München (sal) - Was viele Menschen nur aus Peter Zwegats Doku-Soap "Raus aus den Schulden" kennen, ist für manche bittere Realität: Rund 6,5 Millionen Bundesbürger haben Schulden, der Großteil davon ohne eigenes Zutun. Schicksalsschläge wie Arbeitslosigkeit, Trennung, Krankheit oder Tod eines Angehörigen sowie ein dauerhaftes Niedrigeinkommen sind die häufigsten Gründe für eine Verschuldung. Sie kann jeden treffen. In manchen Fällen lässt sich der Schuldenberg jedoch vermeiden. Wir zeigen Ihnen diese Fallstricke und wie Sie sie umgehen können.
Generell, sagt Marc Wichlajew, Schuldner- und Insolvenzberater beim Münchner Sozialreferat, solle man das eigene Konsumverhalten und regelmäßige Verpflichtungen stets im Auge behalten. Es sei wichtig, seine finanzielle Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen. "Welche Versicherungen habe ich, welche Zeitschriften habe ich abonniert, wie hoch sind alle laufenden Kosten? Ist dies alles mit den Einnahmen zu finanzieren, stimmt also die Bilanz? Eventuell sollte man ein Haushaltsbuch führen", so Wichlajew. Der Diplom-Jurist empfiehlt, zu überprüfen, ob die diversen Versicherungen notwendig und bezahlbar sind. Oft sei es sinnvoll, bis auf die unerlässliche Haftpflichtversicherung abzuspecken. Andere Versicherungen seien verzichtbar: „Das ist dann Luxus.“
Klug ist es, Ausgaben zu planen und somit zu wissen, was auf einen zukommt. Nicht wenige Menschen fühlen sich auf finanziellem Gebiet unsicher. Wer Hilfe braucht, kann zum Beispiel an einem Finanztraining oder einer hauswirtschaftlichen Beratung teilnehmen. Angebote gibt es in jeder Stadt. „Den typischen Schuldner gibt es nicht“, sagt Wichlajew. Meist seien es Unerfahrenheit und fehlende Umsichtigkeit, die Menschen in die Verschuldung stürzten: „Das ist manchmal nur ein kleiner Faktor, der die Kette auslöst.“
Selbstständigkeit langfristig planen
Der Sprung in die Selbstständigkeit kann so ein Faktor sein. Oftmals fehle es an der richtigen Vorbereitung, sagt Wichlajew. „Welche Ausgaben habe ich, welche Steuerlasten kommen auf mich zu – manche Einsteiger schätzen da einfach zu optimistisch.“ Besonders kleinere Unternehmen seien gefährdet. „Die Leute haben gute Ideen, sind aber oft geschäftlich unerfahren und wissen etwa nicht, was sie für ihre Produkte oder Dienstleistungen verlangen können.“ Derzeit versuchen viele Arbeitnehmer, die auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, sich selbstständig zu machen. Damit das klappt, empfiehlt Wichlajew dringend eine umfassende Vorbereitung, etwa in Form einer Weiterbildung in Steuerrecht und Buchhaltung. Branchenfremde sollten sich außerdem alle nötigen Informationen über ihren künftigen Geschäftszweig aneignen, zum Beispiel Zollbestimmungen. Generell solle eine Selbstständigkeit langfristig geplant werden, mahnt der Schuldnerberater.
Vorsicht bei Mithaftung und Bürgschaft
Auch Mithaftung und Bürgschaft können Schuldenfallen sein und betreffen, laut Wichlajew, meistens Frauen. Es kommt nicht selten vor, dass eine Hausfrau für die Firma ihres Ehemanns bürgt oder einen Kredit mitunterschreibt. Das Risiko ist besonders hoch, wenn das eigene Vermögen die Verpflichtung nicht tragen kann. „Deshalb sollte man nur dann eine Mithaftung oder Bürgschaft übernehmen, wenn man sich des Risikos bewusst ist“, warnt Wichlajew. „Wenn der Worst Case eintritt, hilft nichts mehr. Dann muss man zahlen.“
Finger weg von Kettenkreditverträgen
Wer einen Kredit aufgenommen hat und anschließend mit Zahlungsschwierigkeiten kämpft, sollte unbedingt die Finger von sogenannten Kettenkreditverträgen lassen. Bei dieser Kreditart nimmt der Kunde einen neuen Kredit auf, um den alten Kredit, oftmals auch den Dispositionskredit (überzogenes Girokonto), abzahlen zu können. Dieser Vorgang geht oft über drei bis fünf Runden. Die Bank verdient dabei gutes Geld, während der Kunde immer mehr Verluste macht, um seine Schulden zu tilgen. Um aus diesem Kreiszulauf auszubrechen, empfiehlt Wichlajew, sich für die Verhandlungen mit der Bank Unterstützung bei einer Schuldnerberatung zu holen.
Sofort Hilfe holen
Allgemein gilt: Information ist das A und O. „Worauf lasse ich mich ein, ist das Angebot seriös? Kenne ich meine Widerrufrechte? Ist mir bewusst, dass ich einen Vertrag auch durch schlüssiges Handeln, zum Beispiel indem ich im Internet auf einen entsprechenden Button klicke, schließen kann? Kaum jemand kann einen Kreditvertrag lesen“, sagt Wichlajew. Vor allem Jugendliche und Senioren handeln oft unvorsichtig. Wer in die Schuldenfalle getappt ist, sollte sich sofort professionelle Hilfe holen. Doch auch hier ist Vorsicht angebracht: Unseriöse Schuldnerberater und Kreditgeber lauern überall und haben es auf das Geld ihrer potentiellen Kunden abgesehen. „Eine seriöse Beratung ist in der Regel kostenlos“, sagt Wichlajew. Der Bedarf in München sei enorm, mitunter dauere es ein halbes Jahr, um einen Termin bei ihm zu bekommen.
Es gibt viele Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen. Neben städtischen Einrichtungen bieten auch Organisationen wie Caritas oder Arbeiterwohlfahrt kostenlose Sprechstunden an. „Die Hemmschwelle der Betroffenen ist oft sehr hoch, sich jemandem anzuvertrauen“, berichtet Wichlajew. Doch wer diese Hürde nimmt, merkt schnell: Es ist ein Schritt, der sich lohnt.
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