Wenn im Salles du Carrousel des Louvre in Paris das Giallo Modena eines Ferrari 250 GT Berlinetta SWB im Scheinwerferlicht strahlt, kehrt ein frühes Exemplar der exklusiven Kleinserie an den Ort der Weltpremiere zurück. Nur wenige Kilometer vom Louvre wurde der neue GT erstmals vorgestellt. Im Grand Palais gehörte der neue Ferrari zu den Stars des Pariser Automobil Salons, gezeigt auf dem Stand der Pariser Ferrari-Vertretung "Franco-Brittanic Autos" von Walter Sleator.
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Auktions-Star während der Rétromobile 2024
Heute gehört der gelbe GT von Ferrari mit Chassisnummer 1773GT zu den Auktions-Stars in Paris rund um die Oldtimermesse Retromobile. Es ist ein Anfang 1960 gebautes Exemplar des 250 GT Berlinetta mit kurzem Radstand (2.400 mm). Der Renn-Zweisitzer zählt zu den 44 oder 45 Competizione-Versionen mit Leichtmetallkarosserie, die Ferrari 1960 baute. Für die folgende Saison legte Enzo Ferrari eine weitere Kleinserie mit einer verbesserten Version ("250 GT Competizione/61") auf.
Das Auktionshaus RM Sotheby’s hat in Paris das fünfte gebaute Exemplar der ursprünglich 270 PS starken Rennversion angeboten. Es wurde im März 1960 an das US-amerikanische N.A.R.T.-Team von Importeur Luigi Chinetti ausgeliefert. Dieses Kürzel steht für North American Racing Team. Der neue 250 GT SWB traf gerade rechtzeitig für den Einsatz beim 12-Stunden-Rennen von Sebring ein. Auf der welligen Marterstrecke des Flughafengeländes in Florida wurde der zweite Saisonlauf der Sportwagen-Weltmeisterschaft ausgetragen – zugleich der erste Renneinsatz für den SWB.
In Sebring wurde er als zweiter SWB des Teams mit den US-amerikanischen Fahrern George Arents und William Kimberly eingesetzt. Sie erreichten den siebten Gesamtplatz. George Arents, ein damals 43 Jahre alter Gentleman Driver, war auch jenseits des Cockpits ein wichtiger Unterstützer für N.A.R.T. 1957 gehörte er zu den Finanziers von Luigi Chinetti bei der Teamgründung.
Erfolgreicher Renneinsatz in Sebring
Der GT mussten zunächst in der Sportwagen-Kategorie antreten, weil die Stückzahl noch nicht für die Homologation reichte: Für die Renn-Zulassung zum Gran Turismo musste der Bau von 100 technisch identischen Autos innerhalb von zwölf Monaten nachgewiesen werden. Trotz der ungünstigen Einstufung war der Einsatz auf der Airbase in Florida ein Erfolg. Auf der sehr welligen Piste bewiesen alle drei eingesetzten 250 GT SWB mit Zielankunft ihre Zuverlässigkeit. Bestes Team waren die N.A.R.T.-Teamkollegen Ed Hugus und Augie Pabst. Das Langstreckenrennen endete mit einem Doppelsieg für Porsche.
Ferrari hatte die neue Berlinetta mit seiner Konstrukteurselite als Nachfolger des 250 GT "Tour de France"-entwickelt: Giotto Bizzarrini, Carlo Chiti und Mauro Forghieri. Der um 20 Zentimeter verkürzte Radstand, Scheibenbremsen an allen vier Rädern und ein stärkerer Dreiliter-V12 der Colombo-Linie machten das neue Modell zu einem begehrten Wettbewerbsauto für alle Einsatzzwecke von Rundstrecken- und Bergrennen bis zu Rallyes. Die Sportkommission des Automobilweltbands FIA hatte die GT-Kategorie erst wenige Monate zuvor eingeführt. Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans wurde diese Kategorie 1959 erstmals ausgeschrieben. Den Premierensieg in der Kategorie sicherte sich ein Auto der Equipe Belge Nationale mit dem alten 250 GT mit langem Radstand. Als Gesamtdritte wurden die Belgier Jean Blaton und Leon Dernier bestes Ferrari-Team hinter den beiden Rennsportwagen von Doppelsieger Aston Martin.
