Pferde können heilen – als Therapeuten auf vier Hufen. Das ist bekannt. Doch wie können die Therapiepferde selbst Stress abbauen. Oder Nein sagen? Mit Schnauben – das zeigt zumindest eine aktuelle Studie…

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Im österreichischen Lichtblickhof setzen alle auf die heilende Kraft der Pferde. Genau das macht dieses Hospiz für Kinder und Jugendliche so besonders. Denn hier bekommen die Mitarbeitenden tierische Unterstützung von Pferden. Für die Kinder sind sie Engel auf vier Hufen. Doch wie verarbeiten die Pferde ihre Aufgabe? Und können sie zeigen, wenn sie Stress haben? Die Antwort ist eindeutig: Ja – und zwar durch ein Schnauben. Das zeigte eine Pilotstudie österreichischer und Schweizer Forscherinnen und Therapeutinnen unter Beteiligung des Lichtblickhofs.

Die Idee zu der Studie entstand aus den vorliegenden Untersuchungen. Denn: Bislang haben sich Studien über pferdegestützte Therapie vor allem auf deren Effekte auf Patienten und Patientinnen konzentriert. Nur in wenigen Arbeiten seien Auswirkungen auf die Pferde selbst untersucht worden beziehungsweise fehlen Untersuchungen zu konkreten Methoden, um Pferde im therapeutischen Setting optimal zu begleiten. Das schreiben Karin Hediger von der Universität Basel (Schweiz) und Anna Naber, Magdalena Völk und Roswitha Zink vom Lichtblickhof in der Studie.

Dabei sollte der Fokus auch auf Pferde gelegt werden. Schließlich sind es viele: Allein im deutschsprachigen Raum nehmen nach Angaben der Studie mehr als 1.600 Pferde aktiv an verschiedenen therapeutischen Programmen teil. Für die Mitarbeiter vom Lichtblickhof stand dabei immer auch das Pferd im Mittelpunkt. "Schon bisher haben wir in der Therapiesituation versucht, Vetosignale zu etablieren, damit die Pferde signalisieren können ‚Stopp, das ist mir jetzt zu viel‘", erklärte die klinische Psychologin Anna Naber, die am Lichtblickhof als Equotherapeutin arbeitet, gegenüber "APA".

Therapiepferde brauchen ein "Stoppschild"

Natürlich würden die Therapeuten ständig auf die teilweise subtile Körpersprache der Tiere achten. Nur: "In der Therapiesituation muss ich mich aber auf das Kind einlassen, das Umfeld im Auge behalten und auch noch das Pferd beobachten – das sind so viele Faktoren, dass es durchaus passieren kann, ein Vetosignal zu übersehen", so Naber.

Deshalb suchten Roswitha Zink und ihr Team ein tierischen Stoppschild, dass nicht zu übersehen beziehungsweise überhören ist. Und sie fanden es – im Schnauben. Normalerweise zeigen Pferde so, dass sie entspannt sind. Das hatte Naber bereits während ihrer Masterarbeit nachgewiesen, für die sie bei der Therapie Probemessungen des Pulses von Kindern, Therapeuten und Pferden durchgeführt hat. "Bei einem Ausritt hatte das Pferd einen Puls von 140, und als es schnaubte, ging dieser Wert in der Sekunde auf 50 runter."

Schnauben als Kommunikationsmittel

Da stellte sich die Frage: Kann das Schnauben auch als Veto von den Pferden genutzt werden? Dies sollte in einer Studie nachgewiesen werden. An der Untersuchung nahmen 20 Pferde vom Lichtblickhof und die Therapeuten, die üblicherweise mit den jeweiligen Tieren arbeiten, teil. Die Pferde umfassten eine Vielzahl von Rassen, waren verschieden alt und hatten unterschiedliche Vorerfahrung in der Therapie.

Über sechs Monate nahmen sie einmal pro Woche an einer Trainingseinheit teil, wo ihnen mittels positiver Verstärkung beigebracht wurde, Schnauben als Strategie in der Kommunikation mit Menschen anzuwenden – die Expertinnen nennen es "Schnaubkorrespondenz" ("Audible Exhale Communication").

Therapiepferde waren weniger gestresst

Dass Schnauben auch ein Veto sein kann – das verstanden die Pferde unterschiedlich schnell. Aber: Sobald sie das Konzept verstanden hatten, nutzen sie es auch – und zwar nicht nur im Training, sondern auch während ihrer Arbeit als Therapiepferde. "Die Pferde schnaubten nach den sechs Monaten Training viel öfter, weil sie gemerkt haben, dass ihnen das physiologisch guttut und sie auf eine Situation Einfluss nehmen können", so Naber. Der Effekt: Sie wiesen weniger Stress-Signale auf und zeigten mehr positive Emotionen und Anzeichen von Entspannung. Zudem half das tiefe Ausatmen bei chronischen Atemwegserkrankungen.

Und auch die Kinder und Jugendlichen fanden die "Schnaubkorrespondenz" gut. Denn so bekamen auch sie eine direkte und deutliche Rückmeldung von den Pferden. Dies könnte für das Lernen und die Entwicklung emotionaler und sozialer Fähigkeiten förderlich sein.

Man sei bei der "Schnaubkorrespondenz" noch ganz am Anfang, betonte Naber. Denn: Das Schnauben alleine verrate nicht unbedingt, ob es einem Pferd gut oder schlecht gehe. Dafür musse man das Schnauben in Kombination mit der Körpersprache und der jeweiligen Situation betrachten.

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Dazu kommt, dass die Pferde auch eine Art "manipulativen Schnauber" gelernt haben. Dabei atmen sie nicht durch, entspannen nicht – zeigen aber, dass sie eine Pause wollen. Auch könne es sein, dass bei einem Kind in der Therapie plötzlich sehr viel emotionale Anspannung aufkomme, und das Pferd mit Schnauben reagiere, weil es etwas Entspannung in die Situation bringen wolle. Weitere Forschungen sollen hier umfassendere Erkenntnisse liefern.  © Pferde.de

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