Es sind nur drei Worte, aber sie können das Leben völlig auf den Kopf stellen: "Es ist aus". Manchmal trifft es die Betroffenen überraschend, doch in den meisten Fällen kündigt sich eine Trennung schon vorher an. Welche Anzeichen darauf hindeuten, dass es in einer Beziehung kriselt, erklärt der Trennungscoach Torsten Geiling.
Herr Geiling, wie oft kommt eine Trennung wirklich überraschend für die verlassene Person?
Torsten Geiling: In den seltensten Fällen merkt der Partner im Vorfeld nichts davon. Auch wenn sich jemand plötzlich in eine andere Person verliebt, ist das oft ein Zeichen dafür, dass in der Beziehung etwas nicht stimmt. In 99,9 Prozent der Fälle kündigt sich eine Trennung an.
Und wie genau?
Wenn man ehrlich zu sich selbst ist, merkt man, dass die Beziehung nicht mehr stimmt. Viele Klientinnen und Klienten haben bereits mehrere Versuche unternommen, Gespräche zu führen und eine Lösung zu finden. Oft hat es nicht geklappt, weil sie feststellen mussten, dass der Partner sich nicht ändern möchte. Oder es wird eine Paartherapie begonnen, aber beide Partner sind nicht bereit, aufeinander zuzugehen und Kompromisse zu finden.
Gibt es noch weitere Anzeichen, dass eine Beziehung vor dem Aus steht?
Ich glaube, wenn die Liebe und die Wertschätzung des anderen in einer Beziehung verloren gegangen ist, obwohl sie beiden vorher wichtig waren, dann ist das ein Zeichen. Natürlich kann die Leidenschaft mit den Jahren nachlassen, vor allem wenn Kinder kommen und die Partnerschaft in den Hintergrund tritt.
Lesen Sie auch
Und wie kann man dem vorbeugen?
Man sollte auch als Eltern aufpassen, sich als Paar nicht aus den Augen zu verlieren und sich regelmäßig, mindestens einmal in der Woche, eine Auszeit nehmen. Oft liegt der Schlüssel auch in einer offenen Kommunikation.
Können Sie ein Beispiel dafür geben?
Wenn zum Beispiel ein Partner den Wunsch nach Sex äußert und der andere sagt, er sei zu müde, dann kann man sich gemeinsam auf einen anderen Tag einigen. Dann ist der eine Partner zwar immer noch unbefriedigt, aber er weiß wenigstens, woran er ist. Wenn man alles in sich hineinfrisst und denkt, der Partner muss merken, dass es einem nicht gut geht, dann ist das eine falsche Erwartungshaltung.
Was kann man stattdessen machen?
Je offener ich meine Wünsche adressieren kann, desto besser ist es für die Beziehung. Das ist auch ein Learning, das ich meinen Klientinnen und Klienten mit auf den Weg in eine neue Beziehung gebe: Baut die Kommunikation von Anfang an offener auf, um frühzeitig zu erkennen, wo es Probleme gibt und ob es überhaupt noch passt.
Angenommen, es kommt zu der Situation, dass die Partner aneinander vorbeileben. Kommt es dann zwangsläufig zur Trennung?
Ich habe immer wieder Klienten, deren Partner es akzeptieren, dass sie aneinander vorbeileben. Sie haben teilweise schon getrennte Schlafzimmer und getrennte Freunde, fahren aber noch zusammen in den Urlaub und verstehen sich gut. Aber sie sind eher Freunde als ein erotisches Liebespaar. Für viele ist das in Ordnung, weil sie diese Dynamik vielleicht aus ihrem Elternhaus kennen. In solchen Fällen ist es wichtig zu überprüfen, ob die Vorstellungen des Partners noch mit unseren übereinstimmen. Oder ob wir uns opfern, um die Beziehung zu erhalten, aus welchen Gründen auch immer.
Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Menschen eine Trennung absichtlich hinauszögern, weil sie wichtige Termine wie Geburtstage oder Weihnachten abwarten wollen?
Ja, das ist definitiv etwas, was ich oft sehe. Niemand trennt sich gerne und viele Menschen scheuen das Trennungsgespräch. Viele haben Angst davor, weil es ihnen unangenehm ist und sie ihren Partner nicht verletzen möchten. Oft ist es so, dass den Klienten noch was an ihrem Partner liegt. Oder sie machen sich Sorgen, wie der andere ohne sie zurechtkommt.
Haben sie dafür Beispiele?
Kürzlich hatte ich eine Frau in der Beratung, die sich Sorgen machte, weil ihr Mann außer ihr kaum Freunde hat. Oder ein Mann, der in der Beziehung finanziell alles geregelt hat und sich fragt, ob seine Frau das ohne ihn organisieren kann und zurechtkommt.
Gibt es weitere Hindernisse?
Ein weiteres Hindernis ist die Angst vor dem Trennungsgespräch. Manche haben Angst, das Gespräch nicht zu überstehen oder es später zu bereuen. Sie schieben die Trennung vor sich her und hoffen auf einen günstigen Zeitpunkt. Ein Urlaub steht an oder der Geburtstag der Schwiegermutter, dann kommt Ostern. Und so geht es Monat für Monat.
Was raten Sie in dieser Situation?
Ich vergleiche es mit einer Prüfung. Wenn man den Führerschein machen will, muss man sich irgendwann der Prüfung stellen, auch wenn es unangenehm ist. Mit dem Trennungsgespräch ist es ähnlich. Wenn man sich entschieden hat, dass man sich trennen will, muss man die Verantwortung übernehmen und das Gespräch führen. Dann muss ich auch die Rolle des "Bösen" übernehmen, weil ich es meinem Partner nicht recht machen kann. Denn in den seltensten Fällen ist der verlassene Partner mit der Trennung einverstanden. Und hier setze ich an. Ich helfe meinen Klienten, sich auf dieses Gespräch vorzubereiten und die Verantwortung für ihre Entscheidung zu übernehmen. Was ich nicht mache, ist beim Trennungsgespräch dabei zu sein und es zu moderieren, denn das ist letztlich die Verantwortung und Lebensentscheidung meiner Klienten.
Weitere News gibt's in unserem WhatsApp-Kanal. Klicken Sie auf "Abonnieren", um keine Updates zu verpassen.
Über den Gesprächspartner
- Torsten Geiling ist Kommunikationswissenschaftler und systemischer Coach. Er berät und begleitet Menschen, die sich trennen wollen, vor, während und nach einer Trennung und gibt Seminare zum Thema. Sein Trennungsratgeber trägt den Titel "Ich will mich trennen".
Verwendete Quellen
- Telefoninterview mit Torsten Geiling
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.