Der britische Sportwagenspezialist wurde Anfang der 60er-Jahre zu einem der härtesten GT-Konkurrenten der Italiener. Ferrari richtete sich mit den Rennversionen seiner Straßensportwagen an Rennställe seiner Importeure, Privatteams und an Privatfahrer. Insgesamt etwa 65 Exemplare (die Angaben unterscheiden sich je nach Quelle) verkaufte die Firma aus Maranello.
Test in der Motor Revue
Auch in Deutschland sorgte der neue 250 GT für Aufsehen. In der Sommerausgabe der Motor Revue 1960 schilderte Heinz-Ulrich Wieselmann seine Eindrücke: "Der 250 GT Berlinetta SWB ist jung, ungestüm, voll überschüssiger Kraft, ein serienmäßiger Rennsportwagen, der nach Freiheit dürstet". Wieselmann fuhr ein Schwestermodell des jetzt angebotenen Competizione. Es war das Exemplar des Düsseldorfer Rennfahrers Wolfgang Seidel, das einen Monat nach 1773GT ausgeliefert wurde. Heinz-Ulrich Wieselmann geriet ins Schwärmen: "Er ermöglicht das Fahren an sich, erlebnishungrig und zum Unmöglichen bereit. Er schmiegt sich in die Hand seines Lenkers, willig wie eine Sommerliebe." Dieser SWB befindet sich heute wieder in Deutschland.
Wolfgang Seidel sorgte für den ersten internationalen Gesamtsieg des neuen GT, allerdings nicht mit seinem eigenen Auto. Gemeinsam mit Willy Mairesse feierte der Rheinländer den Erfolg beim GP de Spa. Weitere große Erfolge erzielte Stirling Moss bei den TTs in Goodwood 1960 und 1961 und das Team Willy Mairesse/Georges Berger bei der Tour de France.
Zu den Kunden, die sich einen 250 GT mit kurzem Radstand leisteten, zählte auch der US-Fahrer Bob Grossman, eine schillernde Persönlichkeit aus dem Netzwerk von US-Importeur Luigi Chinetti. Der Ferrari-Privatier machte sich in den USA als Sportzeichner und Gestalter von Zeitungscovern einen Namen und konnte außerdem eine Gesangsausbildung vorweisen. Für das N.A.R.T. bestritt er bis in die 70er-Jahre mehrfach das 24-Stunden-Rennen von Le Mans und feierte dort mehrere Klassensiege.
Nach dem Einsatz in Sebring kaufte er den 250 GT SWB mit der Chassisnummer 1773GT. Bob Grossman startete die Saison über größtenteils bei nationalen und regionalen Rennen des Sports Car Club of America (SCCA). Nach der Saison verkaufte er das Auto an Bob Hathaway, der es ebenfalls nur in US-Rennen einsetzte. Nach Hathaway wechselte der gelbe Ferrari mehrfach in den USA den Besitzer, ehe er im Frühjahr 1979 nach Deutschland verkauft und hier restauriert wurde. Das weist eine Verkaufsanzeige in auto motor und sport-(Ausgabe 20/1981) aus.
Einer der Besitzer: Phil Collins' Manager
Danach gehört der GT mehreren europäischen Sammlern, darunter Phil-Collins-Manager Tony Smith, ehe es über eine Brooks-Auktion Ende 1999 vom namhaften US-Sammler Bruce McCaw erworben wurde. Er verkaufte diesen GT an John Romano, der damit historische Rennen bestritt. Seit 2014 gehört es zur Sammlung des Pinnacle Portfolio. 2015 wurde dieser Ferrari erneut bei einer Auktion angeboten, trotz eines Höchstgebots von rund 13,3 Millionen US-Dollar aber nicht verkauft.
Für die Auktion in Paris war für einen der ersten Ferrari 250 GT Berlinetta mit kurzem Radstand ein Mindestgebot von neun Millionen Euro angesetzt, ausgestattet mit einem Zertifikat von Ferrari Classiche. Dieser 250 GT verfügt demnach über den Motor mit der originalen Nummer. Ebenfalls original sind das Chassis, die Karosserie und die Hinterachse. Der Verkaufspreis lag bei 10,16 Millionen Euro. © auto motor und sport
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