Wenn sich zwei gute Freunde in einer Idee verbeißen, dann muss mit allem gerechnet werden. Selbst ein Wohnwagen aus Holz kann so entstehen.

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Man fühlt sich an die Pioniere der Caravanerei erinnert, an einen Arist Dethleffs und sein Wohnauto aus den frühen 1930er-Jahren, steht man vor dem hölzernen Teardrop Wohnwagen. Und dabei hat der noch nicht einmal einen richtigen Namen. "Das Bauen war uns irgendwie wichtiger", meint Markus Schmidt. Er war für die Technik dieses Unikats verantwortlich, Simon Miller brachte seine Fähigkeiten im Umgang mit Holz in das Projekt ein, das zugleich ein Prototyp ist, denn Nummer 2 ist bereits in der gedanklichen Entstehungsphase angelangt.

Dabei war schon dieses urige Erstlingswerk alles andere denn ein Spaziergang, weit mehr als 800 Stunden stecken drin, "weitere 400 gingen sicherlich für die Recherche nach Materialien oder die Technik drauf", betonen die beiden Macher unisono.

Erster Praxiseinsatz für den Holzwohnwagen

Doch jetzt parkt ihr Holzwohnwagen auf dem Campingplatz Schliersee, direkt am Wasser, am letzten Februar-Wochenende 2024 darf er sich erstmals bewähren. Nie zuvor hat jemand in diesem Fahrzeug genächtigt, nie zuvor stand der Caravan auch nur im Freien. Stellt sich also die Frage: Hält die hölzerne Hülle dicht? Hält der Wohnwagen durch?

Schon von außen beeindruckt die imposante Erscheinung des aus Holz und mit nachhaltigen Materialien gefertigten Caravans, die überraschende Breite von 235 Zentimetern verdankt sich dem verwendeten Fahrgestell. Für den Prototyp griffen die beiden bayerischen Macher auf einen Autoanhänger zurück, die Achse verkraftet 1,5 Tonnen, alles geschah mit dem Segen des Prüfingenieurs.

So sieht der Holzwohnwagen aus

Der war es auch, der die Breite der Eingangstür auf 63 Zentimeter definierte – was völlig unwichtig wird, tut man den ersten Schritt ins Innere, denn sofort nimmt einen der warm-angenehme Geruch des Holzes gefangen. Die Zirbe geht eine harmonische Liaison mit den Flächen aus Kirsche ein, herrlich!

Doch Obacht: Natürlich heißt es nun "Schuhe aus", der eicherne Dielenboden soll keinen Schaden nehmen. Und so stehe ich als Bär auf Socken in diesem opulenten Raum, der eher eine Kathedrale aus Holz zu sein scheint, denn ein schnöder Caravan. Eine Weile – eine ganze Weile, um ehrlich zu sein – sage ich gar nichts. Und genieße nur.

Küche & Bad

Trotzdem will das 4,6 Meter lange Gefährt ein Camper sein, im Bug findet sich denn in klassischer Bauweise eines Eriba Puck die Küche mit Kühlschrank, zweiflammigem Cerankochfeld und Edelstahlspüle. Direkt im Anschluss dann die Dusche mit einer extraordinär ausgeführten Duschstraße, gefertigt aus 36 Holzsegmenten.

"Die war mit als erstes fertig", meint Simon stolz, und Markus ergänzt lässig: "Eigentlich haben wir den Wohnwagen um die Duschtasse herumgebaut." Die Aktion hat die beiden sichtlich noch enger zusammengeschweißt, stolz wedeln sie durch ihre Camper-Kathedrale, auf Besonderheiten hinweisend. "Die Wände in der Dusche sind mit echtem Schiefer verkleidet, dahinter ist eine Infrarot-Heizung." Alles klar.

Dusche wie auch Spüle werden von einem Elgena-Warmwasserboiler beschickt, das 50 Liter messende Frischwasserdepot ist frostsicher im Möbelkorpus verbaut, der 20 Liter kleinere Grauwassertank sitzt im Bug. Direkt über der Achse wurde der Trockentrenntoilette ein eigenes Gemach mit Fensterchen geschaffen.

Die Tür könnte ein klein wenig mehr Luft am unteren Rand haben, damit sie nicht am Teppich, den man der Parkettschonung halber auf diesen schönen Boden legen wird, hängen bleibt. Links neben der Toilette ergänzen zwei Schränke das Ensemble, im Heck wohnt schließlich das überaus großzügig geschnittene Bett.

Sitzgruppe & Betten

Bei Tag hat man hier eine Sitzgruppe für lässig fünf oder sechs Personen, der absenkbare Hubtisch wird in der Nacht zur Bettunterlage, aus den sechs Elementen aus 80 Millimeter starkem Schaumstoff wird nun ein 2,1 auf 1,6 Meter messendes Bett. Auch hier zeigt sich freilich der Prototypenstatus, beim Absenken klemmt der Tisch am Polster, während im ausgefahrenen Zustand kein Durchgang zwischen Schrank und Sitzfläche entsteht, "däss geht so naddirrlich gar net", nehmen die beiden die Kritik auf.

