Die heile Welt von Freizeitparks funktioniert nur, weil unzählige Servicekräfte Tag und Nacht daran arbeiten. Dies ist ihre Geschichte.
So sieht es aus, wenn ein Tag im Freizeitpark zu Ende geht: Auf der Bühne springt ein Animateur mit goldenem Jackett umher. Im "bayerischen Biergarten" läuft Gaudi-Musik, während nebenan schon eine Mitarbeiterin die Fenster putzt.
Besucherinnen und Besucher schlendern zwischen Pommesbuden und Crêpes-Ständen umher, bepackt mit all den Dingen, für die sie in den zurückliegenden Stunden Geld ausgegeben haben: Kuscheltiere, Regencapes, T-Shirts mit Achterbahn-Motiv (Aufschrift: "Feel the Thrill").
Ein Freizeitpark schläft nie
Fabian Spitz sieht sich das Treiben vom Wegesrand aus an. "Eigentlich haben wir seit einer halben Stunde geschlossen", sagt der Sicherheitsmann. "Aber wir dürfen niemanden rauswerfen."
In Deutschlands größtem Freizeitpark, dem Europa-Park im badischen Rust, sollen die Gäste möglichst dezent nach draußen befördert werden. Erst stellen die Fahrgeschäfte den Betrieb ein, dann schließen die Restaurants. Fabian Spitz und seine Kollegen fahren mit Golfcarts durch die Anlage, um Präsenz zu zeigen.
Wenn andere nach Hause gehen, beginnt für die Nachtschicht die Arbeit. Denn ein Freizeitpark schläft nie, auch dann nicht, wenn alle Attraktionen stillstehen.
Als Erstes schaut Spitz in der Geisterbahn nach dem Rechten. Im Licht der Taschenlampe tauchen bärtige Piraten, Totenköpfe und künstliche Spinnweben auf. "Natürlich war das am Anfang ein komisches Gefühl", sagt Spitz. Seit zehn Jahren arbeitet der 30-Jährige als Wachmann im Europa-Park, inzwischen als stellvertretender Abteilungsleiter im Sicherheitsbereich.
Ein Gespenst ist ihm noch nicht begegnet, dafür eine Eule. "Sie hat direkt an unserem Kontrollpunkt genistet und kam im Stockdunkeln auf mich zu." Damals hat er sich erschrocken, inzwischen lacht er über die Begegnung.
"Das Einzige, was man sich nachts im Geisterschloss holen kann, ist eine Stauballergie."
Leere Cafés, raschelnde Blätter
Ab 21 Uhr herrscht Totenstille. Das 95 Hektar große Areal, in dem sich zu Spitzenzeiten bis zu 35.000 Menschen drängen, ist komplett verlassen. Keine Musik mehr, kein Bratwurstduft, keine Warteschlangen.
Stattdessen leere Cafés und Loopings, die in der Dämmerung leuchten. Allenfalls das Rascheln der Bäume ist noch zu hören, als die Lichter im Park angehen.
Eine bizarre Stimmung, die man entweder schön findet oder wie in einem Horrorfilm.
Bei seinen Rundgängen ist Fabian Spitz mit Pfefferspray bewaffnet. Einsetzen musste er es noch nie. "Früher haben sich hier öfter Leute versteckt", erzählt der Wachmann. "Einmal haben wir nachts um drei Uhr ein Paar erwischt, das im Park seinen Hochzeitstag feiern wollte."
Könnte man heimlich Achterbahn fahren, wenn man über den Zaun klettert? Spitz winkt ab. "Das geht nur mit Schlüssel", sagt er, was wohl auch der Grund ist, warum kaum jemand einbricht.
Dem Park-Inhaber könne man aber durchaus außerhalb der Öffnungszeiten begegnen. Spitz grinst. "Manchmal spaziert er nachts um 2 Uhr durch den Park und findet die eine Glühbirne, die kaputt ist."
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30.000 Rauchmelder, acht Feuerwehrleute
Die Sicherheitsleute sind nicht die Einzigen, die noch wach sind. In einer Halle im Backstage-Bereich hat die Werksfeuerwehr ihr Quartier. In einem Großraumbüro beobachten die Einsatzkräfte ihre Monitore: 30.000 Rauchmelder sind auf dem Gelände installiert. Sollte einer losgehen, muss die Mannschaft innerhalb von 90 Sekunden ausrücken.
Acht Feuerwehrleute haben gleichzeitig Dienst – die Wache wurde nach einem Großbrand im Mai 2018 personell und technisch aufgestockt. Damals brannte die Attraktion "Piraten in Batavia" komplett nieder.
"Der Europa-Park ist wie eine eigene Stadt", sagt Wachabteilungsleiter Jürgen Scherzinger (33). Zwischen fünf und sechs Einsätze haben er und sein Team täglich – vom brennenden Mülleimer bis zur Feuershow, die abgesichert werden muss.
Und nachts? "Da haben wir es hin und wieder mit Gästen zu tun, die heimlich in ihren Zimmern rauchen." Zum Freizeitpark gehören sechs Hotels, die an das Gelände angrenzen.
