Seit dem Verschwinden des ehemaligen Tengelmann-Chefs Karl-Erivan Haub kämpfen die drei Familienstämme um Macht und Geld. Nun erreicht der Erbschaftsstreit einen weiteren Höhepunkt.

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Eigentlich erinnert alles an einen nebulösen Vorabendkrimi: Da gibt es den reichen Unternehmer, der spurlos in den Bergen verschwindet.

Den Bruder, der daraufhin den Milliarden-Konzern übernimmt und darauf drängt, den Verschwundenen für tot erklären zu lassen.

Eine mutmaßliche Witwe, die das verhindern möchte. Und einen weiteren Bruder, der sich nun auf die Seite des neuen Firmenchefs stellt.

Tengelmann: Milliardenschweres Unternehmen

Karl-Erivan Haub, der Unternehmer in dieser Geschichte und Chef der Tengelmann-Gruppe, war vor zwei Jahren zu einer Skitour ins schweizerische Zermatt aufgebrochen und nie von ihr zurückgekehrt.

Haub ist einer der reichsten Menschen Deutschlands, zum Familienkonzern Tengelmann gehören unter anderem die Baumarktkette Obi, der Textildiscounter Kik und der Billigladen Tedi. Im vergangenen Jahr machte die Firma einen Umsatz von rund 8,1 Milliarden Euro und beschäftigt über 90.000 Mitarbeiter.

Kurz vor seinem Verschwinden war Vater und ehemaliges Konzernoberhaupt, Erivan Haub verstorben, seitdem hielten Karl-Erivan Haub und sein jüngster Bruder Christian nach Angaben der "Neuen Zürcher Zeitung" jeweils 34,3 Prozent an dem Unternehmen, der dritte Bruder Georg 31,3 Prozent.

Verschwinden von Karl-Erivan lähmt die Geschäfte

Seit dem Verschwinden von Karl-Erivan hat nun Christian Haub die Leitung des Unternehmens übernommen. Die mutmaßliche Witwe Katrin Haub verwaltet dabei die Anteile ihres Ehemannes als Abwesenheitspflegerin.

Noch im Juni betonte Christian Haub in einem Interview mit dem "Handelsblatt", dass die ungeklärte Situation das Unternehmen stark belaste. So könne er als Firmenchef beispielsweise keine "Investment-Entscheidung treffen, ohne die Erbschaftsteuerfrage im Hinterkopf zu haben".

Seit dem Verschwinden seines Bruders schwelt in der Familie der Streit darüber, Karl-Erivan für tot erklären zu lassen - denn das könnte das Machtverhältnis innerhalb des Familienunternehmens mit sofortiger Wirkung umwerfen.

Antrag auf Todeserklärung

Der Streit zwischen den drei Familienstämmen erreichte in diesem Monat wohl einen neuen Höhepunkt: Christian und Georg Haub stellten einen gemeinsamen Antrag beim Amtsgericht Köln, um ihren verschwundenen Bruder für tot erklären zu lassen.

Gleichzeitig machten sie der mutmaßlichen Witwe laut dem "Tagesspiegel" ein Angebot: 1,1 Milliarden Euro solle sie für die Anteile ihres verschwundenen Gatten erhalten. Katrin Haub zeigte sich gegenüber der Presse sowohl empört als auch überrascht von diesem Vorgang. Es hieß sogar, sie habe nur zufällig von dem Antrag erfahren.

Von anderer Seite ließ man verlauten, sie habe schon kurz nach dem Verschwinden beteuert, ihren Mann niemals für tot erklären zu lassen - und das habe man auch als Kampfansage gegenüber den anderen Familienstämmen aufgefasst.

Steuerliche Bürden für die Hinterbliebenen

Jedenfalls steigt mit diesem Antrag der Druck auf Katrin Haub und ihre Kinder, möglicherweise ihre Anteile an dem Konzern verkaufen zu müssen. Immerhin kämen gemäß der "Frankfurter Allgemeinen" Erbschaftssteuerzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe auf die Hinterbliebenen zu, wenn Karl-Erivan tatsächlich für tot erklärt werden würde.

Bislang dreht sich der Streit innerhalb der Familie wohl auch vor allem darum, dass es keine Einigung darüber gibt, wie die Steuer unter den Hinterbliebenen möglichst gerecht aufgeteilt werden könnte, ohne dass auch das Unternehmen Schaden nehmen würde.

Laut Medienberichten erwartet der Stamm um Katrin Haub, dass die Steuer von dem Unternehmen übernommen wird. Würde dem neuen Antrag der Brüder stattgegeben, träte allerdings der Erbfall ein - Frau und Kinder müssten dann im Regelfall die Erbschaftssteuer zahlen.

Dass der Grund für Katrin Haubs Haltung im Familienstreit aber allein auf mögliche Steuerzahlungen zurückzuführen ist, bestreitet sie in der Öffentlichkeit. Gegenüber mehreren Medien ließ sie ausrichten, dass es sich dabei vor allem um eine sehr persönliche Frage handle - die eigentlich in der Hand der hinterbliebenen Familie liegen sollte.

Probleme bei der Festlegung der Antragsfrist

Aufgrund dieser hohen persönlichen Bedeutung für die Hinterbliebenen lässt das Recht ihnen in der Regel zehn Jahre Zeit, um einen Angehörigen für tot erklären zu lassen. Hier greift das Verschollenheitsgesetz, wie Paul Groetsch, Fachanwalt für Erbrecht einer Münchner Kanzlei, erklärt. Allerdings lässt sich diese Frist in bestimmten Ausnahmefällen verkürzen, beispielsweise bei Kriegseinsätzen oder auch Schifffahrten.

Im Laufe der Rechtsprechung habe sich allerdings auch der Ausnahmefall gefährlicher Bergtouren herausgebildet, der die Antragsfrist mitunter auf ein Jahr verkürzen könne, so Grötsch. "Vermutlich wird sich der Antragsteller in diesem Fall auch darauf berufen", schätzt der Rechtsanwalt. Die Entscheidung des Gerichts dürfte dann aber auch an der Beurteilung hängen, wie gefährlich die Tour war, zu der Karl-Erivan Haupt vor mehr als zwei Jahren aufgebrochen ist.

Ob sich das mehr als 150 Jahre alte Familienunternehmen tatsächlich nie mit der Möglichkeit einer solchen Situation auseinandergesetzt hätte, fragte man im "Handelsblatt"-Interview den neuen Firmenchef. Nun ja, man hätte sich zumindest besser auf einen solchen Fall vorbereiten können, gab dieser zu.

Verwendete Quellen:

  • Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Milliardenstreit um Tengelmann"
  • Der Tagesspiegel: "1,1 Milliarden Euro zum Abschied"
  • Handelsblatt: Tengelmann-Chef: "Die ungeklärte Situation belastet das Unternehmen"
  • Neue Zürcher Zeitung: "Der Machtkampf um Obi, Kik und Co.: Die Besitzerfamilie streitet um das Erbe des verschollenen Unternehmers Karl-Erivan Haub"

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