Gleichzeitig erzählen sie von den Problemen. Ein Beispiel ist dieses gewaltige Heckfenster aus getöntem Acrylglas, das selbstverständlich mit einer Straßenverkehrszulassung versehen sein musste. Das 1,2 auf 1,2 Meter messende Fenster ist eingeklebt, und bietet eine fantastische Aussicht am Heck, und in der Nacht den freien Blick in den Sternenhimmel. Ein etwas kleineres, ebenfalls gewölbtes Pendant findet sich am Bug über der Küche, beide Fenster sollen noch eine Verdunkelung bekommen, wie auch eine aus Segeltuch gefertigte Markise an der Mahagoni-Außenwand angedacht ist.

Aufbau & Isolierung

Isoliert wurde die gesamte Außenhülle, Spanten aus extrem leichten Kiri-Holz sorgen für Stabilität, mit einer 38 Millimeter dicken Schicht aus Schurwolle, die für ein spürbar gutes Raumklima, wie auch für eine überraschend gute Geräuschdämmung sorgt. "Außerdem nimmt Wolle viel Luftfeuchtigkeit auf, in diesem Wohnwagen bis zu 17 Liter", rechnet Simon vor, während Markus die Funktion des Lüfters mit Wärmerückgewinnung erklärt.

"Der sitzt oberhalb der Küche, und arbeitet mit einem Keramik-Wabenelement, in dem die Wärme der ausströmenden Luft gespeichert wird, und mit der im Intervall zurückströmenden wieder ins Innere kommt." Der Wirkungsgrad liegt bei rund 75 Prozent, selbst nach der ersten, mehr als frostigen Nacht im Schnee war die Luft im Inneren ausgezeichnet.

Nur die als Heizung genutzte Staukasten-Klimaanlage von Dometic kam hier an ihre Grenzen, trotz Zuheizung war an eine Wohlfühltemperatur nicht zu denken. Zum Glück sorgte die 300 Watt leistende Fußbodenheizung für Grundwärme. Ganz klar ist dies ein gasfreier Wohnwagen für schöne Jahreszeiten, in gewisser Hinsicht ähnelt er also einem Boot.

Über die Macher & Erfinder

Das mag wohl auch an Simons Erfahrungen im Bootsbau liegen, und tatsächlich versprühen die Hölzer und die handwerklich perfekte Verarbeitung den Charme einer gediegenen Yacht. Alles an und in diesem Fahrzeug lässt die unbefangene Materialliebe erahnen, mit der zu Werke gegangen wurde. Etwas mit den eigenen Händen zu schaffen, zu "er-schaffen", das alleine war sicherlich schon Reiz genug, um dieses beeindruckende Projekt auf die Räder zu stellen. Und die Ideen für Teil 2 der "Reise auf dem Holzweg", die sind ja schon im Raum schwebend.

Epilog: Als ich mich von Simon und Markus verabschieden musste, da saßen die beiden neben der Rezeption in der wärmenden Sonne beim Weißbier. Vertieft ins Gespräch. Um Holz und Strom – und was man daraus machen kann. So sind echte Macher!

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Holzwohnwagen Prototyp "Miller & Schmidt": Daten & Infos

  • Basis: Unitrailer Race 350, 100-kmh-Zulassung
  • Länge/Breite/Höhe: 4,60/2,35/2,60 m
  • Gewicht/zul. Gesamtgewicht: 1.200/1.500 kg.
  • Wohnausbau: Sitz-/Schlafplätze: 6/2 (2,1x1,6 m, Schaumstoff 80 mm), 5 Fenster (2 zum Öffnen, Dauerentlüftung mit Wärmetauscher), Möbelbau aus Birke, Zirbe, Kirsche, Pappel; Boden aus Eiche; Außenflanken aus Mahagoni, Dachhaut aus seewasserfestem Biegesperrholz mit GFK-Beschichtung und Lack, Dämmung: Schafwolle (38 mm).
  • Technik: Ceranfeld (Domino, 3 kW), Edelstahlspüle, Frisch-/Grauwasser: 50/30 l, 6-l-Boiler (Elgena), Kompressorkühlschrank (McCamping MC-65L, 65 Liter), Staukasten-Klimaanlage (Dometic FW-3000B), Fußbodenheizung (300 W), Wandheizung in der Dusche (150 W), Trockentrenntoilette Kildwick (Ausbau gasfrei).
  • Elektrik: 3 x 175 Watt Solar, 2 AGM Batterien 120Ah in Reihe, Wechselrichter 2.000 Watt mit integriertem Ladegerät, Bord-Elektrik auf 24 Volt ausgelegt, Landstrom: CEE in der Flanke.
  • Weitere Informationen unter: holzteardrop@web.de.

Youtube-Kanal

Markus Wolf ist als der kluge Kopf hinter "FAN4VAN", und ein Kenner der Campingszene. Regelmäßig berichtet er auf seinem Youtube-Kanal über Neuigkeiten, Produkte oder Trends, auch dem Holzwohnwagen hat er dieser Tage einen sehenswerten Beitrag gewidmet, auf den wir hier gerne verweisen.

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