Sie suchen immer noch nach einem Argument für einen Diesel-Kombi? Wir liefern Ihnen mehr als eintausend: Beim Entern des vollgetankten Audi A4 Avant 40 TDI Quattro und Volvo V60 CC B4 D AWD orakeln deren Bordcomputer vierstellige Reichweitenwerte. Okay, zuvor waren beide Edelkombis auf der ams-Eco-Runde unterwegs, auf der sich der TDI mit glatten fünf Litern und der B4 D mit 5,5 l/100 km begnügte.
Sparsam können also beide. Allerdings müssen die meisten von uns lange sparen, um sich einen der Edelkombis leisten zu können. Volvo verlangt für den nahezu voll ausgestatteten Ultimate mit bewertungsrelevanter 19-Zoll-Bereifung 69.280 Euro. Dagegen mutet der Advanced trotz Komfortfahrwerk und Sportsitzen mit einem Testwagenpreis von 55.260 Euro fast wie ein Schnäppchen an. Nun, die ganze Wahrheit versteckt sich in der Preisliste: Wer den A4 Avant vergleichbar ausstaffiert, der zahlt ähnlich viel. Aber das war bei den Premium-Marken ja schon immer so.
Und damit steigen wir jetzt richtig ein in den Vergleichstest – und als Erstes in den A4. Dessen letzte große Runderneuerung ist schon fast fünf Jahre her. Und das sieht man dem Technokraten im positiven Sinne an: Alles, was Sie hier anfassen, ist penibelst zusammengebaut. Audi war 2015 einer der Ersten, die ihre Cockpits komplett digitalisierten und zeigten, dass man dafür Übersichtlichkeit nicht über den Haufen werfen muss. Leider ist dem A4 beim letzten Lifting der Dreh-Drück-Steller zugunsten eines aufgesetzten Touchscreens abhandengekommen. Die Spracherkennung kann nicht mit der von Google mithalten, erledigt aber Grundfunktionen wie Naviziel-Eingabe sicher.
Audis Assistenz-Portfolio ist zwar weniger umfangreich, dafür agieren Spur- und Abstandhalter harmonischer als im Volvo. Tendierte der Pilot Assist des Schweden anfangs noch zum Übermut, funktioniert das System heute ebenfalls verlässlich, regelt Abstände zu anderen Verkehrsteilnehmern großzügiger. Apropos: Die Nacht zum Tage machten Volvo-LEDs schon immer. Blöd nur, dass sie dabei meist den Gegenverkehr mit erhellten. Heute blendet die Fernlicht-Automatik Entgegenkommende jedoch genauso zuverlässig aus wie die Matrix-LEDs des Audi.
TDI mit Anfahrschwäche
Ja, auch das Hören vergeht einem nicht mehr. Dank feiner Geräuschdämmung nimmt man kaum wahr, dass da vorn hinter den vier Ringen ein Selbstzünder werkelt. Der Diesel mit seinen 204 PS wurde dank AdBlue und mildhybrider Unterstützung zudem mit den Jahren immer sauberer. Allerdings kam dem TDI dabei auch etwas jugendliche Spontanität abhanden: So zaudert er vor allem beim Anfahren — ein Umstand, der im Alltag an Ampeln nervt. Im Test spurtet der A4 mit 7,1 Sekunden dennoch messbar flotter auf 100 km/h als der V60 (8,3 Sekunden). Beim Zwischenbeschleunigen gilt es stets, ein kleines Turboloch zu stopfen. Das überspielt jedoch meist das zügig, aber nicht immer ruckfrei schaltende DKG.
Bei Schmuddelwetter ist Allradantrieb natürlich ein Segen. Doch der ist kein permanenter, sondern treibt primär die Vorderräder an, sodass ihm wegen der früh anliegenden 400 Newtonmeter Drehmoment auch mal die Haftung abgeht.
Doch das alles egalisiert sich auf Langstrecken, wenn sich der Asphalt wellt oder krümmt. Denn das optionale Komfortfahrwerk (1.030 Euro) samt adaptiver Dämpferregelung schluckt sie alle. Lediglich Querfugen lassen sich nicht immer ausmerzen. Die Audi-Lenkung gefällt derweil immer mehr durch Präzision. Könnte jedoch mitteilsamer sein. Doch da bleibt der Audi A4 seiner Linie treu.
Alter Schwede, was ist neu?
Ja, auch der Volvo V60 ist ein alter Bekannter, in dem Sie sich sofort wohlfühlen. Klar, die Schweden verstehen sich einfach auf stilvolle Einrichtung: Mit Lederpaket und Aluleisten mutet der Cross Country hochwertiger an als der Audi, wirkt im Detail jedoch nicht an allen Stellen so solide. Nachbesserungen sind vor allem dem Zeitgeist geschuldet: So integriert Volvo eine induktive Ladestation in der Mittelkonsole, die es aufgrund ihrer bescheidenen Ausmaße und Ladeleistung jedoch fast unmöglich macht, ein Smartphone kabellos zu laden. Dazu verbindet sich das Android-Infotainment nur mit Apple-Handys.
