Berlin - Zu spät, zu wenig, zu viele Abzüge: Vielen Menschen bereitet ihre spätere Rente Sorge. Doch nicht alle Annahmen oder Vorurteile bestätigen sich in der Praxis. Einige können Sie getrost ad acta legen.
1. "Die Rentenkasse legt meine eingezahlten Beiträge an - und zahlt sie mir später als Rente aus."
Das stimmt so nicht. Das Rentensystem funktioniert via Umlageverfahren. Das bedeutet, dass ein Großteil der eingezahlten Beiträge von Versicherten direkt an Rentnerinnen und Rentner ausbezahlt wird. Nur eine kleine Reserve wird zurückbehalten, die unerwartete Schwankungen ausgleichen soll, schreibt die Zeitschrift "Finanztest" (10/2022).
Stattdessen bekommen Versicherte für ihre eingezahlten Beiträge Rentenpunkte gutgeschrieben, aus denen sich später ihre jeweilige Rente errechnet. Die Rente der heutigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler wird dann von den nachfolgenden Generationen erwirtschaftet. Deshalb spricht man auch vom Generationenvertrag.
2. "Das Rentensystem ist am Ende."
"Das ist sehr unwahrscheinlich", so "Finanztest". Das Rentensystem mit seinen rund 77 Millionen Versicherten, Rentnerinnen und Rentnern stehe nicht vor dem Kollaps. Im Gegenteil: Das Umlageverfahren schütze sogar recht zuverlässig vor unvorhersehbaren Entwicklungen auf den Kapitalmärkten - weder Finanzkrise noch Corona-Pandemie hätten dem System nachhaltig Probleme bereitet.
Eine hohe Arbeitslosigkeit und eine alternde Bevölkerung seien zwar für das Umlagesystem ungünstig. Dem könne die Politik aber mit Anpassungen an verschiedensten Stellen begegnen - etwa durch Erhöhung des Renteneintrittsalters oder einer Erweiterung des Versichertenkreises um Beamte und Selbstständige.
Staatliche Zuschüsse, die der Bund leistet, seien hingegen nicht dazu da, die Rentenversicherung zu subventionieren, teilt die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) mit. Damit werde lediglich ein Großteil der Kosten sogenannter nicht beitragsgedeckter Leistungen erstattet, die die DRV für den Bund erbringt, ohne dafür Beiträge erhalten zu haben. Solche Leistungen, wie etwa die Berücksichtigung von beitragsfreien Kindererziehungszeiten, würden aus Steuermitteln finanziert, weil sie nicht nur den Versicherten der Rentenversicherung, sondern der Allgemeinheit zugutekämen.
3. "Wenn ich im Osten arbeite, bekomme ich weniger Rente."
"Im Gegenteil", teilt die DRV mit. "Beschäftigte im Osten bekommen für das gleiche Gehalt mehr Rente als Beschäftigte im Westen." Jedenfalls noch. Denn bis Ende 2024 werden Ostgehälter mit einem Umrechnungsfaktor aufgewertet, was bei gleichem Einkommen zu einer geringfügig höheren Rente führt.
Bis Juli 2024 sollten aber die Rentenwerte von Ost und West angeglichen werden. Durch die bevorstehende Rentenerhöhung, die im Osten etwas größer ausfällt als im Westen, wird dieses Ziel nun schon ein Jahr früher erreicht.
4. "Ob ich eine Ost- oder Westrente bekomme, hängt davon ab, wo ich wohne."
Das stimmt nicht, sagt "Finanztest". Ob Versicherte eine Ost-, West- oder Mischrente bekommen, hängt nicht von ihrem Wohnort, sondern von ihren jeweiligen Beschäftigungsorten ab. Wer sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern gearbeitet hat, dessen Rente berechnet sich aus den Teilwerten von Ost und West, so Finanztest. Auch spätere Rentenerhöhungen bemessen sich anteilig nach den Beschäftigungszeiten in Ost und West.
5. "Die Rente sinkt immer weiter ab."
"Die individuellen Renten sinken nicht, vielmehr steigen sie", teilt die Deutsche Rentenversicherung Bund mit. Einer Prognose der Bundesregierung im aktuellen Rentenversicherungsbericht zufolge steigen die Renten bis zum Jahr 2036 um gut 43 Prozent. Der Grund: Die Renten folgen der Lohnentwicklung. Bei steigenden Löhnen steigen auch die Renten. Bei sinkenden Löhnen greift eine gesetzliche Rentengarantie, die das Absinken der Renten verhindert. Erst zum 1. Juli werden die Renten in Ost und West wieder angehoben - um 5,86 beziehungsweise 4,39 Prozent.
Aber: Der Anteil der zu versteuernden Rente steigt dafür kontinuierlich an. Wer zum Beispiel 2023 in Rente geht, zahlt nur auf 83 Prozent seiner Rente Steuern, heißt es vom Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe. Bis zum Jahr 2040 steigt dieser Anteil auf 100 Prozent an. Von der Steuer befreit bleibt nur, wessen Rente niedriger als der Grundfreibetrag von derzeit 10 908 Euro pro Jahr ist. Für verheiratete Ehepaare verdoppelt sich der Grundfreibetrag, so die DRV.
6. "Die Rente wird ab dem Renteneintritt automatisch überwiesen."
Auch das ist ein Irrglaube. Bis auf den Grundrentenzuschlag müssten alle Leistungen aus der Rentenversicherung beantragt werden, teilt die DRV mit. Und damit sollten Versicherte nicht bis auf den letzten Drücker warten. Die DRV rät, den Rentenantrag bereits drei Monate vor dem geplanten Renteneintritt zu stellen.
7. "Wenn ich 45 Jahre eingezahlt habe, kann ich mit 63 ohne Abzüge in Rente gehen."
Das stimmt zumindest nicht immer, so die DRV. Wer 45 Jahre Beiträge gezahlt hat, hat zwar grundsätzlich Anspruch auf die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Abzüge - allerdings erst nach Erreichen der entsprechenden Altersgrenze. Je nach Geburtsjahr liegt diese zwischen 63 und 65 Jahren.
8. "Wenn ich vorzeitig in Rente gehe, enden die Abschläge mit Erreichen der regulären Altersrente."
Falsch. Wer vor Erreichen der regulären Altersgrenze in den Ruhestand geht, büßt für jeden Monat 0,3 Prozent der Rente ein. "Diese Abzüge bleiben auch nach Erreichen der Regelrentenzeit bestehen", heißt es auf der Webseite der DRV.
9. "Die letzten Beschäftigungsjahre vor der Rente sind besonders wichtig."
Das kann man so pauschal nicht sagen. Die Rentenhöhe hängt vom gesamten Versicherungsleben ab, nicht von den Einzahlungen der letzten Arbeitsjahre. Aber: Bei den meisten Versicherten steigen die Gehälter im Laufe des Berufslebens an, in den Jahren vor Renteneintritt sind diese daher oft sehr viel höher als beispielsweise zum Berufseinstieg. Der Rentenzuwachs ist in diesen Jahren also besonders groß.
10. "Eine Hinterbliebenenrente steht nur Ehefrauen zu."
Das stimmt nicht. Sowohl Frauen als auch Männer haben laut DRV Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Voraussetzung ist, dass der verstorbene Ehepartner mindestens fünf Jahre lang Rentenbeiträge eingezahlt hat. © dpa
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