Selbst bei sorgfältiger Planung kann die Herdenzusammenführung Risiken bergen: Tiere sind nun mal nicht berechenbar. Unsere Autorin hat sich bei der ersten Eingliederung ihres Ponys sehr viel Zeit gelassen und Vieles bedacht – dennoch endete die Zusammenführung in einem schrecklichen Unfall. Hier teilt sie ihre Erfahrungen – und verrät, was sie im Nachhinein anders machen würde.

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Im Laufe eines Pferdelebens ändern sich die Umstände und oft ist ein Umzug in einen neuen Stall unausweichlich. Besonders wenn man sein Pferd in einer Gruppenhaltung unterbringen möchte, die der natürlichen Lebensweise am nächsten kommt, führt kein Weg an einer Herdenzusammenführung vorbei. Doch dieser Schritt erfordert Geduld und eine organisierte Herangehensweise.

Bevor Du Dein Pferd in eine neue Herde integrierst, sind einige wichtige Schritte zu beachten. Neben der Einhaltung einer Quarantänezeit, um potenzielle Krankheiten zu vermindern, ist es entscheidend, dem Pferd Zeit zum Ankommen zu geben. Ein Stallwechsel bedeutet für die Tiere ein einschneidendes Erlebnis mit vielen neuen Eindrücken, die sie zunächst verarbeiten müssen.

Sanftes Kennenlernen

Nach der Quarantäne- und Eingewöhnungsphase ist es ratsam, die Pferde auf dem Paddock langsam zusammenzuführen. Dabei solltest Du als Besitzer darauf achten, die Pferde nicht zu überfordern und genügend Zeit für das Kennenlernen einzuplanen. Hierbei ist es ratsam, dem neuen Pferd einen Teil des Paddocks abzuspannen, sodass die Pferde sich erstmal eine Weile über den Zaun beschnuppern können. Das Teilen einer Heuraufe kann ebenfalls dabei helfen, erste Bande zu knüpfen und Toleranz zu fördern, obwohl die Pferde noch nicht final zusammenstehen.

Herdenzusammenführung gut vorbereiten

Bevor die finale Zusammenführung ansteht, solltest Du einige Aspekte berücksichtigen. Hier teile ich die konkreten Maßnahmen, die wir ergriffen haben, um die Herdenzusammenführung meines Ponys Viona bestmöglich vorzubereiten:

Terminwahl mit Bedacht: Wir wählten einen Tag, an dem alle Besitzer Zeit hatten und persönlich dabei sein konnten. Dies ermöglichte eine umfassende Betreuung und Überwachung des ganzen Prozesses.

Kein Zeitdruck: Am gewählten Tag standen keine wichtigen Termine an, sodass wir den Pferden die benötigte Zeit geben konnten, um sich aneinander zu gewöhnen und die Rangordnung auszumachen. Ein entspanntes Umfeld förderte eine sanftere Eingewöhnung und vermittelt den Pferden keinen zusätzlichen Stress. Generell ist Zeitdruck im Umgang mit sensiblen Tieren wie Pferden ein Hindernis.

Vermeidung von Training und Terminen: An diesem Tag wurde keines der Pferde trainiert, hatte Termine, oder sonstige Gründe den Paddock zu verlassen. Dadurch vermieden wir, dass sich die Herdenkonstellation mehrfach änderte und wiederholte Unruhen entstanden.

Wetter: Wir orientierten uns am Wetter und sorgten dafür, dass die Herdenzusammenführung an einem Tag stattfand, wo gutes Wetter vorhergesagt war, sodass der Paddock trocken war und wir dem Ausrutschen im Schlamm vorbeugen konnten. Im Winter ist es übrigens ratsam darauf zu achten, dass der Boden nicht gefroren ist, um das Risiko von Verletzungen durch Ausrutschen zu minimieren.

Engpässe vermeiden: Wir sorgten dafür, dass es auf dem Paddock, auf dem sich die Pferde kennenlernen sollten, keine engen Stellen gab. Dies verhinderte potenzielle Konfliktsituationen, in denen ein Pferd eventuell nicht wegkommt und panisch eingeengt wird.

Herdenzusammenführung muss gut vorbereitet werden.
Herdenzusammenführung muss gut vorbereitet werden. © Foto: unsplash.com/Lara Baeriswyl (Symbolfoto)

Schutz der Pferdebeine: Zur Vorbeugung von Verletzungen haben wir den Pferden die Beine mit Gamaschen eingepackt. Schließlich war es eine Herde von Stuten und da weiß man nicht, wann hier und da einmal quietschend zum Tritt ansetzt wird. Frei nach dem Motto: "Safety first."