Ja, das Infotainment war lange einer der größten Kritikpunkte bei SPA-Plattform-Volvos. Google gilt als der Heilsbringer, doch anders als die Elektro-Marke Polestar integriert Volvo die Amerikaner weniger aufwendig: So treibt der automatische Zoom mit immer aktueller Maps-Navigation den ein oder anderen Kollegen in den Wahnsinn. Die Kacheln der Untermenüs sind nur Fingerkuppen-groß, genauso wie die Touchfelder der Lenkradheizung, die auch die Polkappen zum Schmelzen bringt. Doch Sie hören mir ja gar nicht zu, sondern lauschen den Klängen der Bowers-&-Wilkins-Anlage, die den Schweden-Kombi nicht nur zum Konzertsaal, sondern alternativ auch zum Jazzclub erhebt.
Dabei hat der Volvo V60 CC B4 bei der letzten Modellpflege ebenfalls etwas verloren: So konnten Sie einst mit einem Walzendreh seinen Charakter zumindest etwas anschärfen. Heute suchen Sie Fahrmodi jedoch vergeblich, denn im Untermenü versteckt sich lediglich eine Geländeunterstützung.
Video: Volvo V60 Cross Country
Mit erhöhter Drehzahl kommen wir jetzt richtig auf Touren: Dabei klingt der 197 PS starke Turbodiesel angestrengter, wenngleich er sich akustisch nie wirklich aufdrängt. Dafür fährt der Mildhybrid dank 420 Nm Drehmoment merklich spontaner an, wird jedoch im weiteren Vortriebsdrang von seiner betont komfortablen Automatik gebremst. Spätestens bei 180 km/h ist Schluss, während der Audi mit bis zu 236 km/h enteilt.
CC: zu Höherem berufen
Apropos Abstand: Ganze 21 Zentimeter Bodenfreiheit lassen den Cross Country sichtlich höher im Wind stehen. Das ermöglicht kleinere Alltagsabenteuer off the road, treibt aber die Fahrwiderstände und somit den Verbrauch vor allem auf der Autobahn in die Höhe. Im Schnitt gönnt sich der V60 mit 8,0 l/100 km fast einen Liter mehr als der Audi A4 Avant. Einen Teil davon trägt auch das Mehrgewicht von rund 200 kg bei. Und das spüren Sie auch beim Bremsen. Mit kalter Anlage aus 100 km/h steht er mit Eco-Bereifung erst nach 36,4 Metern und somit zwei Meter später als der Audi.
Ja, das Fahrwerk und die Reifen sind ebenfalls Gründe, warum der Schwede fahrdynamisch nicht mithalten kann und beispielsweise Elchen mit 127 km/h zehn Stundenkilometer langsamer ausweicht als der Audi. Kurvige Strecken sieht der Volvo V60 mit seiner betont gefühllosen Lenkung keineswegs als Aufforderung, Fahrspaß zu generieren, sondern lediglich, diese sicher bis zur nächsten Geraden zu umschiffen. Das ESP lässt sich gar nicht erst deaktivieren. Selbstschalten ist nur via Glas-Stummel gewünscht, wodurch sich das Verschlucken der Automatik beim Herunterschalten kaum wirksam kontern lässt und der Fahrer, wie übrigens auch im Audi, beim Kick-down überstimmt wird.
Der größte Nachteil des Cross Country ist jedoch der Federungskomfort. Um die Höherlegung zu kompensieren, stimmten die Ingenieure den CC spürbar straffer ab. Vor allem auf kurze Anregungen reagiert er aufgeregter und kommuniziert nahezu jede Unebenheit. Doch immerhin das Fahrwerkspoltern von einst können Sie beruhigt in der Erinnerungskiste ganz hinten verstauen.
Edelkombi, nicht Lastesel
Okay, beide Kombis stehen nicht im Verdacht, gerne als Lastesel herzuhalten: Je rund 500 Liter reichen einer vierköpfigen Familie für eine Urlaubstour. Jedoch ist die Beinfreiheit in den Fonds überschaubar. Der Beifahrersitz lässt sich zwar auch von der Fahrerseite aus zurechtrücken, allerdings vermissen wir im Fond die Volvo-typisch integrierten Kinderklappsitze. Dafür installieren beide eine dritte Klimazone und beheizen die Sitzflächen. Und wenn hinten keiner Platz nimmt, klappen die Kopfstützen im Volvo für bessere Übersicht auf Touchdruck um.
Im Heck sorgt ein aufstellbarer Taschenhalter für Ordnung und kompensiert das flache Ladebodenfach. Hobby-Spediteure werden bei 1.431 Litern maximalem Kofferraumvolumen (Audi: 1.495 l) ohnehin nicht glücklich. Dafür schätzen sie die niedrigen Ladekanten und ebenen Flächen, wenn die Rücksitzlehnen umklappen. Allerdings vermissen sie im Volvo die Fernentriegelung des Audi, samt großer Durchlademöglichkeit in der Mitte, sowie das elektrische Gepäckrollo.
Ja, da kann der Volvo V60 einpacken – das ist nicht ganz neu. Und trotzdem gibt es mehr als tausend gute Gründe, ihn zu kaufen. © auto motor und sport
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