Mit einem Elektroauto hat sich Maserati lange Zeit gelassen: Die zweite Generation des sportlichen Reisewagens GranTurismo legen die Italiener auch in einer rein elektrischen Variante auf. Sie heißt Folgore, passenderweise das italienische Wort für Blitz, was die Marke auch als Bezeichnung für weitere kommende E-Modelle verwenden wird.
Optisch unterscheidet sich der Folgore nur marginal von seinen Verbrenner-Geschwistern Modena und Trofeo: Er hat rechts und links an der Front kleinere Lufteinlässe und anstelle des oben im linken hinteren Kotflügel sitzenden Tankstutzens trägt er einen Ladeanschluss links auf Höhe des Heckschwellers – und natürlich fehlen ihm die beiden Doppelendrohre; ein großer schwarzer Diffusor macht die Heckansicht sportlich genug. Seinen Luftwiderstands-Beiwert gibt Maserati mit guten 0,26 an.
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Karosse und Interieur
Auch innen gibt es kaum Unterschiede zu den Verbrenner-Modellen. Die Bildschirmmenüs sind auf den Elektroantrieb abgestimmt und die Farben des Startknopfs sind verschieden – zumindest bei den Prototypen, die wir sehen durften. Schaltpaddles gibt es trotzdem: Mit ihnen kann der Fahrer die Stärke der Rekuperation wählen. Ein Zug am rechten Paddle erhöht die Rekuperation, ein Zug am linken senkt sie ab. Ob der Folgore auch die Paddle-Einparkfunktion der Verbrenner-Modelle bekommt, ist noch nicht abschließend entschieden. Der Mitteltunnel bleibt beim Elektromodell ebenfalls erhalten – dort sitzt ein großer Teil der aus 32 Modulen bestehenden Batterie, die vor dem Mitteltunnel einen Würfel bildet und sich hinter den Rücksitzen T-förmig ausbreitet. Damit haben die Ingenieure erreicht, dass das gesamte Auto mit 1,35 Meter genauso niedrig bleiben konnte wie seine Verbrenner-Geschwister. Außerdem sitzen die Insassen sportlich nahe am Asphalt und der Akku soll den Fahrzeugschwerpunkt auch zwischen rechts und links stärker in der Mitte des Fahrzeugs konzentrieren. Hinzu kommt die ideale Gewichtsverteilung von 50 zu 50 Prozent zwischen vorn und hinten, was Hoffnung auf eine top Agilität macht.
Kleinerer Kofferraum
Beim Kofferraum muss der Folgore allerdings im Vergleich zu Modena und Trofeo ein paar Liter lassen: Während die Verbrenner 310 Liter packen können, sind es bei der Elektrovariante nur 270 Liter. Der Grund dafür sind die beiden an der Hinterachse sitzenden Elektromotoren, die eine angeschrägte Stufe in den Kofferraumboden zwingen. Immerhin haben die Konstrukteure rechts im Kofferraum noch für eine seitlich nach außen verlaufende Mulde gekämpft, die den Transport eines Golfbags möglich macht.
Ein Blick unter die Fronthaube bleibt Folgore-Kunden im Normalfall verwehrt: Im Gegensatz zu den Verbrennern lässt sich die riesige Aluminium-Haube bei der Elektrovariante nicht öffnen. GranTurismo-Entwicklungsleiter Sandro Bernardini freut sich, dass auch der Fahrtwind die aufwändig konstruierte Haube nicht bei 300 km/h öffnet – dafür sei eine ausgeklügelte Aerodynamik über und unter der Haube notwendig gewesen. Jetzt haben hier nur Fachleute Zugang – und diese sehen dann, dass der Folgore zwei Quer- und zwei Längsstreben für die Versteifung trägt. Den Verbrenner-Modellen reicht hier eine Querstrebe. Außerdem sitzt die 12-Volt-Batterie rechts im Frontmotorraum, beim Verbrenner ist sie im Heckbereich des Autos untergebracht. Und um trotz verschlossener Fronthaube den Wischwassertank des Elektromodells befüllen zu können, haben die Ingenieure dessen Einfüllstutzen an den Frontscheibenfuß verlegt. In der Ablaufrinne der Frontscheibe sitzt ein kleiner Drehverschluss, unter dem sich der herausziehbare Einfüllstutzen verbirgt.
Antrieb: drei Motoren, vier angetriebene Räder
Für den Antrieb sind im GranTurismo Folgore drei Permanentmagnet-Synchronmotoren zuständig – einer sitzt zentral an der Vorderachse, zwei sind rechts und links an der Hinterachse untergebracht.
