Zeit für einen detaillierten Blick auf den neuen Motor im Porsche-Regal. Was der 3,6-Liter-Hybrid-Boxer kann und wo die Reise hingeht – drei Erkenntnisse.

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Legen wir den Schminkspiegel mal beiseite, lassen alle kosmetischen Upgrades am neuen Porsche 911 992.2 außen vor und konzentrieren uns auf das Herzstück des überarbeiteten Portfolios: den hybridisierten Antriebsstrang des GTS-Modells. Mit dieser Neuerung läutet Porsche nicht weniger als ein neues Zeitalter für den Sportwagen-Klassiker ein. Schon jetzt überschlagen sich die Spekulationen hinsichtlich zukünftiger Einsatzmöglichkeiten. Von 1.000 PS und mehr in einem GT2 RS ab 2026 ist da beispielsweise die Rede. Dass der neu aufgelegte Boxer das Potenzial hat, in bislang unerreichte Sphären vorzustoßen, ist ganz ohne Spekulation erwartbar. Tauchen wir also ein in die Technik des neuen Hybrid-Elfers.

Video: Porsche 911 GTS: Neues Design trifft Hybridtechnik

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie als treuer Leser von auto motor und sport noch im Dunkeln tappen, hier zunächst die harten Fakten: Der Sechszylinder-Boxer im 911 GTS verfügt über 3,6 Liter Hubraum, leistet 485 PS und wird durch eine 40 kW starke permanenterregte Synchronmaschine im Gehäuse des PDK auf eine Systemleistung von 541 PS verstärkt. So treiben die Zuffenhausener ihre Ikone auf bis zu 312 km/h und in glatten drei Sekunden auf Landstraßentempo. Maximales Drehmoment der Antriebseinheit: 610 Newtonmeter. Ein Projektmanager beschreibt das Gefühl, das beim Anfahren entsteht, sehr treffend: Durch die Elektrifizierung ist der 911 im Antritt so kräftig wie sein Elektrobruder Taycan. Nur, dass der selbst als GTS ganze sieben Zehntel im Sprint auf den Hybrid verliert.

Erkenntnis 1: Der Hybrid-GTS ist schneller als der Elektro-GTS.

Die Elektro-Komponenten

Nun wissen Sie als Sportwagen-Fan, dass Performance immer eine Kombination aus Maßnahmen ist. Üblicherweise aus Leichtbau und Leistung. Dass der 992.2 GTS schwerer geworden ist als sein Vorgänger, ist keine Überraschung. Dass es nur 50 Kilo sind, vielleicht schon. Grund dafür ist unter anderem die besonders leichte Lithium-Ionen-Batterie im Bug (27 Kilo), die mit einer Kapazität von 1,9 kWh indes nicht qualifiziert ist, das Fahrzeug in Eigenregie anzutreiben. Porsche nennt das "Performance Hybrid". Also ein System, dessen Fokus auf Leistung liegt. Der Job von Akku und E-Motor ist es also, Leistungstäler aufzufüllen, die wir etwa als "Turboloch" kennen. Wobei – Moment! Es gibt da ja noch einen zweiten Elektromotor in der Antriebsperipherie. Der sitzt direkt im Turbolader und bringt die Turbinenräder dort derart auf Zack, dass sich der GTS jeglicher Turbo- und sonstiger Leistungslöcher komplett unverdächtig macht.

Die Konstruktion bedarf eines Spotlights. Der E-Lader ist nämlich Einzelgänger – das Biturbo-Prinzip ist zumindest für den Hybrid-Elfer Geschichte und trotzdem hat sich das Ansprechverhalten spürbar verbessert. Das ist kein Zitat aus der Porsche-Marketingabteilung, sondern Erlebnis-Beschreibung erster realer Fahreindrücke. Die E-Maschine zwischen Verdichter- und Turbinenrad übernimmt zwei Jobs. Sie ist nicht nur Motor, sondern auch Generator und entzieht dem Abgasstrom bis zu 11 kW, die der Hochvoltbatterie zufließen. Einfach gesagt: Bei Volllast (natürlich auch schon vorher) lädt der Fahrer ganz nebenbei den 400-Volt-Akku, um für alle spontanen oder geplanten Leistungsanforderungen gewappnet zu sein. In der Regel forciert die Systemsteuerung einen SOC (State of Charge) von 70 Prozent. Nur im Sport Plus Modus lässt sich der Akku, etwa für eine schnelle Runde auf der Rennstrecke, komplett leersaugen.

