Windows 10 kommt in wenigen Wochen auf den Markt. Im ersten Teil unseres Interviews mit Markus Nitschke, Leiter des Geschäftsbereichs "Consumer" bei Microsoft, und "Enthusiast Marketing Manager Windows" Boris Schneider-Johne ging es um das Betriebssystem an sich. Teil 2 dreht sich um den neuen Microsoft-Browser "Edge" und die persönliche Assistentin "Cortana".
Mit Windows 10 hat Microsoft auch den Browser "Edge" angekündigt. Vorneweg: Muss ich "Edge" benutzen oder kann ich auch weiterhin mit einem anderen Programm surfen?
Boris Schneider-Johne: Nennen wir die Kinder beim Namen. Sie können natürlich auch weiterhin Firefox, Chrome, Opera und alle anderen Programme installieren und nutzen. "Edge" ist zwar der Standardbrowser in der neuen Windows-10-Installation, aber der Nutzer wird weiterhin wählen können, wie er sich im Netz bewegt. Nur die Konkurrenz bietet nicht die Neuerungen, die wir in Windows 10 starten.
Der "Internet Explorer" gehört mit Windows 10 der Vergangenheit an und "Edge" übernimmt. Wie unterscheiden sich die beiden Programme?
Boris Schneider-Johne: Ich fange mal mit den Sachen an, die wir neu machen wollen: Das Ziel von Microsoft Edge ist es, wegzugehen vom reinen Browsen hin zu mehr Tun und mehr lokaler Intelligenz. Zu den großen Neuerungen gehört der Reading-Modus, den ich "Bändigung des dynamischen Webs" nenne und die Einbindung unserer virtuellen Assistentin "Cortana".
Dann fangen wir mit dem Reading-Modus an …
Boris Schneider-Johne: Man kennt das auch von anderen Browsern. Eine Webseite lässt sich mit "Edge" in ein Format verwandeln, dass sich einfach schöner lesen lässt. So kann ein Nutzer beispielsweise einen News-Artikel in eine Leseliste packen, die sich dann über alle seine Windows-10-Geräte synchronisiert. Das heißt, er kann einen längeren Artikel auf seinem PC lesen, dann entscheiden, auf dem Handy weiterzumachen. Dazu markiert er die Stelle im Text und liest an eben diesem Punkt auf seinem Mobiltelefon in einer handyfreundlichen Ansicht weiter.
Kommen wir zum zweiten Punkt: Was meinen Sie denn mit "das dynamische Web bändigen"?
Boris Schneider-Johne: Dynamisches Web bedeutet: Wenn ich heute auf eine Webseite surfe, dann ändert sie sich zum einen mit der Zeit – man denke an die ganzen Nachrichten-Seiten. Zum anderen: Besuche ich die Seite eines Mode-Händlers, wo meine Lebensgefährtin und ich ein Konto haben, sehe ich beispielsweise andere Produkte als mein Partner, da die Seite für mich personalisiert ist. Damit sind Nachfragen wie "Denkst du, dass die Schuhe zu mir passen?" schwierig. Denn während ich Herrenschuhe angezeigt bekomme, werden meiner Lebensgefährtin nur High Heels ausgespielt, wenn ich ihr den Link weiterleite. Hier haben wir mit Edge den Vorteil, dass ich eine Webseite, so wie ich sie sehe, einfrieren und zusätzlich mit Notizen versehen kann. Dabei bleibt die Funktion der gespeicherten Seite unberührt, alle Links funktionieren beispielsweise weiterhin. Zudem lässt sich die Seite auch verschicken. Kurz gesagt: Mit Edge kann man dynamische Webseiten archivieren und mit Bemerkungen versehen, diese Dokumente lassen sich dann bei voller Funktionalität weiterleiten. Das ist für uns ein sehr wichtiges Feature, was wir in der bisherigen Browser-Struktur so nicht abbilden konnten.
Bleibt noch "Cortana", die digitale Microsoft-Assistentin. Wie kann sie das Browsen für mich vereinfachen?
