigene technische Lösungen für die bevorstehende Modelloffensive entwickeln. Eine zentrale Rolle kommt dabei einer neuen Elektro-Plattform zu, die Ponz Pandikuthira, der bei Nissan USA für die Produktplanung zuständig ist, im Gespräch mit dem Branchenmedium "Automotive News" bestätigt hat. Diese Plattform sei "besonders vielseitig". Sie werde insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen des nordamerikanischen Marktes entwickelt, wobei die darauf basierenden Modelle im Werk Canton, Mississippi, gebaut werden sollen.
Crossover statt Limousinen
Doch welche Modelle sollen die neue Plattform nutzen? Ursprünglich habe Nissan Limousinen-Modelle und damit elektrische Nachfolger der Baureihen Altima und Maxima geplant. Doch auch in den USA haben es Autos mit Stufenheck zunehmend schwer. Also planen die Japaner eigens für Nordamerika entwickelte Crossover-Modelle, die ebenfalls das Emblem des Nobelablegers Infiniti tragen könnten. Der Startschuss soll mit einem C-Segment-Crossover erfolgen; in dieser Klasse tritt Nissan aktuell mit dem Elektro-SUV Ariya an. Der Neuling lässt allerdings wohl noch bis Mitte 2028 auf sich warten.
Für den US-Markt mindestens ebenso wichtig sind Pick-up-Modelle. Hier könnte die neue Plattform ebenfalls eine Tür aufstoßen, auch wenn es noch keine konkrete Entscheidung für einen elektrischen Pritschenwagen gibt. Wenn er kommt, dann erst in Richtung 2030 und eher mit Lifestyle-Attitüde als mit Arbeitstier-Charakter. Nissan plant also eher einen Rivalen für den Hyundai Santa Cruz oder den Ford Maverick als einen Nachfolger des eigenen Frontier-Modells, das mit Hybridantrieb im Angebot bleiben soll. "Es gibt eine wachsende Nische von Leuten, die ein Abenteuerfahrzeug wollen, aber umweltbewusst sind und nicht mit einem V8 in die Wälder fahren wollen", sagt Pandikuthira. "Dieses Segment könnte wachsen, und wir behalten es im Auge."
Plattform als Antwort auf Trump-Zölle
Unklar ist bislang, inwiefern sich die neue E-Auto-Architektur von einer bereits 2021 vorgestellten Skateboard-Plattform unterscheiden wird. Diese sollte ebenfalls umfassend skalierbar und somit für viele verschiedene Fahrzeugkonzepte nutzbar sein. Um deren Flexibilität zu unterstreichen, präsentierte Nissan damals ein Konzeptstudien-Quartett (siehe Fotoshow über dem Artikel), von dem drei Vertreter diese Plattform nutzen sollten: ein SUV, ein SUV-Coupé und ein Pick-up, jeweils mit E-Antrieb. In die Serie haben es bislang jedoch weder die Plattform noch die Autos geschafft.

Obendrein bleibt Nissan offen für Partnerschaften mit anderen Autoherstellern, um Kräfte zu bündeln. "Die Vielseitigkeit der Plattform und die Werkskapazitäten von Nissan in den USA eröffnen die Möglichkeit einer Partnerschaft mit einem anderen OEM, um die Herstellungskosten zu senken", ergänzt Ponz Pandikuthira. Nissans neue Plattform und die eigene Produktions-Infrastruktur könnten also sowohl den Japanern als auch einem verbündeten Autobauer helfen, die aktuell viel diskutierten, von US-Präsident Donald Trump eingeführten Zölle zu umgehen. © auto motor und sport