Ducati stellt die Panigale V4 von Einarmschwinge auf Zweiarmschwinge um, zur Freude im Fahrerlager der WSBK. Bereits 2003 machte Ducati diesen Schritt mit der 999 und bekam starken Gegenwind von den Fans. Doch damals wie heute gibt es gute Gründe für eine zweiarmige Schwinge. MOTORRAD fuhr das neue Chassis der Panigale V4 S.

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"Wir sind überzeugt, dass diese Änderung sehr freudig aufgenommen wird", sagte Ducati-Technikkoordinator Marco Zambenedetti im Mai 2024. Gemeint war der damals eigentlich noch geheime Umstieg von der Einarmschwinge auf eine Zweiarmschwinge beim Superbike Panigale V4. Seit 25. Juli 2024 ist gewiss: Mit der neuen Panigale V4 wendet Ducati sich weiter und in diesem Fall erneut von einer technischen Besonderheit ab. Und wie schon zuvor: Das kann nur Vorteile haben.

Video: Ducati Panigale V4 (2025)

So fährt die neue Ducati Panigale V4 S

Und tatsächlich: Die größte Veränderung zeichnet das Handling der Ducati, das in vielerlei Hinsicht zugänglicher und damit besser wurde. Zunächst erleichtert es die neu gestaltete Ergonomie es, sich auf dem Motorrad zu bewegen und in den fordernden Brems- und Beschleunigungsphasen an Tank und Sitzhöcker guten Halt zu finden. Dazu ist hinter der Scheibe spürbar mehr Windschutz. Die Panigale V4 S kommt dem Fahrer entgegen, gibt außerdem ein glasklares Feedback und schafft schnell reichlich Vertrauen. Die in der lateralen Steifigkeit reduzierte und nun zweiarmige Schwinge, der ebenfalls modifizierte Hauptrahmen und das semiaktiv arbeitende Öhlins-Fahrwerk der neuesten Generation formen eine harmonische Einheit und verhelfen der neuen Pani zu tollem Feeling in tiefsten Schräglagen und beeindruckender Stabilität. Das altbekannte "Rühren" der Duc beim harten Beschleunigen in Schräglage gehört der Vergangenheit an.

Neue Bremse, neues Fahrgefühl

Auf der Bremse legte die Ducati doppelt zu. Neben maximal performanten Brembo-Stoppern mit Hypure-Sätteln und fetten 330er-Scheiben trägt sie nun das von Ducati und Bosch entwickelte Race eCBS. Dieses System aktiviert im schärfsten ABS-Modus (sieben statt drei) beim harten Anbremsen die Hinterradbremse und das wirkt sich spürbar stabilisierend in der ersten Bremsphase aus. Zudem hält das eCBS den Bremsdruck am Hinterrad (natürlich ABS-überwacht) bis in tiefe Schräglage aufrecht und ermöglicht so ein besseres "Turning". Bedeutet in der Praxis, dass engere Linien mit weniger Einsatz möglich werden und die Hinterradbremse automatisch so genutzt wird, wie von einem Profi-Rennfahrer. Beim Wechsel auf das normale Race-ABS ist der Unterschied durch etwas weniger Drang der Pani nach innen spürbar.

Video: Interview: Ducati Panigale V4 2025

Sensorenflut mit mehr Informationen

Elektronisch verbaut Ducati nun das aus der MotoGP abgeleitete DVS (Ducati Vehicle Oberserve), das über 70 Sensoren ohne neue Hardware simulieren soll. Welche Sensoren das sind, verraten die Italiener nicht, aber verneinen auch nicht, dass zum Beispiel anhand von Schlupf, IMU-Daten, Bremsdruck und Gasgriffstellung das Gripniveau des Asphalts bestimmt wird. Bei der Fahrpräsentation fallen keine spezifischen Neuerungen auf, jedoch arbeitet die Elektronik insgesamt piekfein und mit höchster Präzision. Auch erfahrene Racer spüren Regeleingriffe mitunter kaum und in den scharfen Settings bewegen sich die Helferlein am Limit des physikalisch Möglichen – Wow!

