Ausgerechnet das wichtigste BMW-Modell, der Topseller R 1300 GS, ist wiederholt mit "Kinderkrankheiten", Qualitätsmängeln und auch mit amtlichen Rückrufen in den Schlagzeilen. MOTORRAD zieht eine – vorläufige – Zwischenbilanz.

Mehr zum Thema Mobilität

Die BMW R 1300 GS scheint verflucht, vom Pech verfolgt – oder nicht sauber fertig entwickelt worden zu sein. Kostendruck und Gewinnmaximierung könnten ebenfalls ihre Rollen in diesem Drama gespielt haben. Mit dem brandgefährlichen Starter-Relais fing es an, mit Pleuel-Schrauben und Sicherungsgurten für die Koffer ging es weiter, dann folgten die offenbar nicht wasserdichten Lenkerschalter. Aktuell sind die Bremsen der R 1300 GS gestört oder undicht. Hier die – bisherige – Chronologie der peinlichen Pannenserie:

1.) Probleme mit dem Starter-Relais

Ab November 2023, also kurz nach Auslieferungsbeginn der neuen BMW R 1300 GS in den Handel, kam es zu einzelnen, brandgefährlichen Vorfällen, ausgelöst von defekten oder beschädigten Starter-Relais und dort eindringender Feuchtigkeit: plötzliches Drehen des Anlassers, Rauchentwicklung, Brand. Einzige wirksame Gegenmaßnahme war schnellstmögliches Abklemmen der Batterie.

Amtlicher Rückruf wegen Brandgefahr

Nach Werksangaben schien das Problem in der Serienproduktion ab 16. Januar 2024 behoben. Kunden mit bereits ausgelieferten Fahrzeugen bat BMW in die Werkstätten – schnellstmöglich. Laut BMW betraf die ab 22. Januar 2024 laufende "Service-Aktion" insgesamt 14.698 R 1300 GS weltweit, davon 2.657 in Deutschland. Am 29. Februar 2024 veröffentlichte das Kraftfahrt-Bundesamt diesen Rückruf als amtlich überwacht.

Umrüstung von MOSFET auf "Classic"

Ende Juli 2024 folgte dann die überraschende Fortsetzung des Relais-Dramas: BMW Motorrad kündigte die Umrüstung aller BMW R 1300 GS vom modernen Halbleiter-Starter-Relais (MOSFET) auf ein "klassisches" elektromechanisches Starter-Relais an. Offenbar kam es zwischenzeitlich zu weiteren brandgefährlichen Störfällen mit der nachgebesserten ersten Version des Relais. Ab Mitte August 2024 ließ BMW die bis zu diesem Zeitpunkt ausgelieferten über 40.000 R 1300 GS in den Werkstätten weltweit umrüsten, mitsamt neuer Software. Dauer: jeweils circa eine Dreiviertelstunde. Nach der Umstellung auf das "Classic"-Relais scheinen diese Probleme behoben zu sein, weitere brandgefährliche Vorfälle sind nicht bekannt.

2.) Probleme mit den Pleuel-Schrauben

Im Februar 2024 wurde bekannt, dass weltweit insgesamt 52 BMW R 1300 GS einen neuen Motor eingebaut bekommen sollten. Laut Werk handelte es sich hierbei um eine Vorsichtsmaßnahme, durchgeführt als "Service-Aktion". Grund dafür sei die nicht zweifelsfreie Dokumentation der Fertigung im Werk Berlin-Spandau gewesen. Konkret ging es dabei um die Verschraubung der Pleuel an Pleuellager und Kurbelwelle.

52 Boxer-Motoren komplett getauscht

Komplette Motoren zu tauschen sei einfacher und als Sofortmaßnahme schneller abzuwickeln, als die schwer zugänglichen Pleuel-Verschraubungen einzeln zu überprüfen, so die Begründung. Nach dieser "Service-Aktion" für die betreffenden 52 BMW R 1300 GS waren die Pleuel-Schrauben kein Thema mehr.

3.) Probleme mit Vario-Koffern und Vario-Topcase

Die Vario-Koffer und das Vario-Topcase sind die originalen Gepäcksysteme für die BMW R 1300 GS, produziert von Zulieferer Touratech. Von Anfang an gab es Beschwerden und Reklamationen über Qualität, Passgenauigkeit und Schließfunktionen. Im März und im April 2024 wurden diesbezüglich Rückruf-Aktionen veröffentlicht, von der NHTSA in den USA und vom KBA in Deutschland. Für bereits ausgelieferte Koffer und Topcases sollte es Reparatur-Kits geben, entsprechend verbesserte Ausführungen sollten ab Anfang Mai 2024 im Handel verfügbar sein.

Sicherung der Koffer mit Spanngurten empfohlen

Doch ab Juli 2024 waren die Vario-Koffer für die BMW R 1300 GS erneut wegen Sicherheitsbedenken (während der Fahrt öffnende Deckel oder gar abfallende Koffer) im Gespräch – und wieder nicht mehr lieferbar. Kunden, die bereits welche hatten, sollten die Koffer zurückgeben – nicht mehr zur Nachrüstung, sondern zur Entsorgung – und sich zumindest den Kaufpreis erstatten lassen. Bis dahin empfahl BMW dringend die Absicherung der Kofferdeckel mit Spanngurten und dazu Aufkleber mit Warnhinweisen. Die nächste, nachgebesserte Ausführung der Vario-Koffer sowie des Vario-Topcase ist erst seit Anfang 2025 endlich verfügbar. Erneute Probleme damit sind bislang nicht bekannt.