Übrigens ersetzt der Motor im Lader gleichzeitig auch das Wastegate. Man könnte gar von "überkompensieren" sprechen, denn die Steuerung des Ladedrucks gelingt über einen elektrischen Motor natürlich wesentlich schneller und präziser. So kommt es in der Konsequenz, dass dem GTS ein einzelner und dafür recht üppig dimensionierter Lader für die gewünschte Performance ausreicht. Bei konventionellen Turbo-Layouts wird ansonsten häufig etwa mit unterschiedlichen Größen gearbeitet, da kleinere Turbinen schneller hochdrehen, größere aber die bessere Spitzenleistung bringen. In Zahlen ausgedrückt: Seinem Biturbo-Vorgänger nimmt der hybridisierte GTS auf der Nordschleife fast neun Sekunden ab und hat beim Sprint auf 100 km/h bereits nach zweieinhalb Sekunden die Nase sieben Meter weiter vorne.

Erkenntnis 2: Der Hybrid-GTS ist deutlich schneller als der Verbrenner-Vorgänger-GTS.

Die Verbrenner-Komponente

Dass sich an der Silhouette des Elfers nichts ändert, ist ebenfalls der Elektrifizierung zu verdanken. Die sorgt nämlich dafür, dass der Riementrieb des Klimakompressors entfallen darf, weil er vom Hochvolt-System bedient wird. Damit war ein kompakter Aufbau möglich, der obenauf Platz für Pulswechselrichter und DC-DC-Wandler schafft, ohne die Heckgestaltung zu beeinflussen.

Das aus dem Dreiliter-Boxer bekannte Verhältnis von Bohrung und Hub behält Porsche bei, legt aber um 97, beziehungsweise 81 Millimeter zu. Damit skalieren die Zuffenhausener auf 3,6 Liter Hubraum. 485 PS und 570 Newtonmeter Drehmoment liefert der Verbrenner allein, ganz ohne E-Unterstützung. Dank Variocam-Nockenwellensteuerung und der Ventilsteuerung mit Rollschlepphebeln hält das Aggregat über den kompletten operativen Bereich ein Kraftstoff-Luft-Verhältnis von Lambda 1. An der Zapfsäule schlägt sich das mit einem Verbrauch von 11 Liter auf 100 Kilometer nach WLTP nieder.

Die Hybrid-Zukunft

Dass Porsche im Falle des 911 vorerst beim Prinzip des "Performance-Hybrid" bleiben wird, ist sehr wahrscheinlich. Ein PHEV widerspricht qua Gewicht den Bemühungen der Ingenieure; eine komplette Elektrifizierung hatten bereits mehrere Porsche-Köpfe bis auf Weiteres ausgeschlossen. Einen Einsatz der GTS-Technik dürfen wir für die kommenden Turbo-Modelle und einen etwaigen GT2 RS erwarten. Schließlich funktioniert das Prinzip nur im Zusammenspiel mit dem elektrischen Turbolader.

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Leistungsstufen lassen sich auf elektrischer Seite leicht nach oben skalieren. Für die 992.2-Turbo-Modelle könnte das allerdings, anders als im Fall des GTS, ein Downsizing bedeuten. Denn einer, oder gar zwei große E-Lader dürften samt Hochvolt-System kaum ins Auto passen, wenn die bisherige 3,8-Liter-Maschine zum Einsatz kommt. Bliebe also der neue 3,6-Liter, der ohnehin sicher nicht einzig und allein für den GTS entwickelt wurde.

Erkenntnis 3: Der Hybrid-GTS ebnet den Weg für noch performantere Modelle.  © auto motor und sport

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