Abstand halten: Ein besonders wichtiger Punkt, den ich jedem ans Herz legen möchte und den ich selbst absolut unterschätzt habe: Als Besitzer sollte man sich während der Herdenzusammenführung von seinem Pferd fern halten. Indem man sich entfernt, wird vermieden, dass das Pferd ausschließlich auf den Besitzer fixiert ist und bei diesem Schutz suchen wird. Denn bei einem Stallwechsel und einer neuen Herde sind wir Besitzer oft die einzige Konstante für unsere Pferde.

Trotz sorgfältiger Vorbereitung endete der Prozess bei uns in einem Unfall, der mir bis heute einen Schauer über den Rücken jagt, wenn ich nur das Wort "Herdenzusammenführung" höre. Damit Du aus meinen Erfahrungen lernen kannst, möchte ich Dir im folgenden davon berichten:

Herdenzusammenführung: Eine erschütternde Erfahrung

Alles war vorbereitet, den Zaun haben wir abgebaut und die Pferde wurden zusammen gelassen. Zu den vier anderen Stuten kam meine Viona als einzige neu dazu. Zunächst lief alles normal, die Pferde galoppierten und trabten hin und her und beschnupperten sich gegenseitig. Ich stand am Eingangstor des Paddocks und beobachtete die Situation, mit einem flauen Gefühl im Bauch und totaler innerer Anspannung. Immerhin war Viona mein erstes eigenes Pferd und dies war ihre erste Eingliederung. Wer wäre da nicht aufgeregt?

Die anderen Stuten schickten Viona immer wieder weg und haben sie erstmal nicht in ihre Nähe gelassen, eher im Gegenteil. Was natürlich auch erstmal normal war. Als Vio mich sah, trabte sie aber sofort zu mir und stellte sich direkt vor das Eingangstor. Sie fixierte sich auf mich und nahm die Umwelt und die anderen Pferde hinter sich nicht mehr wahr. In diesem Moment kam eine andere Stute von hinten und biss ihr in den Po. Und dann passierte es: Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Viona über das Tor sprang, direkt auf mich zu und plötzlich dort hing. Sie kam nicht komplett rüber und die Metallstange vom Tor rastete an ihren hinteren Knien ein. Sie zappelte panisch und versuchte verzweifelt rüberzukommen, doch sie hing fest.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte und wurde weggezogen, damit sie mich nicht verletzte. Bei dem Vorfall riss Viona sich die Haut am Euter auf und verletzte sich an den hinteren Knien. Das saß tief. Bei uns beiden. Sie so hilflos und panisch zu sehen, obwohl wir alles so gut vorbereitet hatten – und ich konnte ihr nicht helfen. Es ging alles so schnell, doch fühlte sich der Moment, wo sie auf dem Tor hing, wie eine Ewigkeit an. Glücklicherweise war eine angehende Tierärztin am Stall, die sie direkt erstversorgen und mir abnehmen konnte. Dafür bin ich ihr noch heute dankbar, denn ich selbst war so aufgelöst, dass ich weinte, zitterte und handlungsunfähig war.

Ein persönliches Fazit

Meine Erfahrung mit Viona hat mich gelehrt, dass selbst die beste Vorbereitung nicht vor unerwarteten Ereignissen schützen kann. Trotz allem, was wir getan hatten, endete die Herdenzusammenführung in einem schmerzhaften Vorfall, der uns beide tief erschütterte. Es ist wichtig, sich der Risiken bewusst zu sein und stets wachsam zu bleiben, auch wenn man alles sorgfältig plant.

Wer vor einer Eingliederung seines Pferdes in eine bestehende Herde zu große Manschetten hat, kann auch zunächst eine "softe" Variante ausprobieren. Dabei wird das neue Pferd erstmal mit einem verträglichen Tier der Herde zusammen auf die Weide oder den Paddock gelassen. Verstehen diese beiden sich gut, können nach und nach die anderen Herdenmitglieder dazu geholten werden.

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Und: Spielerische Kämpfe gehören dazu und sehen für uns häufig dramatischer aus als für das Pferd. Deshalb solltest Du, solange Dein Pferd dabei nicht verletzt wird, bei kleinen Keilereien erstmal die Ruhe bewahren.  © Pferde.de

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