"Du Spatzenhirn" – das dürfte zukünftig keine Beleidigung mehr sein, denn Vogelgehirne sind zwar klein, dafür aber reich an Nervenzellen, die trotz eines geringen Energieverbrauchs viel Leistung bringen. Gegenüber der Energieeffizienz von Vogelgehirnen können Säugetiere offenbar einpacken.

Mehr zum Thema Haustiere

Die Gehirnzellen von Vögeln benötigen nur etwa ein Drittel der Energie, die Säugetiere aufbringen müssen, um ihr Gehirn ausreichend zu versorgen. Das haben Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum um den Biopsychologen Onur Güntürkün herausgefunden.

"Das erklärt zum Teil, wie Vögel es schaffen, so schlau zu sein, obwohl ihre Gehirne so viel kleiner sind als die von Säugetieren", erklärt der Professor. Die Tiere haben im Laufe der Zeit eigene Strategien ausgebildet, die ihnen eine hohe kognitive Leistung ermöglicht, ohne dabei zu viel Energie zu verbrauchen.

Krähen können Schimpansen kognitiv das Wasser reichen

Güntürküns Studie baut auf den Ergebnissen einer Untersuchung aus dem Jahr 2016 auf: Diese beschäftigte sich mit der Tatsache, dass Vogelgehirne – beispielsweise die von Krähen und Papageien – es kognitiv mit den etwa 400 Gramm schweren Gehirnen von Schimpansen aufnehmen können. Und das, obwohl ihre Gehirne nur um die 20 Gramm wiegen. Eine daran anknüpfende Untersuchung ergab, dass das Gehirn von Vögeln, was zwar deutlich kleiner und leichter ist als das von Menschen und Affen, pro Volumen Hirnmasse zwei- bis dreimal so viele Nervenzellen besitzt wie die Gehirne von Primaten. Zudem sind die Hirnnervenzellen von Vögeln auch kleiner als die von Menschen.

Krähen können es kognitiv mit Primaten aufnehmen.
Krähen können es kognitiv mit Primaten aufnehmen. © unsplash.com/Tyler Quiring (Symbolfoto)

Heißt: Die Gehirne von Vögeln sind viel dichter gepackt. Trotz dieser Ergebnisse stellte sich Güntürkün immer noch eine Frage: "Wie kann sich ein so kleines Tier so unglaublich viele Nervenzellen leisten?" Schließlich würde das menschliche Gehirn etwa zwei Prozent des Körpergewichts ausmachen und dabei aber 20 bis 25 Prozent der Körperenergie verbrauchen. "Das Gehirn ist damit das mit Abstand energetisch teuerste Organ unseres Körpers, und wir konnten es uns im Laufe der Evolution nur leisten, indem wir uns erfolgreich sehr viel Energie zuzuführen lernten", so der Wissenschaftler.

Vogelgehirne benötigen weniger Energie für hohe Leistung

Um die Frage zu beantworten, wie es sein kann, dass so kleine Lebewesen wie Vögel es sich leisten können, derart viele Hirnnervenzellen mit ausreichend Energie zu versorgen, untersuchte Güntürkün gemeinsam mit seinem Forscherteam und Kollegen aus Köln, Jülich und Düsseldorf Tauben-Gehirne mithilfe der sogenannten "Positronen-Emissions-Tomografie" (PET). Durch dieses Bildgebungsverfahren können Forscher die Stoffwechselaktivitäten in Geweben feststellen und erkennen wie aktiv der Stoffwechsel in bestimmten Teilen des Körpers abläuft.

In dem Verfahren werden mehrere Bilder von den Geweberegionen gemacht, sodass der untersuchte Bereich Schicht für Schicht an einem dreidimensionalem Bild am Computer untersucht werden kann. Bei der PET koppeln Wissenschaftler Glukose, also meist Traubenzucker, an einen schwach radioaktiven Stoff. Dieses Kontrastmittel spritzen sie dann in das jeweils zu untersuchende Gewebe. Der sogenannte PET-Scanner kann die Substanz messen. Dadurch wird sichtbar, ob das untersuchte Gewebe viel Energie in Form von Zucker verbraucht und damit eine hohe Stoffwechselrate hat.

So ging auch Güntürkün im Fall der Tauben vor. Wobei er die Stoffwechselaktivität in den Nervenzellen ihrer Gehirne im wachen und im narkotisierten Zustands erfasste. Ergebnis: Der Energieverschleiß betrug nur ein Drittel von dem, was ein Säugetiergehirn verbrennt.

Große Unterschiede im Energieverbrauch

"Was uns am meisten überrascht hat, ist nicht, dass die Nervenzellen überhaupt weniger Glukose verbrauchen – das war aufgrund ihrer kleineren Größe zu erwarten", so Güntürkün. "Aber dass der Unterschied so groß ist, bedeutet, dass Vögel zusätzliche Mechanismen besitzen, die den Energieverbrauch der Nervenzellen senken. Das könnte zum Teil mit der höheren Körpertemperatur von Vögeln zusammenhängen, aber wahrscheinlich auch mit zusätzlichen Faktoren, die derzeit noch völlig unbekannt sind", erklärt der Forscher.

Fakten über Fakten: Mehr Wissen aus der Tierwelt
Du liebst exklusive Geschichten und spannende Ratgeber aus der Welt der Tiere? Stöbere jetzt im DeineTierwelt Magazin!

Die Studie füge sich in eine wachsende Zahl von Studien ein, die beweisen, dass Vögel sich im Laufe der Evolution einen eigenen, erfolgreichen Weg zur Entwicklung intelligenter Gehirne angeeignet haben. Es bleibt abzuwarten, welche Mechanismen genau dahinterstecken und ob Menschen sich etwas davon abgucken können.  © Deine Tierwelt

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.