Boris Schneider-Johne: "Cortana" versucht herauszufinden, was der Nutzer in einem bestimmten Kontext wohl wahrscheinlich als nächstes machen will, und das in ein spannendes Format zu bringen. Wenn ich ihr Zugriff auf meine persönlichen Daten erlaube, wozu man explizit zustimmen muss, dann lernt sie Dinge über mich als Nutzer und über mein Surfverhalten – kann mir so helfen, Dinge schneller zu erledigen. Ein paar Beispiele: In meinen Emails ist die Erinnerung an den Check-In für meinen Flug. Ich beginne also im Browser die Web-Adresse der Airline zu tippen, dann kann sich "Cortana" bereits einschalten und mich fragen: "Ich weiß über deine Mails, dass du heute eigentlich für einen Flug einchecken willst. Soll ich dich nicht direkt zur Check-In-Seite weiterleiten und das Formular für dich ausfüllen?". Oder ich markiere in einem Text den Namen "Angela Merkel" und frage "Cortana" nach weiteren Informationen. Dann blenden wir, ohne die normale Surfumgebung des Browsers zu verlassen, eine Seitenleiste ein, mit allen Informationen, die "Cortana" und unsere Suchmaschine Bing darüber haben. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist beispielsweise die Anzeige von Restaurant-Webseiten: Hier wollen wir künftig sofort Zusammenfassungen anbieten. Denn obwohl jede Seite anders aussieht, gibt es ein paar grundsätzliche Informationen, die man gliedern kann: Hier ist die Adresse, hier die Öffnungszeiten, an dieser Stelle kannst du einen Tisch reservieren und dort findest du den Weg zur Speisekarte. "Cortana" soll so das Web für den Benutzer etwas aktiver machen und Abkürzungen bringen.
Was bringt mir "Cortana" außerhalb des Browsers auf meinem Rechner?
Markus Nitschke: Was für uns und unsere Kunden immer wichtiger wird, ist, dass wir die Möglichkeiten mit einem Gerät in menschlicher Weise zu interagieren erweitern, egal ob Handy, PC oder Tablet. Sprich: Ich muss mich nicht mehr der Vorgehens- und Arbeitsweise einer Software oder eines Gerätes anpassen, sondern die Technik passt sich tatsächlich so an, wie ich Dinge tun möchte. Und hier kann "Cortana" den Nutzer sehr gut unterstützen.
Boris Schneider-Johne: Ein einfaches Beispiel um das zu erläutern: Ich habe gerade noch einen Zahnarzttermin ausgemacht. Klassische Methode: Ich nehme einen kleinen Zettel, schreibe "Zahnarzt" und "16:00 Uhr" darauf und klebe mir das an den Monitorrand. Das hat sich in den letzten Jahren ziemlich geändert. Jetzt ziehe ich mein Handy aus der Tasche, starte die Kalender-App, scrolle auf die passende Uhrzeit, fange dann langsam an zu tippen. Plötzlich habe ich mit der Technik einen eigentlich sehr einfachen Vorgang komplizierter gemacht und das wollen wir wieder zurückrollen. Mit einem Windows-10-Rechner und "Cortana" kann ich noch während ich am Telefon bin, sagen: "Hey 'Cortana', erinnere mich bitte morgen um 16:00 Uhr an den Zahnarzt." Dann erscheint noch ein Fenster mit einer Bestätigung, ob alles richtig erkannt wurde und es wird einen Kalendereintrag gemacht, ohne, dass ich irgendein Programm gestartet oder ein Userinterface benutzt habe.
Muss ich "Cortana" auch nutzen, wenn ich das nicht will? Vielleicht auch, weil ich nicht möchte, dass ein Programm so viel über mich erfährt?
Boris Schneider-Johne: Nein, das ist alles optional. Sie können auch bestimmen, in welcher Tiefe "Cortana" Daten nutzt, beispielsweise halbwegs anonym als interessante Suchmaschine, oder ich kann ihr beispielsweise auch Zugriff auf mein E-Mail-Postfach oder meine GPS-Daten gewähren. Das muss man aber explizit erlauben und es ist nicht gemeinerweise voreingestellt. Außerdem haben Sie immer die Möglichkeit, nachzusehen, was meine Assistentin über mich weiß und gegebenenfalls auch Informationen selektiv oder komplett zu löschen.
Ich bleibe als Nutzer also weiterhin der Herr meiner Daten und kann bestimmen was überprüft oder worauf Zugriff genommen wird?
Markus Nitschke: Absolut. Das ist ein sehr wichtiges Thema weltweit, gerade aber auch im deutschen Markt. Der Kunde kann zu jeder Zeit Einblick nehmen, was Cortana weiß und alles jederzeit selektiv ein- und ausschalten oder löschen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Lesen Sie hier Teil 1 des Interviews.
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