4.) Probleme mit den Lenkerschaltern

Bei BMW R 1300 GS und R 1300 GS Adventure (sowie R 12 und R 12 nineT) waren die rechten Lenkerschalter nicht wasserdicht, eindringende Feuchtigkeit konnte zum Ausfall der Elektrik bis hin zum Absterben des Motors führen. Da das sicherheitsrelevant sein kann, läuft seit November 2024 eine Rückruf-Aktion bei BMW.

Das Kraftfahrt-Bundesamt hat diese Rückruf-Aktion veröffentlicht und überwacht sie. BMW informierte betroffene Kunden, Besitzer oder Halter ab November 2024 schriftlich per Post. Sie wurden oder werden in die Werkstätten gebeten, um die Lenkerschalter gegen "verbesserte Bauteile" tauschen zu lassen.

5.) Probleme mit der Handbremsarmatur

Die erste "Service-Aktion" im Jahr 2025 für ein technisches Problem der BMW R 1300 GS wurde gleich Mitte Januar bekannt: Zu geringes Schnüffelspiel in der Handbremsarmatur kann – in Verbindung mit der Sonderausstattung Riding Assistant samt Frontkollisionswarnung (FCW) – zu irritierenden Fehlfunktionen führen. Nämlich dann, wenn die R 1300 GS automatisch weiterbremst, grundlos bis zum Stillstand. Insgesamt circa 34.000 BMW R 1300 GS und R 1300 GS Adventure weltweit sind hiervon betroffen, alle bis Produktionsdatum August 2024.

Überprüfung des Schnüffelspiels in der Werkstatt

Im Rahmen der "Service-Aktion" wird beim nächsten Werkstatt-Termin das Schnüffelspiel überprüft, gegebenenfalls wird die Handbremsarmatur komplett getauscht. Laut BMW ist dieses "Thema" nicht sicherheitsrelevant – doch das kann man durchaus anders einschätzen. Bisher sei in diesem Zusammenhang kein Unfall bekannt, lediglich ein einziger, glimpflich abgelaufener Vorfall. Ein amtlicher Rückruf läuft aus diesem Grund bisher nicht.

6.) Probleme mit undichten Bremszangen

Das neueste "Qualitäts-Thema" betreffend die BMW R 1300 GS sind seit Frühjahr 2025 deren potenziell undichte Bremszangen. Konkret geht es dieses Mal um austretende Bremsflüssigkeit bei der "Sportbremse", die als Sonderausstattung bei fast allen bisher ausgelieferten R 1300 GS montiert ist (98 Prozent in Deutschland, 97 Prozent weltweit). Diese vorderen Bremszangen liefert Brembo zu. Ursache ist wohl Niederdruck-Undichtigkeit bei langer, mehrmonatiger Standzeit – genau wie bereits beim Vorgängermodell R 1250 GS, damals noch mit Bremszangen von Hayes.

Weltweit 97% der R 1300 GS mit Sportbremse ausgestattet

Bei der BMW R 1300 GS treten gegebenenfalls nur geringe Mengen Bremsflüssigkeit aus, akute Gefahr besteht nicht, ein Rückruf steht deshalb aktuell nicht im Raum. In den USA könnte es dennoch erneut zu einem Rückruf kommen, wegen der dortigen strengeren (Umwelt-)Anforderungen. Und der Beschichtung der Felge tun einzelne Tröpfchen ätzender Bremsflüssigkeit auch nicht gut. In Deutschland informiert BMW die Werkstätten, entsprechende Reklamationen kulant im Rahmen der Gewährleistung abzuwickeln. Bis Mitte März 2025 waren bei BMW in Deutschland angeblich 12 "Einzelfälle" bekannt, außerhalb Deutschlands – noch – keiner. Für weitere Fälle ist Reparatur statt Teiletausch geplant.

Exklusive Inhalte mit MRD+
Noch mehr MOTORRAD gibt es bei MRD+. Exklusive Tests, Fahrberichte und Vergleichstests.

Fazit

Mit den ersten Auslieferungen der BMW R 1300 GS ab November 2023 begann eine bis dahin unvorstellbare Pannenserie mit diversen Qualitätsmängeln, Problemen, Defekten und amtlichen Rückrufen. Davon betroffen gewesen sind die Bremsen, die Lenkerschalter, das Starter-Relais, die Pleuel-Schrauben sowie die Vario-Koffer und das Vario-Topcase. Die meisten dieser bisherigen "Kinderkrankheiten" und "Baustellen" sind inzwischen abgehakt, manche laufen jedoch noch. Und dass noch mehr Mängel, Reklamationen und Rückrufe hinzukommen, scheint immer noch nicht ausgeschlossen.  © Motorrad-Online