Die Frage um die verpflichtende Nutzung einer Smartphone-App zur Nachverfolgung von Infektionsketten und somit zur Eindämmung der Corona-Pandemie spitzt sich zu. Dabei wird ein Stufenplan auf dem Weg zur Pflicht unabdingbar. Doch wie könnte dieser Plan aussehen?

Rolf Schwartmann
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Rolf Schwartmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Epidemiologen sind sich einig: Die Nachverfolgung von Infektionsketten ist vielleicht das entscheidende Element der Pandemiebekämpfung. Eine "Tracing-App“, die von der vorhandenen sog. "Corona-Datenspende-App“ zu unterscheiden ist, soll bald verfügbar sein. Der Gesetzgeber wird bald handeln müssen, wenn er sie zur Pflicht auf jedem Handy machen möchte. Der Staat muss in einem Stufenplan zunächst testen, ob die freiwillige App hilft. Bevor aber die Unwilligen und Unentschieden die Pandemie treiben, ist unter engen rechtlichen Voraussetzungen eine App-Pflicht diskutabel.

Mehr aktuelle News

Daten müssen nach der Pandemie gelöscht werden

Die aktuell diskutierten Tracing-Apps sind auf datenschutzrechtlich hohem Niveau konzipiert. Das müsste sich in der Programmierung wiederfinden. Viel hängt von der Qualität des Algorithmus ab, mit dem die Daten verschlüsselt werden und von den Schutzmaßnahmen auf den Endgeräten. Die Institution, bei der die pseudonymen Daten zusammenfließen, trägt als Datentreuhänder erhebliche Verantwortung und braucht feste, gesetzlich vorgegebene Regeln für den Umgang mit den ihr anvertrauten Infektionsdaten. Sie müssen nach der Pandemie gelöscht oder anonymisiert werden. Wir brauchen zwingend Transparenz, Nachvollzieh- und Kontrollierbarkeit der Technik. Eine App darf keine Blackbox sein.

Bei der Mundschutzpflicht hängt die verpflichtende Anordnung von der Wirksamkeit, ausreichenden Verfügbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Mittels ab. Für eine App-Pflicht darf insofern nichts anderes gelten, wenn sie den Datenschutz wahrt. Wir brauchen aber einen Stufenplan.

Stufe 1: Die App wird freiwillig von genügend Menschen installiert und die Kurve sinkt. Wenn Stufe 1 versagt, weil sich nicht genügend Freiwillige finden, brauchen wir Stufe 2: Eine "App-Pflicht“.

Installationspflicht ja, aber Überwachungsdruck nein

Dann kommt es auf Details an. Die App dürfte keine verfolgbaren Gesundheitsdaten enthalten. Das gewährleisten die Modelle, die per Bluetooth übertragene pseudonyme Daten abgleichen. Durch die Installationspflicht dürfte aber auch keinen Überwachungsdruck beim Nutzer entstehen.

Den gäbe es nicht, wenn nur die Installation überprüft würde und die App ausschließlich ihren Nutzer ohne Ansehen einer Person auf einen Kontakt zu einem Infizierten in der Vergangenheit hinweisen würde. Würde es dann ohne staatliche Kontrolle dem Nutzer überlassen bleiben, wie er mit der Information umgeht und würde sein Verhalten niemand kontrollieren können, würde die App auch im juristischen Sinne verhältnismäßig sein. Die Lösung enthielte noch wesentliche Elemente einer freiwilligen Nutzung der App, weil nicht kontrolliert werden könnte, ob der Nutzer die Warnung beherzigt.

So würde das zentrale Ziel erreicht, die App für die Dauer der Pandemie flächendeckend einzusetzen und alle Handynutzer warnen zu können. Jeder könnte sich freiwillig anlassbezogen testen lassen und man erhielte flächendeckende, verlässliche Zahlen über Infektionen. Man würde die App als Mittel zur Bekämpfung der Pandemie einsetzen und bei Nutzung die Fortbewegungsfreiheit gestatten. Man hätte ohne nennenswerte datenschutzrechtliche Belastung die Bürger in die Pflicht zur Solidarität genommen. Greift die Freiwilligkeit nicht, muss der Staat verhältnismäßige Maßnahmen an der Grenze der Freiheit vollziehen, um sie zugleich zu sichern.

Alle Entwicklungen rund um das Coronavirus in unserem Live-Blog

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.