Wer sich bei der Arbeit kurz in die Raucherpause verabschiedet, verabschiedet sich für diese Zeit auch von seinem Versicherungsschutz. Das hat das Berliner Sozialgericht klargestellt. Für viele Arbeitgeber, auch Nichtraucher, stellt sich damit die Frage: Wann bin ich eigentlich versichert und wann nicht?

Mehr zum Thema Verbraucher

Im konkreten Fall hatte eine Berliner Pflegehelferin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gefordert. Die Frau war auf dem Rückweg von einer Raucherpause gestürzt und hatte sich den Arm gebrochen. Die Richter sahen die gesetzliche Unfallversicherung jedoch in diesem Fall nicht in der Pflicht. Ihr Argument: Rauchen diene nicht der Berufstätigkeit, sei somit Privatsache.

Wir gehen der Frage nach, wie die Regelungen in anderen Situationen aussehen, so zum Beispiel bei Unfällen in der Pause, auf dem Arbeitsweg oder während einer Dienstreise.

Der Arbeitsweg

Passiert auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit ein Unfall, wird die gesetzliche Unfallversicherung alle notwendigen Leistungen tragen. Dies gilt sowohl für anfallende Behandlungskosten, als auch für das Krankengeld oder spätere Rentenansprüche. Der Arbeitsweg ist zwingend mit der eigentlichen Tätigkeit verbunden, bildet meist sogar die Voraussetzung dafür. Hier besteht Rechtssicherheit.

Schwieriger wird es, wenn der direkte Arbeitsweg aus privaten Gründen verlassen wird, beispielsweise um auf dem Rückweg im Supermarkt für das Abendessen zu sorgen. Hier entfallen im Regelfall alle Ansprüche an die gesetzliche Versicherung. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn es zwingende Gründe für den Umweg gab, zum Beispiel eine Straßensperre nach einem Unfall.

Auch der Weg zur Tankstelle gilt übrigens als Privatsache und ist damit nicht von der Versicherung abgedeckt, falls nicht wiederum außergewöhnliche Gründe für den Stopp vorlagen.

Die Pause

Zwar dienen die Pausen der Regeneration, sind aber gemäß richterlichem Urteil nicht von der gesetzlichen Versicherung abgedeckt. Selbst wenn das Unfallopfer während seiner Mittagspause in der Werkskantine einen Schaden erleidet, muss die private statt der gesetzlichen Versicherung einspringen - wenn denn eine Privatversicherung abgeschlossen wurde.

Die Richter gehen bei ihrer Entscheidung davon aus, dass die Aufnahme von Nahrung in jedem Fall erforderlich ist, und damit nicht in einem direkten Zusammenhang zur Arbeit steht. Essen ist kurz gesagt Privatsache, egal ob in der Kantine, im Restaurant um die Ecke oder mit einem Pausenbrot auf der Veranda.

Interessant ist allerdings, dass dies zwar für das Essen selbst, nicht jedoch für die Wege dorthin zutrifft. So sind Unfälle bis zur Kantinen- oder auch Restauranttür durchaus von der gesetzlichen Versicherung abgedeckt, alles was hinter der Schwelle geschieht jedoch nicht. Wer sich mal kurz ins Nagelstudio oder auf die Sonnenbank begibt, ist auch für den Weg dorthin allein verantwortlich.

Die Firmenfeier

Im Gegensatz zur Mittagspause handelt es sich bei der Firmenfeier um eine dienstliche Veranstaltung, bei der die Angestellten Versicherungsschutz genießen. Allerdings müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit das lustige Beisammensein den Namen Firmenfeier auch verdient. So bedarf es zum Beispiel einer offiziellen Einladung der Firmenleitung an die Belegschaft. Aus dem Leitungsgremium sollte bei der Veranstaltung selbst dann auch ein Vertreter anwesend sein.

Sind die Voraussetzungen erfüllt, gilt der Versicherungsschutz über die Party hinaus auch für die An- und Abreise. Für Alkohol am Steuer gilt der Schutz allerdings nicht, jedenfalls nicht in Fällen, in denen der Unfall auf „absolute“ Fahruntüchtigkeit zurückzuführen ist - also bei Promillewerten über 1,1.