Erstes Fazit zur neuen Panigale V4 S

Insgesamt treffen die Updates der Panigale V4 S fahrdynamisch voll ins Schwarze. Mehr Stabilität und besseres Turning scheinen auf den ersten Blick gegensätzliche Entwicklungsziele, doch nicht zuletzt dank des Umstiegs auf die Zweiarmschwinge sind sie im 2025er-Modell vereint. Die neue Pani ist pfeilschnell, kommt Hobbyracern nun viel mehr entgegen und hat das Zeug dazu, die im diesjährigen Superbike-Vergleich siegreiche BMW M 1000 RR selbstbewusst herauszufordern. In der Superbike-WM wird dieses Duell aber erst 2026 ausgetragen, denn die Panigale V4 R soll erst im kommenden Jahr präsentiert werden.

Ducati Panigale V4 neu mit Zweiarmschwinge

In der World Superbike beginnt die Geschichte der neuen Ducati Panigale V4 mit Zweiarmschwinge. Die jüngeren Erfolge in der WSBK mit 2 Weltmeisterschaften in Folge sollen fortgeführt werden, und da stört die Einarmschwinge. Neben ihren Nachteilen beim Gewicht und dessen Verteilung sowie dem komplizierteren Abstimmen des Fahrwerks ist das Uralt-Argument des schnelleren Radwechsels noch aus alten Langstreckenzeiten seit Jahren in keiner Ecke des Fahrerlagers mehr haltbar.

Die neue, zweiarmige Schwinge der Panigale V4 ist aus Aluminium gefertigt, wiegt mit Antrieb und Federung angeblich 3,8 Kilogramm weniger als das einarmige Pendant und baut 16 Millimeter länger. Interessant: Die neue Schwinge – "Ducati Hollow Symmetrical Swingarm" getauft – lagert wohl in den gleichen Drehpunkten im Motorgehäuse wie zuletzt die Einarmschwinge. Und daraus folgt ein unkonventioneller Aufbau.

Unkonventionelle Lösung von Ducati

Während der in Fahrtrichtung linke Schwingenarm der neuen Ducati Panigale V4 bekannt gezeichnet und eingebaut wirkt, musste Ducati den rechten unkonventionell ausrichten. Grund: Die Krümmer der beiden hinteren Zylinder und der unter dem Antrieb liegende Schalldämpfer sind optisch bis auf wenige Änderungen nach bisheriger Bauart mit Einarmschwinge geblieben. Sprich der rechte Arm der neuen Schwinge nimmt einen weiten Schwung vom Schwingenlager nach innen, um die Krümmer herum, um dann kurz nach den Auspuffteilen schnurgerade zur Hinterradachse zu laufen.

Lohn der Mühen: Neben dem Sparen des Gewichts von 3,27 Kilo konnte Ducati die Steifigkeit der Schwinge um 37 Prozent senken. Im Allgemeinen soll die neue Hinterradaufhängung der Panigale V4 die Kraft des V4 besser auf die Straße – und vor allem auf die Rennstrecke bringen.

Video: Im Video: Ducati Panigale V2 Superquadro Final Edition

Ducati 999 schon ab 2003 mit Zweiarmschwinge

Jahrzehnte hielt Ducati besonders bei den Superbikes an einst sinnvollen technischen Lösungen fest, obwohl die fast ebenso lange überholt waren oder sind. Darunter fallen Schrulligkeiten wie ein Zahnriemenantrieb der Nockenwellen, die Desmodromik, der V2 und die Einarmschwinge. Jedem Ändern eines dieser Merkmale folgte lauter Aufschrei der Ducatisti. Allerdings setzten sich in den vergangenen Jahren am Ende doch die Realisten in den Werkshallen und vor der Ladentheke durch, denn die Vorteile einer Steuerkette, eines V4, je nach Modell eines konventionellen Ventiltriebs und der Zweiarmschwinge überwiegen.

Allerdings: Bei der 999 vollzog Ducati den letztgenannten Schritt bereits 2003, zog 2008 schon wieder zurück und stellte dann im Grunde eine neue 916 als 1098 vor. Noch ein allerdings: Sportlich war die 999 eines der erfolgreichsten Ducati-Modelle des neuen Jahrtausends: 2003, 2004 und 2006 wurde Ducati Weltmeister der Konstrukteure, und die 999 trug 3 verschiedene Fahrer – Hodgson, Toseland und Bayliss – in diesen Jahren zur Superbike-Weltmeisterschaft.

