Gesundheitspolitiker versprechen sich von einer Warn-App Unterstützung beim Plan, die geltenden Corona-Einschränkungen zu lockern. Doch gerade die besonders Gefährdeten werden vermutlich nur unterdurchschnittlich profitieren.
Das technische Konzept von Google und Apple für eine Corona-Warn-App kann nach Einschätzung von Experten auf vielen älteren Smartphone-Modellen nicht umgesetzt werden. Die Funk-Technik "Bluetooth Low Energy" werde von rund zwei Milliarden Geräten weltweit nicht unterstützt, sagte Neil Shah, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Counterpoint Research, der "Financial Times" (Montag). Auf jedem vierten Smartphone funktioniert demnach die moderne Bluetooth-Variante nicht. Hinzu kommt, dass viele Menschen nur ein einfaches Handy haben oder gar kein Mobiltelefon.
"Die grundlegenden technologischen Einschränkungen liegen in der Tatsache begründet, dass immer noch etliche Telefone in Gebrauch sind, die nicht über die notwendige Bluetooth-Variante oder das neueste Betriebssystem verfügen", sagte Ben Wood, Analyst beim Marktforschungsunternehmen CCS Insight. Betroffen wären überdurchschnittlich viele ärmere und ältere Menschen, die kein aktuelles Smartphone haben - und auch zu den am stärksten von Covid-19 bedrohten Bevölkerungsgruppen gehören.
"Wenn Sie zu einer benachteiligten Gruppe gehören und ein altes Gerät oder ein Telefon nur mit Grundfunktionen besitzen, werden Ihnen die Vorteile entgehen, die diese App potenziell bieten könnte", sagte Wood. "Bluetooth Low Energy" soll verwendet werden, um die Nähe zwischen zwei Geräten zu erkennen. Damit soll ein Konzept ermöglicht werden, um mögliche Infektionen mit dem Coronavirus zu erkennen und Infektionsketten zu unterbinden.
Erinnerung an Aufenthaltsorte soll erleichtert werden
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte vergangene Woche angekündigt, dass sich der Start der Corona-Warn-App verzögern wird. "Aus heutiger Sicht sind es eher vier Wochen als zwei Wochen, bis wir tatsächlich dann eine haben, die auch alle Anforderungen voll erfüllt", sagte der CDU-Politiker.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) sagte, im Kampf gegen eine Ausbreitung des Virus könnten Tracing-Apps einen Beitrag leisten. Damit werde Infizierten geholfen, sich an ihre Aufenthaltsorte zu erinnern, sagte er im "RTL/ntv-Frühstart". Seine Behörde werde darauf achten, dass Daten nur für den eigentlichen Zweck gespeichert und nicht an Dritte weitergegeben würden.
Eine solche App müsse ohne zentrale Datenspeicherung arbeiten können, betonte Kelber. Zweck sei, Nutzern einen Hinweis zu geben, damit sie bei einem Kontakt mit einem Infizierten die Infektionskette unterbrechen können. Bislang aber habe er "noch nicht die Hand auf einer App", die er auch prüfen könne.
Verschiedene Speichermodelle möglich
Um die Frage, ob die Daten der Tracing-App anonymisiert auf einem zentralen Server gespeichert werden können oder dezentral auf den jeweiligen Smartphones abgelegt werden sollten, wird seit Tagen in der Szene diskutiert. Die von den Fraunhofer-Instituten mitgetragene PEPP-PT-Initiative bevorzugt eine zentrale Lösung, weil dadurch leichter die Warn-Hinweise versendet werden können. Außerdem könnten die Daten anonymisiert für die Forschung verwendet werden. Das Konzept schließt aber auch eine dezentrale Datenhaltung nicht aus. Die Entscheidung soll bei den jeweiligen Gesundheitsbehörden liegen.
Die DP-3T-Initiative, die unter anderem von Forschern an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL/EPFL) und TU München unterstützt wird, befürwortet dagegen das dezentrale Modell, weil dadurch ein Missbrauch von einem zentral vorgehaltenen Datenbestand prinzipiell ausgeschlossen wird.
Der in IT-Fragen versierte Jurist Ulf Buermeyer sagte am Wochenende, beide Speichermodelle hätten sowohl aus technischer Sicht als auch aus Sicht des Datenschutzes Vor- und Nachteile. Zwar klinge eine zentrale Serverlösung zunächst immer schlecht, "weil an einem zentralen Ort Daten abgegriffen werden könnten", sagte der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) im Podcast "Lage der Nation". Die dezentrale Lösung führe aber dazu, dass alle Geräte die sensiblen Daten untereinander kommunizieren müssten. Damit könne eine potenzielle Datenschutzlücke entstehen. © dpa
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