Haushalte können heute auf mehrere Arten vom Geschehen am Strommarkt profitieren. So sparen Sie Geld – oder verdienen sogar welches.

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Für Haushalte ist Strom im Grunde ein ziemlich langweiliges Produkt: Was aus den Steckdosen kommt, ist bei jedem Versorger das gleiche. Und die Preise ändern sich nur recht selten, auch wenn das Geschehen an den Energiemärkten noch so wild tobt. Das ist gut für die Kundinnen und Kunden, weil ihnen das Sicherheit gibt – und schlecht, weil sie so nicht von den jeweiligen Marktentwicklungen profitieren können.

Mit Fortschreiten der Energiewende und der Digitalisierung eröffnen sich Haushalten nun aber einige Möglichkeiten, das Auf und Ab an der Strombörse für sich zu nutzen. Neue Geschäftsmodelle geben Verbraucherinnen und Verbrauchern die Chance, Geld zu sparen oder gar zu verdienen; etwa indem sie ihren Stromverbrauch zeitlich verschieben oder, als Besitzer einer Photovoltaik-Anlage oder eines Elektroautos, Energie verkaufen.

Noch steckt all das in den Kinderschuhen. Doch die Dynamik ist groß. Auch, weil zu erwarten ist, dass mit weiterem Ausbau der Erneuerbaren die Preise an der Strombörse künftig stärker schwanken werden – was es für Haushalte noch interessanter macht, hier mitzumischen. Wir stellen drei Möglichkeiten vor, wie Haushalte bereits heute oder in naher Zukunft am Strommarkt teilhaben können.

1. Zeitvariable Stromtarife

So wie Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt billiger werden, wenn günstiges Wetter üppige Ernte bringt, so rutschen die Preise am Spotmarkt der Strombörse bei Sonnenschein und kräftigem Wind häufig in den Keller, weil Photovoltaik und Windkraft dann für ein großes Angebot sorgen. In diesen Phasen können sich die Versorger sehr günstig mit Strom eindecken. Am Spotmarkt kaufen sie die Energiemengen ein, die sie sich nicht bereits durch langfristige Bezugsverträge gesichert haben.

Haushalte haben von diesem Preisrutsch allerdings nichts. Denn die Tarife der Standard-Stromverträge sind fix, egal was am Spotmarkt geschieht. Doch es gibt Ausnahmen: Einige Versorger bieten mittlerweile Tarife an, deren Höhe sich im Stundentakt ändert, abhängig von der Entwicklung an der Strombörse. Die Kundinnen und Kunden zahlen einen verbrauchsunabhängigen Grundpreis, zudem pro Kilowattstunde Strom die Pflicht-Abgaben wie Netzentgelte und Steuern und dazu den variierenden Spotmarkt-Preis des Stroms. Was die Energie zu welcher Stunde kostet, erfahren sie am Tag vorher über eine App oder die Website des Versorgers.

So können sie etwa Geschirrspüler und Waschmaschine gezielt dann laufen lassen, wenn der Strom gerade günstig ist. An sonnigen oder windigen Tagen kostet die Kilowattstunde stundenweise oft nur 15 bis 20 Cent, ungefähr die Hälfte des Preises von Standard-Tarifen. Gelegentlich ist der Strom gar für 10 bis 15 Cent zu haben. In den Morgen- und Abendstunden, bei allgemein hoher Nachfrage und ohne Solarstrom, sind die dynamischen Tarife allerdings mitunter teurer als konventionelle Angebote.

Und es gibt noch einen weiteren Haken: Um die Angebote nutzen zu können, benötigen Haushalte einen Stromzähler, der im schnellen Takt den Verbrauch ausliest und übermittelt. Diese sogenannten Smart Meter sind heute noch sehr teuer. Bis zu 100 Euro müssen private Verbraucher dafür im Jahr bezahlen, konventionelle Zähler dagegen kosten nur 10 bis 20 Euro. Doch das wird sich demnächst ändern: Ein neues Bundesgesetz deckelt den Preis der Smart Meter ab 2025 auf 20 Euro im Jahr. Zudem verpflichtet es alle Versorger, einen zeitvariablen Tarif anzubieten.

Wer sich schon heute für einen solchen Tarif interessiert, sollte seine individuelle Situation und seinen Stromverbrauch genau analysieren, empfiehlt Alexander Steinfeldt von der gemeinnützigen Beratungsgesellschaft co2online. "Gerade in Haushalten mit hohem Stromverbrauch und Möglichkeiten, den Verbrauch zu verschieben –zum Beispiel durch ein E-Auto oder eine Wärmepumpen-Heizung –, lohnen sich dynamische Stromtarife schon heute." In anderen Fällen lasse sich mit den Tarifen derzeit womöglich nicht genug einsparen, um den Aufwand und die Komplexität zu rechtfertigen.