V4-Motor mit 216 PS – bis zu 228 PS möglich

Apropos V4 in der neuen Ducati Panigale V4: Der Desmosedici Stradale getaufte Motor trägt nicht nur 2 zusätzliche Lambdasonden – in Summe 6 – und damit das Siegel Euro5+, sondern leistet mit 216 PS ein halbes PS mehr. Er muss dafür allerdings 500 Umdrehungen höher auf 13.500 Touren kommen. Deutlich veränderte Ducati alle Werte rund um das Drehmoment aus 1.103 Kubik. Es sinkt in der Spitze um 2,7 Nm, dafür steigt die dafür zu erreichende Drehzahl um 1.750 Touren auf 11.250 Umdrehungen pro Minute. Mit Racing-Abgasanlage von Akrapovic (Original-Zubehör ohne Straßenzulassung) steigt die Spitzenleistung angeblich auf bis zu 228 PS.

Für die Nerds: Ducati erhöht die Ventilhübe um 0,75 Millimeter für den Einlass und 0,45 Millimeter für den Auslass sowie die Länge der Ansaugtrichter. Passend zur gestiegenen Drehzahl sind die kurzen Trichter um 10 Millimeter auf 25 Millimeter gekürzt, während die Trichter für den unteren Drehzahlbereich um 5 auf 80 Millimeter wachsen.

Video: Im Video: Ducati Panigale V4 S

Weniger Sprit-Verbrauch und edle Teile

Für supersportliche Fahrer sekundär und trotzdem interessant: Der Spritverbrauch der neuen Ducati Panigale V4 sinkt angeblich von 7,6 Liter auf 6,5 Liter pro 100 Kilometer. Wobei das nicht allein am gesunkenen Gewicht des Motors von einem Kilogramm liegen kann. Und wer sich die Superleggera oder V4 R nicht leisten kann oder darf: Im 2025er-V4 sind die Ölpumpe und der Lichtmaschinenstator der V4 R und die Schaltwalze der Superleggera verbaut.

Neues Fahrwerk für die Panigale V4

Mit der neuen Zweiarmschwinge in der neuen Ducati Panigale V4 ändert Ducati das übrige Fahrwerk gleich mit. Bei den vorgestellten Modellen V4 und V4 S wächst der Federweg der Gabel um 5 auf 125 Millimeter, während der Federweg der jeweils neuen Federbeine mit 130 Millimeter bekannt lang bleibt. Ob durch die geänderte Hinterradaufhängung oder einen neuen Frontrahmen, ist nicht bekannt, allerdings steht der Lenkkopfwinkel mit 66 Grad ein halbes Grad steiler als bisher. Und das betrifft den Nachlauf direkt: in den beiden neuen Panigale V4 schrumpft er um 2 auf 98 Millimeter. Durch die neue Schwingenlänge wächst der Radstand um 16 auf 1.485 Millimeter.

Bei der neuen Ducati Panigale V4 ist das Fahrwerk mit einer USD-Gabel von Showa und einem Federbein von Sachs wie gehabt vollständig manuell einstellbar. Die V4 S bekommt das semi-aktive Öhlins-S-EC 3.0 an Lenkkopf und Schwinge, bestehend aus der NPX 25/30-Gabel vorn und einem TTX36-Dämpfer hinten.

Neue Brembo-Bremse

Zur EICMA 2023 stellte Brembo die neue Top-Bremse des Hauses vor. Hypure getauft und für Hyperbikes entwickelt, ist die neue Ducati Panigale V4 eines der ersten Serienmotorräder mit diesen neuen Sätteln an der Gabel. Die neuen 4-Kolben-Sättel kombiniert Ducati an V4 und V4 S mit zwei 330er-Bremsscheiben vorn, der 2-Kölber hinten ist mit einer 245er-Scheibe kombiniert. Standard bei Ducati: Das komplette Sicherheitspaket mit allen erdenklichen Assistenten in Form des Bosch MSC ist ab Werk aktiv.

Neue Panigale wird noch leichter

Es steht 187 Kilo zu 189 Kilo für die neue Panigale V4 S beim Trockengewicht. Und ja, hier darf kurz gestutzt werden, denn eigentlich summieren sich alle ersparten Gewichte bei der neuen Panigale V4 auf 6,18 Kilogramm: 3,8 Kilo von der neuen Hinterradaufhängung, ein Kilo aus dem Motor, 1,2 Kilo Rahmen und Heck sowie weitere 150 Gramm von der vorderen Felge.

Dass die neue Panigale V4 S dennoch nur 2 Kilogramm weniger wiegt als die bisherige und das V4-Modell ohne S mit 191 Kilo trocken nur ein Kilo leichter wird, liegt laut Ducati am neuen Schalldämpfer. Dessen Konstruktion mit den neuen Lambdasonden an Bord wurde deutlich aufwendiger und damit schwerer.

