Das Zusammenleben mit Tieren bringt viel Freude und Bereicherung für uns. Doch manchmal wird die menschliche Tierliebe zwanghaft. Mit erschreckenden Folgen für die Zwei- und Vierbeiner.

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"Tierheim rettet 15 Kaninchen vor krankhafter Tiersammlerin." "Tierschutzverein befreit 53 Meerschweinchen und 23 Katzen aus Messie-Wohnung." "Halterin überfordert – 51 Hunde in Dortmund beschlagnahmt." "Berlin – Mann hält 1.700 Wellensittiche in seiner Wohnung." So lauten nur einige Schlagzeilen zum Thema "Animal Hoarding" aus der Vergangenheit. Immer wieder müssen die Behörden einschreiten, wenn die Tierliebe der Besitzer außer Kontrolle gerät. 2021 waren über 4.200 tierische Mitbewohner von der krankhaften Sammelsucht ihrer Besitzer betroffen – die Dunkelziffer liegt mit Sicherheit deutlich höher.

Diese krankhafte Tier-Sammelsucht wird als "Animal Hoarding" (Tierhortung) bezeichnet. Es ist eine Krankheit, bei der Menschen Tiere in einer großen Anzahl halten, sie aber nicht angemessen versorgen können. Oft fehlt es am Allernötigsten: Futter, Wasser, Hygiene und tierärztliche Betreuung. Nicht selten lebt der Zweibeiner auf engstem Raum mit seinen Tieren zusammen, sodass sich Krankheiten und Parasiten schnell ausbreiten können. Durch die unkontrollierte Vermehrung vergrößert sich das Tierleid zusätzlich. Die Personen erkennen jedoch nicht, was sie ihren Tieren antun. Sie halten sich für wahre Tierfreunde und verstehen nicht, warum sie Tiere abgeben oder die Tierhaltung ganz aufgeben sollten.

Woran erkennt Ihr Tier-Horter?

In einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde jetzt das Phänomen "Animal Hoarding" untersucht. Statistisch gesehen ist der typische Tier-Horter über 45 Jahre alt und alleinstehend. Der Deutsche Tierschutzbund hat folgendes festgestellt: in 44 Prozent aller Fälle sind es Frauen, die Tiere horten; in 30 Prozent aller Fälle sind es Männer; in 26 Prozent Paare oder ganze Familien. Die Menschen, die krankhaft Tiere sammeln, halten durchschnittlich 105 Tiere, es sind aber auch schon über 300 Tiere vor Ort gefunden worden. Oftmals wissen die Besitzer jedoch gar nicht, mit wie vielen Fellnasen sie zusammenleben. In sehr schlimmen Fällen sind auch bereits verendete Tiere noch vor Ort. Samtpfoten sind vom "Animal Hoarding" am meisten betroffen. Danach Hunde, gefolgt von Kaninchen, Meerschweinchen und Vögeln.

An den folgenden Anzeichen könnt Ihr den Beginn von krankhaftem Sammeln von tierischen Zwei- und Vierbeinern erkennen:

  • es sind deutlich mehr Tiere vorhanden als in Deutschland üblich
  • in den vorhandenen Räumlichkeiten leben zu viele Tiere
  • der Halter zeigt trotz überdurchschnittlich hoher Tieranzahl und zu geringem Raumangebot keine Einsicht, dass der Tierbestand verkleinert werden muss

Wie kommt es zum "Animal Hoarding"?

Psychologen stufen das "Animal Hoarding" als Sonderform des Messie-Syndroms ein. Der Diplom-Psychologe Gert Zimmek erklärt das so: "Das ist eine Überlappung von verschiedenen Störungen. Zur Persönlichkeitsstörung kommt eine Zwangserkrankung. "Animal Hoarding" äußert sich – wie bei anderen Messies auch – durch Verwahrlosung. Das ist ein Phänomen, das sich über eine sehr lange Zeit aufbaut." Im Verlauf der Zeit entwickelt sich ein enges Verhältnis zu den Fellnasen. Und dann lässt ein persönliches Schicksal wie zum Beispiel eine Scheidung oder der Verlust des Partners die Situation kippen.

Die Betroffenen halten sich für Tierretter. Die Tiere ersetzen den Partner und nehmen seine Rolle ein. Gleichzeitig tritt eine Überforderung ein, aber die Einsicht fehlt. Der Psychologe erklärt weiter: "Sie verdrängen, dass es den Tieren schlecht geht. Sie bagatellisieren und spielen mit den Behörden ein Katz- und Mausspiel, um den Gerichtsbeschluss und den Zugang zur Wohnung zu verhindern." Doch irgendwann klappt das nicht mehr, dann steht das Veterinäramt vor der Tür, alarmiert von Nachbarn, die sich über den Gestank beschweren oder sogar Angst vor Seuchen haben.

Doch auch nach Wegnahme durch das Veterinäramt geht das Leiden der Tiere weiter. Durch die verheerende Haltung und erlittenen psychischen Schaden sind sie oft nicht mehr vermittelbar. Viele sind sogar in einem solch schlechtem Zustand, dass sie nicht mehr zu retten sind.

Der Tier-Horter hingegen "zieht oftmals einfach um und fängt von vorne an", berichtet Moira Gerlach, Tierärztin bei der Akademie für Tierschutz in Neubiberg bei München. Aufgrund der mangelnden Einsicht, etwas falsch gemacht zu haben, ist die Rückfallquote bei Tier-Hortern erschreckend hoch.

Ist "Animal Hoarding" strafbar?

In Paragraf 2 des Tierschutzgesetz heißt es: "Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen." Was das jedoch konkret bedeutet, ist oftmals Auslegungssache. Tierschützer fordern daher schon seit langer Zeit eindeutige Vorgaben für die Zucht und Haltung einzelner Arten sowie einen verpflichtenden Sachkundenachweis.

Wenn dem Veterinäramt ein vermutlicher Fall von "Animal Hoarding" gemeldet wird, ist es die Aufgabe des zuständigen Amtstierarztes, die Haltungsbedingungen vor Ort zu überprüfen. Sollte der Halter den Tierarzt nicht auf sein Grundstück lassen, kann der Veterinär über die Staatsanwaltschaft das Betretungsrecht erwirken. Stellt der Tierarzt dann tatsächlich mangelnde Lebens- und Haltungsbedingungen fest, können die Tiere beschlagnahmt und für den Halter sogar ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen sowie Therapien verordnet werden. Doch noch ist "Animal Hoarding" kein anerkanntes Krankheitsbild. Es gibt daher keine von der Krankenkasse finanzierte Therapie und wenig Anlaufstellen für die Betroffenen.

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Der Deutsche Tierschutzbund fordert daher ein Zentralregister von Tier-Hortern und ein wirkungsvolles Tierhaltungsverbot für die psychisch kranken Menschen. Zu ihrem Wohl, aber vor allem zum Wohl unserer zwei- und vierbeinigen Freunde.  © Deine Tierwelt

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