Dem Oktoberfest zum Trotz: Wir Deutschen trinken weniger Bier. Der Bierpreis ist in den letzten Jahren tief gefallen. Die Brauereien haben hierzulande mit drastischen Absatzrückgängen zu kämpfen. Wie dramatisch steht es also um den deutschen Biermarkt?

Mehr News zum Thema Wirtschaft

Ob zum Feierabend am Kiosk, in der Kneipe oder in den heimischen vier Wänden. Was den Franzosen der Wein, ist den Deutschen ihr Bier. Daran gab es lange keinen Zweifel. Schließlich erfand die Nation das Reinheitsgebot, wonach Bier nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser enthalten soll. Und doch bleibt der goldene Gerstensaft immer öfter an der Ladentheke. Haben die Deutschen ihre Liebe zum Bier verloren?

Der Durst scheint gestillt. Waren es 1990 noch 142 Liter Bier, mit dem der Deutsche im Schnitt seinen Durst löschte, so trinkt er nach Angaben des Deutschen Brauer-Bundes aktuell nur noch 107 Liter.

Auch Biermix-Getränke sind betroffen

Der Umsatz an Bier und alkoholhaltigen Biermix-Getränken deutscher Brauereien ist seit Anfang des Jahres um 1,7 Prozent auf rund 3,5 Milliarden Euro gesunken – allein im Vergleich zum Vorjahr gingen 2,4 Prozent weniger Gerstenkaltgetränke über die Ladentheken, so die aktuellen Zahlen einer Studie des Marktforschungsinstitutes Nielsen.

Allein beim diesjährigen Münchner Oktoberfest tranken die Gäste nach Angaben der Festwirte rund 400.000 Mass Bier weniger als im Vorjahr. Aus Sicht der Brauer-Branche spielt auch die fortschreitende Alterung der Gesellschaft eine Rolle. Das bedeutet: Rentner trinken tendenziell weniger Bier als junge Erwachsene. Faktoren wie kühles Wetter, Regen, speziell im Sommer, können ebenfalls ausschlaggebend sein, sind nach dem diesjährigen Rekordsommer aber wohl frei von Schuld am Absatzeinbruch.

Der Versuch etablierter Brauereien, junge Leute über Biermix-Getränke zu locken, ist nach Ergebnissen der Nielsen-Studie weitestgehend fehlgeschlagen. In diesem Jahr brach der Absatz um zwölf Prozent ein. Dagegen probieren immer mehr Deutsche alkoholfreies Bier – besonders beliebt, die Variante der Brauerei Erdinger.

Fernsehbiere leiden besonders

Von der Durststrecke sind besonders größere Brauereien betroffen. Die deutsche Großbrauerei Oettinger verzeichnete zuletzt 2014 Absatzeinbußen von 2,8 Prozent. Bitburger aus der Eifel verkaufte ebenfalls zwei Prozent weniger. Und beim Bierbrauer Warsteiner aus dem Sauerland brach der Absatz sogar um 8,4 Prozent ein.

"Bei den mittelständischen Brauereien ist der Rückgang nicht so stark zu spüren wie bei den typischen Fernsehbieren. Der Trend zu regionalen Produkten hält an", so die Einschätzung des Verbundes "Die Freien Brauer", der aus 41 mittelständische Familienbrauereien aus Deutschland, Österreich, Luxemburg und den Niederlanden besteht. Grund dafür: Die regionalen Biere hätten dank Vielfalt und Qualität eine treue Kundschaft.

Dennoch: Sich untätig zurücklehnen, das leistet sich keiner der Regionalanbieter. Das geht aus einer internen Umfrage des Verbandes im vergangenen Jahr hervor. Der Preiskampf um die Gunst der Kunden durch Handel und Großhersteller hält schließlich an. Als Reaktion auf den sinkenden Bierabsatz und um im Preiswettbewerb mithalten zu können, setzen größere Brauereien oftmals auf Fusion – also den Kauf eines Mitbewerbers, um den Vertrieb zu erweitern. So gehören Labels wie Becks, Franziskaner, Diebels und Spaten längst dem weltweit größten internationalen Braukonzern Anheuser-Busch. Und hinter den Marken Kölsch, Jever und Clausthaler verbirgt sich der deutsche Branchenführer, die Radeberger Gruppe.

Zwar wetteifern knapp 1.400 Brauereien hierzulande mit etwa 5.000 Biersorten um den Durst der Kunden. Lediglich elf Brauereien decken die Hälfte des deutschen Pils-Verkaufs – die mit Abstand beliebteste Sorte in Deutschland. So das Ergebnis einer Studie der "Verbrauchs- und Medienanalyse Arbeitsgemeinschaft" zum Bierkonsum der Deutschen.

Bedrohung durch Billig-Bier

Ein weiterer Faktor, der den Überlebenskampf der Bier-Industrie befeuert: Billig-Bier im Supermarkt. Der Anteil der Discounter am Biermarkt hat sich seit 1994 verdoppelt. Laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung werden drei von vier Bierkästen über Aktionen verkauft: für weniger als acht Euro als "einmalige Gelegenheit" oder "Dauer-Super-Niedrigpreis". Gleichzeitig sind die Rohstoffpreise in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Bei Malz um fast 30 Prozent. Das Getreide wird meist aus regionaler Braugerste gewonnen, deren Preis sich am Weizen orientiert, der wiederum weltweit an den Börsen gehandelt wird und somit Schwankungen unterliegt.

Um ihre Anlagen auszulasten, füllen viele große Brauereien ihr Bier unter anderem Namen ab. Meist ohne Angaben über die Herkunft: "Ein heimliches, verschämtes und knallhartes Geschäft", wie das "SZ-Magazin" vergangenes Jahr in einem ausführlichen Bericht feststellte. Ein Ergebnis der Recherche: Oftmals lassen Discounter wie Aldi, Lidl oder Netto ihre Biere in mehreren Brauereien abfüllen, das spart Transportkosten und macht die Brauer austauschbar.

Regionalität statt Ramsch

Die Gefahr für die Brauereien: Der Kunde gewöhnt sich an die günstigen Preise und ist kaum bereit, mehr zu zahlen. Eine mittelständische private Brauerei muss nach Angaben der Wirtschaftswoche für eine Kiste mit 20 Flaschen inzwischen mindestens elf Euro verlangen, um rentabel zu bleiben. "Der Preisdruck ist hoch und besonders durch die Aktionsangebote in den Getränkemärkten verschärft", so der Verband "Die Freien Brauer".

Ein Lichtblick für die Bierindustrie, besonders für mittelständische Brauereien, ist der Boom von regionalen Produkten. In den letzten fünf bis zehn Jahren sind immer mehr Kleinstbrauereien entstanden, die den Wunsch der Konsumenten nach einem Bier mit lokaler Identität bedienen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.