Noch mehr Elektronik

Bei der neuen Ducati Panigale V4 simuliert Ducati unter dem Oberbegriff DVO – Ducati Vehicle Observe – die Daten von 70(!) Sensoren und versorgt die zentrale IMU (Inertial Measurement Unit) mit Informationen. Dabei ist das Wort zentral sogar wörtlich zu nehmen, denn Ducati versetzt die IMU von der Front hinter den Tank, um das Gerät zentraler im Fahrzeug zu platzieren. Unter den bekannten Funktionen wie ABS, Traktionskontrolle, Wheelie-Control, Launch-Control, Slide-Control und der einstellbaren Motorbremse findet sich ein komplett neues Feature: Ducati nennt es Race eCBS.

Neue Bremskraftverteilung Race eCBS von Ducati

Ducati setzt bei der neuen Panigale V4 zum ersten Mal ein neues Verbundbremssystem ein. Das zusammen mit Bosch entwickelte Race eCBS ist ein elektronisch gesteuertes System zum "Verteilen" der Bremskraft von vorn nach hinten. In 7 Stufen einstellbar, erzeugt das Race eCBS bis zu 15,5 Prozent des maximalen Bremsdrucks an der hinteren Bremse, wenn am Handbremshebel gezogen wird.

Besonders interessant: In Stufe 1 bremst das Motorrad sogar mit der Hinterradbremse in tiefen Schräglagen weiter, um einen engeren Radius zu ermöglichen, und das selbst ohne Betätigen der der Hand- oder Fußbremse. So gesehen ist das Race eCBS ein weiterentwickeltes Kurven-ABS, das ohne Eingriff des Fahrers Bremsdruck erzeugen darf.

Verwirrend: Level 1 bremst in der Kurve mit, Level 2 und 4 schalten das kombinierte System ganz aus. Level 3 bremst wie Level 1, nur nicht allein in der Kurve. Level 5 hilft, Bremsdrifts einzuleiten und zu kontrollieren. Die Level 6 und 7 sind für den öffentlichen Straßenverkehr sowie nasse Fahrbahn vorgesehen.

Video: Im Video: Ducati Panigale V2 Superquadro Final Edition

Unterschiede – Panigale V4 und V4 S

Technisch unterscheiden sich die neuen Zweiarmschwingen-Versionen der Ducati Panigale V4 und V4 S nicht. Leistung und Elektronik sind deckungsgleich. Die offensichtlichsten Unterschiede betreffen die Fahrwerke. Das konventionelle Showa/Sachs-Duo an der V4 wird übertrumpft vom semi-aktiven Öhlins-Fahrwerk an der V4 S. Ebenso von Öhlins: Der Lenkungsdämpfer der V4 S, der einen von Sachs ersetzt. Zudem sparen an der V4 S die Schmiederäder und die Lithium-Ionen-Batterie Gewicht.

Das kostet die neue Ducati Panigale V4 und V4 S

Apropos sparen: Mit den stark überarbeiteten Modellen Ducati Panigale V4 und V4 S ist Sparen eigentlich kein Thema. Ducati wies zur Präsentation deutlich gestiegene Preise aus, wobei die 27.790 Euro "nur" 1.600 Euro über dem bisherigen Startpreis für die V4 liegen und die 34.790 Euro für die V4 S einen Aufschlag von 2.000 Euro bedeuten. Geplanter Auslieferungsbeginn für die neuen 2025er-Modelle ist September 2024.

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Fazit

Ducati frischt den Supersportler Panigale V4 auf und bricht mit einer Tradition, denn: Die Einarmschwinge fällt raus. Das Hinterrad steckt in einer neuen Zweiarmschwinge. Die spart angeblich 3,8 Kilogramm Gewicht, Änderungen an Motor, Rahmen und Fahrwerk weitere 2,3 Kilo. Trotzdem wiegt die neue V4 nur ein Kilo und als V4 S 2 Kilo weniger als zuvor. Der Grund: Euro5+ erfordert mehr Lambdasonden zur Kontrolle der Kats. Und das führte zu einem neuen, komplizierten Schalldämpfer, der Teile der Gewichtsersparnis zunichtemacht. Die Preise steigen auf 27.790 für die V4 und 34.790 Euro für die V4 S. Auf der Rennstrecke erfüllt das neue Chassis seine Aufgaben: Die neue Ducati Panigale V4 S fährt deutlich besser, handlicher und vor allem schneller.  © Motorrad-Online

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