Das Gesetz, auf das sich der italienische Industrieminister Adolfo Urso bezieht, wurde 2003 in Italien unter dem damaligen Regierungschef Silvio Berlusconi verabschiedet. Es besagt, dass "italienisch klingende" Produkte auch in Italien hergestellt werden müssen. Sei dies nicht der Fall, würden sie fälschlicherweise behaupten, italienisch zu sein. So wie beispielsweise "Parmesan"-Käse, der gar nicht aus dem südeuropäischen Land in Stiefelform kommt. Oder Pasta, Fleisch und Wurst oder Wein sowie Prosecco, wenn ihre Produktbezeichnung zwar suggeriere, aus Italien zu stammen, sie aber in Wahrheit aus anderen Ländern in die Welt versandt werden.
Video: Alfa Romeo Junior: das ist der neue Einstiegs-Alfa
Milano ist eine "irreführende Angabe"
In erster Linie zielt das Gesetz auf Lebensmittel und andere, meist landwirtschaftlich erzeugte Produkte ab. Doch Urso zufolge lässt es sich auch auf Autos wie den Alfa Romeo Milano anwenden, schließlich wird der Milano im polnischen Werk in Tychy gebaut.
"Dieses Gesetz besagt, dass man keine Angaben machen darf, die den Verbraucher in die Irre führen. Ein Auto mit dem Namen Milano muss also in Italien hergestellt werden", argumentiert der Minister, dessen Ressort offiziell "Ministerium für Unternehmen und Made in Italy" heißt. Andernfalls handele es sich um eine irreführende Angabe, die nach italienischem Recht nicht zulässig sei.
Alfa: "Dieser Moment wird in die Geschichte eingehen"
Auf Grund dieser Regel rudert Alfa, sicher einzigartig in der Welt der Automobilindustrie, zurück, und benennt seinen erst am 10.4.2024 präsentierten Kompakt-SUV um. Aus Milano wird Junior. In einer offiziellen Stellungnahme des Stellantis-Konzerns, zu dem auch Alfa gehört, heißt es: "Wir sind uns vollkommen bewusst, dass dieser Moment in die Geschichte von Alfa Romeo eingehen wird. Es ist ein Moment großer Verantwortung. Die Wahl des Modellnamens Junior ist logisch, da er eng mit der Geschichte unserer Marke verbunden ist. Der Name Junior zählte von Anfang an zu unseren Favoriten und zu den Favoriten des Publikums. Als Team entscheiden wir uns erneut dafür, unsere Leidenschaft für die Marke zu teilen und das Produkt sowie unsere Kunden in den Vordergrund zu stellen. Wir haben uns entschlossen, den Namen zu ändern, obwohl wir dazu nicht verpflichtet sind. Wir bewahren die positiven Emotionen, die unsere Automobile immer hervorgerufen haben, und wollen jegliche Kontroverse vermeiden. Die Aufmerksamkeit, die wir in den letzten Tagen für unseren neuen Kompaktwagen erhalten haben, ist überwältigend. Unser Internetauftritt verzeichnete eine noch nie dagewesene Anzahl von Besuchen, die zeitweise sogar zum Absturz der Seite führte", kommentiert Jean-Philippe Imparato, CEO Alfa Romeo.
Auch von Seiten des Verbandes der italienischen Alfa-Händler gab es positives Feedback zu der ungewöhnlichen Entscheidung: "Alfa Romeo ist eine integrative Marke, die Leidenschaft und positive Emotionen weckt. Das sehe ich in den Augen unserer Kunden, wenn sie sich unsere Fahrzeuge anschauen, sie Probefahren, kaufen und abholen. Aus diesem Grund begrüßen wir die Entscheidung des Unternehmens, den Modellnamen von Milano in Junior zu ändern. Eine Kontroverse würde die Begeisterung und die enorme Aufmerksamkeit beeinträchtigen, die das neue Fahrzeug erfährt. Junior und Milano sind beides schöne Bezeichnungen, die ihre Wurzeln in der Geschichte der Marke Alfa Romeo haben. Es ist kein Zufall, dass diese beiden Namen zu den Publikumslieblingen gehörten", ergänzt der Händler-Präsident Stefano Odorici.
Stellantis und die Regierung im Clinch
Der Vorstoß Ursos ist der vorläufige Höhepunkt eines Konflikts zwischen der rechtskonservativen Regierung in Rom und dem europäisch-amerikanischen Autokonzern Stellantis, zu dem neben Alfa Romeo einige weitere italienische Automarken der früheren Fiat-Gruppe gehören. Und jene des ehemaligen französischen PSA- sowie des US-amerikanischen Chrysler-Konzerns. Hinzu kommt Opel samt dessen britischem Ableger Vauxhall. Im Kern geht es darum, dass die Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni, die auch Parteichefin der "Fratelli d'Italia" ist, Stellantis dazu verdonnern will, mehr Autos und Zulieferkomponenten in Italien herzustellen. Reuters zufolge will der Staat den Konzern dazu verpflichten, pro Jahr mindestens eine Million Autos in Italien zu produzieren.
Laut "Automotive News" senkt der Fakt, dass der Alfa Romeo Milano in Polen statt Italien gebaut wird, dessen Preis um 10.000 Euro. Die genauen Tarife für das neue Einstiegsmodell wurden zwar noch nicht kommuniziert, doch die Basisvariante, der Milano Ibrida – und jetzt Junior Ibrida – mit 136 Hybrid-PS, soll etwa 30.000 Euro kosten. Für die Elektro-Variante werden gut 40.000 Euro kolportiert.
"Milano" sollte Mailand huldigen
Der Modellname Milano wurde vom Publikum gewählt, um die Stadt zu ehren, in der im Jahr 1910 die Geschichte von Alfa Romeo begann. Dies war nicht das erste Mal, dass Alfa Romeo die Meinung der Öffentlichkeit bei der Namenswahl eines Autos einholte. Bereits 1966 geschah dies beim Spider, für den das Publikum den Namen Duetto auswählte.
Als es darum ging, die richtige Modellbezeichnung für das neue Einstiegsmodell der Marke auszuwählen, scheint das die Namensfindungskommission von Alfa Romeo nicht auf die leichte Schulter genommen zu haben. Lange wurde über den Namen "Brennero" spekuliert, wobei die Italiener das Spiel mit eigens gestreuten Hinweisen, die letztlich leicht missinterpretiert werden konnten, nur zu gerne mitgespielt hatten. Schließlich wurde in einer eigens einberufenen Online-PK, an der sogar Markenchef Jean-Philippe Imparato teilnahm, ein ganz anderer Name verkündet: "Milano", also Mailand, und damit die Geburtsstadt des Autoherstellers A.L.F.A. ("Anonima Lombarda Fabbrica Automobili"), der später in Alfa Romeo umbenannt wurde. © auto motor und sport
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