Sind die Fahrassistenzsysteme in der aktuellen Autogeneration schon so weit, den Verkehr wirklich sicherer zu gestalten und die Unfallzahlen entscheidend zu senken? Da sich an der Antwort auf diese Frage die Geister scheiden, testen Verbraucherschutz- und Verkehrssicherheits-Organisationen regelmäßig deren Qualität. Dieses Mal hat die unabhängige US-Verkehrssicherheits-Organisation IIHS die Assistenzsysteme mehrerer Automodelle auf den Prüfstand gestellt und daraus ein allgemeingültiges Prozedere sowie Bewertungsschema entwickelt, das künftig die Fortschritte auf diesem Gebiet überwachen soll.

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Bei der Erstauflage kommen die Sicherheitsexperten zu beunruhigenden Ergebnissen. Von 14 getesteten System schneiden nicht weniger als elf mit dem vernichtenden Urteil "schwach" ab. Zwei sieht das IIHS als "grenzwertig" an, während nur eines als immerhin "akzeptabel" überzeugen kann: Das im Lexus LS der Modelljahre 2022 bis 2024 installierte Paket "Lexus Teammate with Advanced Drive" erhält in den meisten Punkten gute Bewertungen. Nur der Punkt Fahrerüberwachung sticht negativ heraus und erhält das Prädikat "grenzwertig".

Zwei grenzwertige, elf schwache

Auf der zweiten Position landet der mit "General Motors Super Cruise" ausgestattete GMC Sierra, das Testurteil lautet "grenzwertig". Der Podestplatz überrascht, denn in gleich drei Kategorien (Fahrerüberwachung, Spurwechsel und Lenkunterstützung) agiert das System schwach. In genauso vielen Punkten schneidet der Pick-up der Modelljahre 2023 und 2024 gut ab. Nur der dritte Platz bleibt dem "Nissan Pro-Pilot Assist with Navi-link" des Modells Ariya, obwohl er sich keine gravierenden Schwächen leistet und ebenfalls drei Punkte mit gutem Resultat absolviert.

Von den elf schwachen Fahrassistenten ist der "BMW Active Driving Assistant Pro" des aktuellen X1 laut IIHS der am wenigsten schlechte. Zwei schwache Kategorien (Aufmerksamkeiterinnerungen, Wiederaufnahme des Abstandsregeltempomaten) verhindern bei ihm ein besseres Ergebnis. Ähnlich sieht es mit dem "Mercedes-Benz Active Distance Assist Distronic with Active Steering Assist" in der 2022/23er C-Klasse aus. Überraschenderweise sieht das IIHS bei ihm neben den Aufmerksamkeiterinnerungen die weiteren Sicherheitsmerkmale als größtes Problem.

Tesla und Volvo als Schlusslichter

Wer tiefer in die Ergebnisliste eintaucht, entdeckt das Phänomen, dass zwei unterschiedliche Assistenzsysteme vom selben Hersteller – sogar im gleichen Auto – unterschiedlich gut arbeiten können. Den ebenfalls im Lexus LS der Modelljahre 2022 bis 2024 verbauten "Lexus Dynamic Radar Cruise Control with Lane Tracing Assist" bewertet das IIHS nämlich ebenso schwach wie den "Nissan Pro-Pilot Assist 2.0". Wie das drittplatzierte Nissan-System wurde es im aktuellen Ariya getestet.

Ganz hinten landen die Systeme des selbst ernannten Pioniers beim autonomen Fahren, Tesla, und des Sicherheits-Vorreiters Volvo. Im Model 3 der Modelljahre 2021 bis 2023 überprüfte das IIHS sowohl den Tesla-Autopilot in der Version 2023.7.10 als auch "Full Self Driving" in der Beta-Variante Version 2023.7.10. Das Ergebnis fällt in beiden Fällen gleich verheerend aus: in fünf von sieben Einzelkategorien hagelt es das Testurteil "schwach". Das IIHS weist jedoch darauf hin, dass die Tesla-Systeme inzwischen im Rahmen eines Rückrufs verbessert wurden. Der "Volvo Pilot Assist" im S90 (Modelljahr 2022 bis 2024) leistet sich zwar nur zwei grobe Patzer, muss sich am Ende jedoch trotzdem mit dem letzten Platz begnügen.

Fahrerüberwachung als zentrale Schwachstelle

"Die Mängel variieren von System zu System", sagt Alexandra Mueller, Senior Research Scientist des IIHS sowie Testleiterin und Entwicklerin des neuen Bewertungssystems. Dennoch hat die Organisation im Verlauf des Tests eine zentrale Schwachstelle identifiziert, die viele Systeme aufweisen: "Die meisten von ihnen beinhalten keine ausreichenden Maßnahmen, um Missbrauch zu verhindern und den Fahrer davor zu bewahren, den Fokus auf das Geschehen auf der Straße zu verlieren", sagt David Harkey, der Präsident der Organisation. Vielen fehle es an rechtzeitigen Aufmerksamkeitserinnerungen, die eindringlich genug sind, "um einen Fahrer, der abschweift, zu wecken", ergänzt Mueller. Obendrein bemängelt sie, dass das Gros der Systeme selbst dann benutzt werden kann, wenn die Insassen nicht angeschnallt oder andere wichtige Sicherheitsfunktionen ausgeschaltet sind.

"Diese Ergebnisse sind besorgniserregend, wenn man bedenkt, wie schnell Fahrzeuge mit diesen teilautomatisierten Systemen auf unseren Straßen unterwegs sind", sagt Harkey. Der IIHS-Präsident sieht deshalb bislang "kaum Beweise dafür, dass die Teilautomatisierung lange Fahrten einfacher und das Fahren generell sicherer macht".

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Hinweis: Im Video und in der Fotoshow zeigen wir Ihnen, wie das Level-3-Assistenzsystem "Drive Pilot" von Mercedes funktioniert. Außerdem erfahren Sie darin die Detailergebnisse des IIHS-Assistenzsystem-Tests.  © auto motor und sport

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