- Wegen der sinkenden Inzidenzen hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht die Maskenpflicht infrage gestellt.
- Inzwischen hat sich der Vorstoß zu einer landesweiten Debatte entwickelt.
- Experten sind sich in dem Thema derweil relativ einig und halten Lockerungen für sinnvoll – allerdings nur im Freien.
In der Diskussion über die Maskenpflicht gibt es kaum Widerspruch gegen Lockerungen im Freien - aber viele Warnungen von Experten und Politikern vor zu frühem Verzicht in Innenräumen.
"Wenn wir in puncto Impfquote bei 70 Prozent angelangt sind und die Inzidenzen weiterhin auf niedrigem Niveau bleiben - dann ist der richtige Zeitpunkt für solche Diskussionen gekommen", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag) mit Blick auf Innenräume.
Experten befürworten Lockerung bei Maskenpflicht – aber nur im Freien
Derzeit haben rund 26 Prozent der Bürger die für den vollen Impfschutz nötige Impfdosis bekommen - wenn man die zweiwöchige Wartezeit bis zur vollen Wirkung einbezieht, sind erst knapp 18 Prozent voll impfgeschützt. Bis zu 70 Prozent Impfquote wird es also noch Monate dauern.
Um die Maskenpflicht generell aufzuheben, sollte nach Ansicht des Leipziger Epidemiologen Martin Scholz bis zum regulären Ende der Impfkampagne gewartet werden, wie er dem Nachrichtenportal "Watson" sagte. Die Bundesregierung hat jedem bis Ende September ein Impfangebot versprochen.
Gleichwohl befürwortet er ebenso wie der Intensivmediziner Marx und die Braunschweiger Helmholtz-Virologin Melanie Brinkmann Lockerungen im Freien.
"Da die Verbreitung der Erreger über Aerosole draußen kaum ein Thema ist, könnten wir im Freien gut auf Masken verzichten", sagte Brinkmann der "Braunschweiger Zeitung" (Dienstag).
Marx riet aber, in Menschenansammlungen auch draußen eine Maske zu tragen, etwa beim Schlangestehen oder an Bushaltestellen.
Länder ernten für Masken-Regeln an Schulen Kritik
Zugleich kritisierte Brinkmann, dass Schüler in Niedersachsen bei weniger als 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche im Unterricht keine Masken mehr tragen müssen, obgleich Kinder in der Regel nicht geimpft und Schnelltests nur bedingt zuverlässig sind. "Es ist ein Stück zu früh", sagte sie. "Wir haben doch bald Sommerferien. Die paar Wochen hätten wir doch noch warten können."
Auch Mecklenburg-Vorpommern hat die Maskenpflicht im Schulunterricht bereits aufgehoben. Allerdings liegt dort die Inzidenz unter fünf. Ähnlich sieht man es in Baden-Württemberg.
Sofern die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region unter 35 liegt und es zwei Wochen an der Schule keinen Corona-Ausbruch gab, soll die Maskenpflicht "im Unterricht in allen Schulformen" wegfallen, kündigte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart an.
Bereits bei einer Inzidenz von unter 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern und Woche soll die Maskenpflicht auf den Pausenhöfen wegfallen.
Wie am Montag bereits der Lehrerverband, warnte auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) davor, die Maskenpflicht in Schulen jetzt abzuschaffen. "Viele Klassenräume lassen sich nicht richtig lüften. Zudem gibt es bei der Bereitstellung und Einrichtung von Lüftungsanlagen noch erheblichen Nachholbedarf", erklärte GEW-Chefin Maike Finnern beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Viele Lehrkräfte seien auch noch nicht vollständig geimpft.
Lambrecht stößt Diskussion über Maskenpflicht an
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Wochenende darauf verwiesen, dass die Länder laufend prüfen müssten, ob und wo die Maskenpflicht noch verhältnismäßig ist.
Sie ist in Verordnungen der Länder geregelt. Für draußen gibt es zum Beispiel Vorgaben für belebte Plätze und Einkaufsstraßen, teils auch für Spielplätze.
Unionsfraktionsvize Stephan Stracke und die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche äußerten sich in der "Welt" ebenfalls vor einem vorschnellen Aussetzen der Maskenpflicht.
Lockerungen in einigen Bundesländern bereits beschlossen
Dennoch werden in einigen Bundesländern bereits Tatsachen geschaffen. So muss in Hamburg etwa ein Mund-Nasen-Schutz ab dem Wochenende nur noch an Orten im Freien getragen werden, wo es besonders eng ist, wie Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag bekanntgab. Auf Wochenmärkten und in Innenräumen sowie in Bussen und Bahnen bleibt die Maskenpflicht vorerst bestehen.
In Berlin werden die Regeln ebenfalls gelockert. Auf den Bürgersteigen von Einkaufsstraßen und auf sehr belebten Plätzen, für die das bisher vorgeschrieben war, müssen keine Masken mehr getragen werden - bis auf Stellen, an denen kein Mindestabstand möglich ist. Auch im Zoo und im Tierpark fällt im Freien die Maskenpflicht weg. Das hat der Berliner Senat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag beschlossen. Dagegen gibt es keine Änderung bei der Maskenpflicht für Busse und Bahnen. Im ÖPNV müssen weiterhin FFP2-Masken getragen werden.
In Sachsen-Anhalt muss im öffentlichen Personennahverkehr und in Geschäften künftig nur noch ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske fällt dort damit künftig weg. Das sei angesichts des warmen Wetters eine Erleichterung, so Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Der Schritt ist Teil mehrere Corona-Lockerungen, die in Sachsen-Anhalt noch vor dem Wochenende in Kraft treten sollen.
Abseits der Lockerungen an Schulen stellte auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha in weiteren Bereichen Lockerungen der Maskenpflicht in Aussicht. Etwa draußen im öffentlichen Raum, in offenen gut durchlüfteten Bahnhöfen und Bushaltestellen.
Dennoch warnte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor zu schnellen Öffnungsschritten. Man dürfe nicht vergessen, dass die Inzidenz noch 20 Mal höher sei als vor einem Jahr. "Leute, seid nicht übermütig, das bezahlen wir sonst bitter", sagte er. Man könne nicht das Risiko einer vierten Welle eingehen. Für Besucher von größeren Sportveranstaltungen will er die Maskenpflicht keinesfalls lockern - auch wenn diese im Freien stattfinden. "Ich sehe das bei der EM, das geht mal gar nicht." (dpa/thp)
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