Eine neue Ducati, die weniger Leistung hat, als die Vorgängerin. Gibt’s nicht? Gibt’s: MOTORRAD fuhr die neue, schwächere Ducati Panigale V2 S und ist überzeugt: Hier ist weniger mehr.
Wer hätte gedacht, dass Ducati mal bei der Überarbeitung eines Panigale-Modells dem Motto "Weniger ist mehr" folgen und die Motorleistung erheblich reduzieren würde? Wir nicht. 2025 ist es so weit und die Panigale V2 büßt satte 35 PS ein. Trotzdem soll die Neuentwicklung des Homologationsmodells für die Supersport-Weltmeisterschaft der Saison 2026 ganz im Zeichen der Performance stehen. Wie das zusammenpassen soll, davon darf sich MOTORRAD während der ersten Testfahrt ein Bild machen.
Das ist neu an der Ducati Panigale V2 S
Bevor es auf die Strecke geht ein kurzer Blick auf die wichtigsten Facts zur neuen Ducati Panigale V2. Der neu konstruierte Motor, nach wie vor ein 90-Grad-V2, verfügt nicht mehr über 955, sondern über 890 Kubikzentimeter Hubraum. Außerdem verzichtet Ducati auf die desmodromische Ventilbetätigung, kommt dafür mit variabler Steuerung der Einlassventile. 120 PS leistet der Vau-Zwo serienmäßig, wie erwähnt, 35 weniger als sein 955er-Vorgänger.
Video: Fahrbericht: Ducati Panigale V2 S (2025)
Neuer Rahmen, extrem leicht
Doch die Pani V2 verliert nicht nur Pferdestärken, sondern auch Kilos. 17 an der Zahl sollen es sein und so das Trockengewicht beim zur Testfahrt bereitstehenden S-Modell nur noch bei 176 kg (Standardmodell 179 kg) liegen. Allein am Chassis sind es laut Ducati über sieben Kilogramm. Beim Blick auf die Monocoque-Rahmenkonstruktion erscheint diese Angabe plausibel. Nicht nur, dass der Motor vollständig alle Chassis-Komponenten verbindet, der minimalistische Hauptrahmen wurde so konstruiert, dass er gleichzeitig als Airbox fungiert.
Weg von der Einarmschwinge
Das Hinterrad der Panigale V2 S wird zudem nicht mehr von einer Einarmschwinge getragen, sondern wie bei der Superbike-Schwester Panigale V4 von einer Zweiarmschwinge aus Aluminium, die mit ihren großen seitlichen Durchbrüchen filigran wirkt. Optisch orientiert sich das neue V2-Modell auch sonst stark an der V4. Frontverkleidung und Linienführung sind ähnlich, nur auf Winglets wurde verzichtet.
Video: Live vor Ort Ducati Panigale V2 und Streetfighter V2 (2025) - Eicma 2024
Weniger Racing bei Ducati
Erste Sitzprobe in der Boxengasse. Passt, wackelt, hat Luft. Die Ergonomie der neuen Panigale V2 stellt eine große Veränderung zur Vorgängerin dar. Zwar sitzt man in 837 Millimetern hoch und klar zum Vorderrad gebeugt auf dem Bike, die Lenkerstummel liegen sechs Zentimeter höher als bisher, sodass aufrechtes Sitzen ohne Rennhocke möglich erscheint.
Das passt zur selbstbewussten Aussage der Italiener, die Panigale V2 sei das "beste Sportmotorrad für die Landstraße, das Ducati je gebaut hat." Wie sich die Ergonomie im Alltag oder auf der Landstraße schlägt, können wir heute nicht herausfinden, denn es stehen sechs Stints auf dem Sevilla-Circuit an.