Nur der Aussichtsturm leuchtet
Auch die Feuerwehr dreht nachts ihre Runden. Sind die Fritteusen in den Restaurants ausgeschaltet? Stehen bei der Entrauchungsanlage alle Lämpchen auf Grün? Meist sind es Kleinigkeiten, mit denen es die Feuerwehrleute zu tun haben.
"Wenn es anders wäre, hätten wir unseren Job nicht richtig gemacht", sagt Scherzinger, während er mit seinem roten Kleintransporter durch den Park fährt.
Es ist 22 Uhr, die Lämpchen an den Hausfassaden tauchen die Umgebung in ein orangefarbenes Licht. Irgendwann werden auch sie ausgehen. Nur der Aussichtsturm, der Besucher von der Autobahn anlocken soll, leuchtet die ganze Nacht.
Der nächste Morgen. Um 6 Uhr huscht die erste Kehrmaschine über die verlassenen Wege. Noch drei Stunden, bis der Park öffnet – Hotelgäste dürfen sogar schon um 8:30 Uhr rein.
Viel Zeit hat Heidi Schmidt, die Leiterin des Reinigungsservice, also nicht, um ihr Team einzuteilen. 650 Mülleimer müssen geleert, 780 Parkbänke geputzt, 850 Sonnenschirme kontrolliert werden. Plus hundert Toiletten, inklusive Backstagebereich.
Heidi Schmidt mag ihren Job, aber vor den Badezimmern graut es ihr manchmal. Sie sehen niedlich aus – im Märchenwald steht sogar ein Zwerg am Pissoir –, doch nicht alle Gäste wissen das zu schätzen.
Heile Welt trifft auf Fäkalien
"Das sind richtige Dreckspatzen", drückt es die Reinigungschefin höflich aus. Abgerissene Klodeckel, Fäkalien an den Wänden: Schmidt hat schon alles gesehen.
In solchen Fällen sperrt sie den kompletten Raum, damit Zeit für eine gründliche Reinigung bleibt. Gästen soll dieser Anblick unter allen Umständen erspart bleiben, und das nicht nur aus hygienischen Gründen.
Freizeitparks leben von der Illusion einer heilen Welt. Besucher, die im Märchenwald randalieren, passen da nicht ins Bild.
An diesem Morgen verläuft die Kontrolle glimpflich. Als Schmidt das Märchenwald-WC inspiziert, fällt ihr nur ein verstaubter Handtrockner und ein Fingerabdruck auf dem Spiegel auf. "Hier wurde noch nicht geputzt", sagt die Expertin. "Da kommen meine Kolleginnen gleich noch vorbei."
Dass im Park nirgendwo Müll zu sehen ist, liegt an den sogenannten "Papermen". Diese Arbeitskräfte laufen den ganzen Tag mit Pickern umher, damit keine Pommes-Schachteln oder Servietten im Blumenbeet landen.
Wässern, fegen, schneiden
Überhaupt, die Beete: 250.000 Sommerblumen, 5.000 Bäume und 1.400 Kübelpalmen gibt es im Park. Solange die Eingangstore noch zu sind, ziehen Gärtnerinnen und Gärtner aus, um die Anlage zu pflegen.
Es wird gewässert, gefegt und verschnitten, was das Zeug hält. Die ersten Gäste sammeln sich nun schon am Haupteingang.
"Bitte machen Sie die Bühne frei für unsere Gäste", verkündet eine Anzeigetafel, an die Mitarbeiter gerichtet. Ein Gärtner packt seine elektrische Heckenschere weg, mit der er eben noch eine Hecke geschnitten hat.
Alles, was Krach macht, ist nicht erwünscht – außer lärmende Besucher. Aber die bezahlen ja auch dafür.
In der "Arthur"-Achterbahn steht noch eine Leiter: Sicherheitsingenieur Can de Haan schreitet die Attraktion ab, bevor sie in Betrieb geht. "Die visuelle Prüfung machen wir jeden Tag bei allen Anlagen", sagt der 29-Jährige, während ein Kollege die Sitze desinfiziert.
Ein anderer leuchtet mit einer Taschenlampe in den Radkasten: Sitzen alle Schrauben fest? Funktioniert die Antriebswelle? Gibt es Risse in Rollen? Den Schließbügel testet er, indem er eine Feder einspannt, die den Druck eines Menschen simuliert.
"Würde ein Bügel nicht schließen, könnten wir aber sowieso nicht losfahren", versichert de Haan. "Das zeigen die Sensoren sofort an."
Die Gäste warten schon
8:30 Uhr: Als die Hotelgäste zur Achterbahn stürmen, hat diese ihre erste Fahrt schon hinter sich. Die Leerfahrt gehört zum Sicherheitscheck dazu.
Plötzlich wirkt es, als sei der Park nie geschlossen gewesen: Gedränge in den Gassen, Sonnencreme-getränkte Gesichter, die nach Action hungern. Musik wummert, Wildwasserbahnen plätschern, Achterbahnen schießen um die Kurve.
Menschen mit Heckenschere und Rechen sind nun nicht mehr zu sehen, auch keine Sicherheitskräfte. Ihre Stunde schlägt erst wieder, wenn die Sonne untergeht – spätestens in zwölf Stunden.
© RiffReporter
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