2. Solarstrom verkaufen

Wer heute eine Photovoltaik-Anlage installiert, tut gut daran, möglichst viel vom erzeugten Strom selbst zu verbrauchen. Denn die hausgemachte Energie kostet pro Kilowattstunde nur ein Drittel bis die Hälfte dessen, was die Versorger in Rechnung stellen. Was die Haushalte nicht selbst nutzen können, speisen sie ins Stromnetz. Dafür erhalten sie nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine fixe Vergütung. Die liegt allerdings unter den Erzeugungskosten – und das, obwohl Strom doch an der Börse gelegentlich deutlich mehr wert ist als der ausgezahlte Betrag.

Das EEG gibt Anlagenbetreibern aber auch die Möglichkeit, alternativ von der Preisentwicklung am Markt zu profitieren: Sie können ihren überschüssigen Solarstrom auch zum Marktwert an einen sogenannten Direktvermarkter verkaufen. Da der Wert oft unter der festen Einspeisevergütung liegt, gibt es eine sogenannte Marktprämie obendrauf, die diese Lücke schließt. "Die Marktprämie dient als Absicherung: Sie gewährleistet, dass die Anlagenbetreiber in jedem Fall nicht weniger Geld bekommen als mit der Einspeisevergütung", erläutert Jörg Sutter von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Schießen jedoch so wie im vergangenen Jahr die Börsenpreise in die Höhe, können sie mit diesem Modell sogar mehr Geld erlösen.

Allerdings sind die Angebote zur Direktvermarktung laut Sutter meist an den Kauf oder die Miete einer Photovoltaik-Anlage sowie an den Abschluss eines Stromvertrages gekoppelt. Wer ein solches Angebot nutzen möchte, bindet sich also in mehrfacher Hinsicht an einen Anbieter. Zudem sind die Haushalte verpflichtet, zusätzliche Technik zu installieren, um den Strom verkaufen zu können.

"Die Direktvermarkter müssen die Erzeugungswerte permanent auslesen können. Außerdem ist derzeit vorgeschrieben, dass die Netzbetreiber die Anlage fernsteuern können. Damit entstehen den Betreibern Aufwand und Kosten", erklärt der Verbraucherschützer. Allerdings hat das Bundeswirtschaftsministerium jetzt einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Anforderungen bei kleinen Photovoltaik-Anlagen deutlich reduzieren soll. "Da wird die Direktvermarktung für Haushalte in Zukunft voraussichtlich interessanter", sagt Sutter.

3. V2G: Stromhandel mit E-Auto-Batterien

Elektroautos sind im Grunde nichts anderes als Batterien auf Rädern – das Akkupaket ist das mit Abstand wertvollste Bauteil des Fahrzeugs. Viele Stunden des Tages stehen die rollenden Speicher aber ungenutzt in der Garage. Eine verschenkte Chance: Haushalte könnten am Strommarkt Geld verdienen, indem sie dort bei niedrigen Börsenpreisen Energie aus dem Netz einspeichern und bei hohen Preisen wieder zurückspeisen.

Fachleute sprechen bei diesem Konzept von "Vehicle to Grid" (V2G), den Stromfluss in beide Richtungen nennen sie "bidirektional". Haushalte könnten so am Spotmarkt pro Jahr mehrere Hundert Euro erlösen, wie ein unter anderem von BMW und der Münchener Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft (FfE) durchgeführter Pilotversuch zeigt.

Könnten – denn in der Praxis fällt die Rechnung bislang noch ganz anders aus. "Für den Strom aus dem Netz müssen die Haushalte heute Steuern, Abgaben und Umlagen zahlen, selbst wenn sie ihn nur im Fahrzeug zwischenspeichern wollen. Damit ist der Kaufpreis in der Regel höher als der mögliche Verkaufspreis", erklärt Timo Kern von der FfE. Dazu kommt, dass die wenigen heute verfügbaren bidirektionalen Wallbox-Modelle fünf bis zehn Mal teurer sind als konventionelle Ladegeräte. Auch gibt es hierzulande bislang kaum Automodelle mit Speicher, der Strom zurückspeisen kann.

All das werde sich aber in den nächsten Jahren ändern, ist Kern überzeugt. "Viele Unternehmen haben angekündigt, schon bald bidirektionale Wallboxen auf den Markt zu bringen. Damit werden die Preise schnell stark sinken." Die Autobranche setzt ebenfalls auf dieses Konzept. "Alle großen Hersteller wollen demnächst auf dem deutschen Markt Modelle mit bidirektionalem Speicher anbieten", sagt Kern. Und auch die gesetzlichen Hürden sollen fallen: Die Bundesregierung hat angekündigt, den rechtlichen Rahmen so zu überarbeiten, dass V2G wirtschaftlich wird.

Verwendete Quellen:

Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

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