So fährt die neue Ducati Panigale V2 S
Trotz der aus Racing-Sicht relativ hohen Lenkerstummel kommt mit dem Oberkörper viel Last aufs Vorderrad der neuen Ducati Panigale V2 S und bekommt über die Öhlins-Gabel der S-Version (in der Standardvariante steckt eine Marzocchi-Forke) tolles Feedback zurück. Und bremst man nach einigen verhaltenen Runden später und tiefer in die Kurven hinein, bleibt die Panigale sehr stabil und neutral und lässt sich obendrein noch immer ohne großen Kraftaufwand einlenken. Die Brembo-Stopper mit 320er-Scheiben, M50-Zangen und Radialpumpe liefern auf Wunsch gewaltige Verzögerung. Bei der Abstimmung spielte die Dosierbarkeit offensichtlich eine übergeordnete Rolle, denn nach dem initialen Anlegen der Bremse steht viel Hebelweg bis zur maximalen Verzögerung bereit.
In Schräglage kuschelt sich das neue Chassis dann an den Asphalt und verweilt hier geduldig, bis das Öffnen des Gasgriffs das Herausbeschleunigen einleitet und das von Zweiarmschwinge und Öhlins-Federbein (Standardmodell: Kayaba) geführte Hinterrad so viel Traktion aufbaut, dass der zur Testfahrt montierte Pirelli Diablo Superbike Slick (SC1) von den maximal 93 Newtonmetern und 120 PS kaum in Verlegenheit zu bringen ist.
Video: Test-Talk: Neuer Ducati V2-Motor
So fährt der neue Motor von Ducati
Das bedeutet allerdings nicht, dass der neue Motor der Ducati Panigale V2 schwach wäre. Er entwickelt laut Ducati schon bei 4.000/min satte 80 Prozent seines maximalen Drehmoments. Selbst wer nach dem Verlassen der Boxengasse diesen Bereich meidet: Aus mittleren Drehzahlen zieht der V2 prächtig durch und zeigt sich nach oben angenehm drehfreudig.
Die Verschiebung der Steuerzeiten der Einlassventile ermöglicht eine dem 955er-Vorgänger unbekannte Elastizität und das trotz Einhaltung der strengeren Euro-5+-Beschränkungen. Interessant an dem System ist, dass die Anpassung kontinuierlich geschieht und nicht wie bei BMW oder KTM bei einer bestimmten Drehzahl zwischen zwei festen Nockenprofilen umgeschaltet wird.
Mittelklasse mit Oberklasse-System
Selbst die Elektronik mit drei Powermodi, Traktions- und Wheelie-Kontrolle, variabler Motorbremse sowie Kurven-ABS entspricht den bekannt hohen Ducati-Standards. Wer die Traktionskontrolle stufenweise zurückdreht, findet schnell den für den eigenen Fahrstil und Speed passenden Modus. Das ABS bleibt schon in Modus "2" auf dem Track entspannt und macht sich nur echten Spätbremsern durch Pulsieren im Bremshebel bemerkbar. Modus "1" schreitet selbst beim Tänzeln des Hinterrads nicht ein und die Anti-Hopping-Kupplung verhindert unangenehmes Stempeln beim Herunterblippern zuverlässig.
Quickshifter mit Getriebschutz
Nur beim Hochschalten per Quickshifter unter Volllast schließt die Elektronik mitunter die Drosselklappen nach dem Schaltvorgang ein zweites Mal kurz. Dieses kurze Stottern soll laut Ducati das Getriebe bei unsauberen Schaltvorgängen schützen. Da zur Testfahrt das Schaltschema umgekehrt wurde, bleibt abzuwarten, ob es im Landstraßen- und Alltagsbetrieb ebenfalls spürbar bleibt.
Fazit
Mit der entschärften Ergonomie, der homogeneren Leistungsentfaltung und übrigens auch durch den entfallenden Desmo-Service und die langen 15.000er-Intervalle geringeren Wartungskosten könnte die neue Panigale V2 also tatsächlich das bis dato beste Sportmotorrad der Italiener für den täglichen Betrieb sein. © Motorrad-Online