Auf dem zentralen Frontmotor sitzt der Silizium-Karbid-Inverter (SiC-Inverter). SiC-Inverter sind kleiner und haben ein niedrigeres Gewicht sowie eine höhere Leistungsdichte als herkömmliche Silizium-Inverter, weshalb sie schneller und effizienter arbeiten. Sie wandeln den von der Batterie gelieferten Gleich- in Wechselstrom und umgekehrt den beim Rekuperieren gewonnenen Wechsel- in Gleichstrom um. Außerdem funktionieren die einfach skalierbaren SiC-Inverter besser mit der beim Folgore eingesetzten 800-Volt-Technik. Die Maserati-Ingenieure verweisen bei ihrem neuen SiC-Inverter auf ihre Entwicklungen für die Formel E, an der Maserati seit 2023 teilnimmt.
Torque Vectoring am Heck
Alle drei Motoren arbeiten vollkommen unabhängig voneinander; zwischen den beiden Heckmotoren gibt es also keine bewegliche mechanische Verbindung. Sie ermöglichen Torque Vectoring, also eine bedarfsgerechte Verteilung der Drehmomente zwischen rechtem und linkem Hinterrad – 100 Prozent der Kraft können somit am rechten oder linken Heckmotor anliegen. So wie die Verbrenner hat auch der Folgore einen voll variablen Allradantrieb – bei Bedarf schaltet sich der Frontmotor komplett ab.
Jeder Motor leistet 300 Kilowatt, also 408 PS. Als Systemleistung kommen dabei aber "nur" 560 kW (761 PS) heraus. Im Boostmodus sind 610 kW (829 PS) möglich. Das maximale Systemdrehmoment wird mit 1.350 Nm angegeben. Wie lange so ein Boost funktioniert, wollen die Ingenieure noch nicht verraten. Er ist nur in der Renneinstellung Corsa abrufbar – und die Ingenieure betonen, dass er deutlich länger als nur zehn Sekunden zur Verfügung steht. 560 kW leisten auch die Antriebe des Porsche Taycan Turbo S und des Mercedes-AMG EQS. Bei allen drei Fahrzeugen ist die Leistung durch die Batterie limitiert.
Eigener Akku für 450 Kilometer Reichweite
Der von Maserati entwickelte und im Turiner Stellantis-Werk Mirafiori produzierte Akku des Folgore hat eine Brutto-Kapazität von 92,5 Kilowattstunden, davon sind 83 kWh nutzbar. Nach WLTP soll eine Batterieladung 450 Kilometer Reichweite ermöglichen. Nachladen geht mit bis zu 270 kW – steht diese Ladeleistung tatsächlich zur Verfügung, sind innerhalb von fünf Minuten 100 Kilometer Reichweite nachgeladen. Beim Anheben der Ladung von 20 auf 80 Prozent vergehen 20 Minuten. Das Energie-Rückgewinnungssystem soll unter optimalen Bedingungen mit einer Leistung von bis zu 400 kW rekuperieren können.
Bei den Fahrleistungen überflügelt der Folgore seine Verbrenner-Geschwister: Auf 100 km/h schnalzt er in 2,7 Sekunden, 200 km/h sind angeblich nach 8,8 Sekunden erreicht – das wären 0,8 Sekunden weniger als beim Taycan Turbo S. Und während der Trofeo bis zu 320 km/h schnell ist, legt der Folgore mit bis zu 325 km/h sogar noch ein paar km/h drauf. Das Taycan-Top-Modell macht bei 260 km/h Schluss.
Markanter Kunst-Sound
Und auch bei seinem elektrischen GranTurismo möchte Maserati den ikonischen Sound des Vorgängers modernisiert fortführen. Also haben die Akustiker einen künstlichen Elektroklang entwickelt, der ein wenig wie ein synthetisierter Verbrenner-Sound klingt – auf jeden Fall gelungen und kraftvoll. Dafür sitzen im Heck des Autos zwei 120-Watt-Lautsprecher, die ausschließlich für den Motorsound da sind. Das gesamte Soundsystem des Folgore ist auf diesen Zusatzsound abgestimmt: Die künstlichen Frequenzen sollen nicht die Musik und Sprache aus dem Audiosystem stören oder dämpfen.
Marktstart und Preis
Bestellt werden kann der Maserati GranTurismo Folgore ab Ende Januar 2024. Als Grundpreis werden im Konfigurator 200.592 Euro genannt. Damit sortiert sich die Elektrovariante zwischen den beiden V6-Verbrennerversionen ein. © auto motor und sport
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