Die Münchner Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Sandra Schaefer verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Landessozialgerichts Bayern vom Dezember 2011 (LSG Bayern, L 2 U 566/10). In diesem Fall kam es zu einem Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang auf dem unmittelbaren Heimweg von der Arbeitsstätte. Der Fahrer war aufgrund seiner Blut-Alkohol-Konzentration von 0,93% „relativ“ fahruntüchtig. Das Sozialgericht schloss den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in diesem Fall jedoch nicht aus, obwohl eine Fahruntüchtigkeit wegen Alkoholgenusses vorlag. Als Begründung führte das Gericht an, dass die auf den Alkoholgenuss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit nicht als allein wesentliche Ursache des Unfalls angenommen werden müsse. Andere Gründe für den Unfalleintritt könnten nicht ausgeschlossen werden.

Die Dienstreise

Wie der Name schon sagt: Die betreffende Reise dient nicht dem Vergnügen, sie ist dienstlich veranlasst. Es ist daher Sache des Arbeitgebers - beziehungsweise der von ihm obligatorisch abgeschlossenen Unfallversicherung - für mögliche Schäden aufzukommen. Auch hier ist allerdings relativ strikt zwischen der Dienstzeit und der privaten Zeit zu trennen. Wer sich beispielsweise auf der Tanzfläche einer Bar nachts die Hüfte verrenkt, sollte nicht unbedingt auf die gesetzliche Unfallversicherung zählen. Wem selbiges morgens auf dem Weg zum Fahrkartenautomaten passiert, der ist abgesichert.

Bei einer mehrtägigen Dienstreise bleibt ein Ermessensspielraum, was rein dienstlich und was privat veranlasst ist. Auch die Richter können hier unterschiedlich urteilen. Man ist jedoch gut beraten, selbst auf die entsprechende Trennung zu achten.

Der Arbeitsvertrag

Immer mehr Menschen arbeiten nicht mehr mit einem festen Vertrag, sondern leisten ihre Arbeit fürs Unternehmen in freier Mitarbeit. Grundsätzlich haben diese Mitarbeiter dieselben Rechte beim Unfallschutz wie ihre fest angestellten Kollegen. Für Selbständige, die nicht in die eigentliche Arbeitsorganisation eingebunden sind und meist über mehrere Auftraggeber verfügen, gilt diese Regelung nicht.

Zu beachten:

Die Rechtsprechung der Sozialgerichte hat sich dahingehend gefestigt, dass für einen geschützten Arbeitsunfall ein sehr enger und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Arbeitstätigkeit vorliegen muss. Fachanwältin Sandra Schaefer betont an dieser Stelle, dass vor dem Sozialgericht tatsächlich der konkrete Lebenssachverhalt eine wesentliche Rolle spielt und von den Richtern penibel untersucht wird. Entscheidend sei, wann, wo und in welcher Eigenschaft sich der der Arbeitnehmer zum Unfallzeitpunkt befindet.

Gerade bei Abfassung des ersten Unfallberichts, so Schaefer, müsse dies im Auge behalten werden. Der Bericht werde von den Richtern zur Entscheidungsfindung mit herangezogen, vom Betroffenen beziehungsweise der Personalabteilung des Unternehmens jedoch oft stiefmütterlich behandelt. Unfallberichte, die in Eile und unter dem stressigen Einfluss des Unfallgeschehens abgefasst würden, enthielten dann oft missverständliche Formulierungen, die sich negativ auf das laufende Gerichtsverfahren auswirken könnten.

Die gesetzliche Unfallversicherung - Erläuterung

Ziel der gesetzlichen Unfallversicherung ist es, bestimmte Personengruppen bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten vor allem finanziell abzusichern. Durch medizinische Maßnahmen wird versucht, die Gesundheit nach dem Schadensfall wiederherzustellen. Ist dies nicht oder nur teilweise möglich, werden Entschädigungen gezahlt. Die Unfallversicherung ist auch präventiv tätig.

Versichert sind nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Kinder in Kindertageseinrichtungen, Schüler in der Schule sowie Studierende und Auszubildende. Ebenfalls gesetzlich abgesichert werden Arbeitslose sowie alle Menschen, die im Interesse der Allgemeinheit tätig sind - so zum Beispiel die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Schöffen.

Finanziert wird die gesetzliche Unfallversicherung über Beiträge der Unternehmer. Die Versicherten selbst müssen keine Beiträge entrichten. Sie sind letztlich aber über ihre Steuern an den Zahlungen beteiligt, da die öffentlichen Träger der Unfallversicherung ihre Ausgaben aus Haushaltsmitteln decken.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.