- Weihnachten steht vor der Tür und so mancher stellt sich vielleicht noch die Frage: "Was schenke ich?"
- Persönlichkeitscoach und Arzt Stefan Frädrich erzählt im Gespräch mit unserer Redaktion, welche Fehler es beim Schenken unbedingt zu vermeiden gilt.
- Außerdem erklärt er unter anderem, wie man am besten auf Geschenke reagiert, die einem gar nicht gefallen.
Herr Frädrich, die Zeit rennt nur so dahin: Bald schon ist Weihnachten. Wer noch nicht alle Geschenke beisammen hat, könnte so langsam in Weihnachtsstress geraten. Haben Sie einen Tipp, um das zu vermeiden?
Stefan Frädrich: Erst mal locker machen. Weihnachten soll schön sein. Wir brauchen nach drei Jahren mal wieder einen Ort, wo wir uns gemeinsam in der Familie zusammenfinden und eine schöne Zeit haben. Und dieses ganze Stressmachen, dieser Perfektionismus – in der Regel führt das zu Enttäuschungen. Ich würde erst einmal den Fokus von Geschenken weglegen und es zur Not auch mal aushalten, etwas Unpassendes zu schenken oder etwas Unpassendes geschenkt zu bekommen, anstatt in einen Perfektionismus zu verfallen, der dem Ganzen nicht gerecht wird.
Also ruhig bleiben und zur Not last minute kaufen?
Ja, Weihnachtsgeschenke darf man auf den letzten Drücker kaufen. Langfristig gilt natürlich der Hinweis: Man kann auch übers Jahr hinweg – wenn man weiß, dass Weihnachten stattfindet und das tut es jedes Jahr – schon Geschenke kaufen und sie daheim horten. Aber gerade diese Weihnachten, nach der Pandemie, während dem Ukraine-Krieg, der Inflation und Gaskrise, würde ich dieses Jahr den Fokus auf ein schönes Familienfest legen.
Was empfehlen Sie beim Kauf von Last-Minute-Geschenken?
Bei Last-Minute-Geschenken landen die meisten in typischen Geschenke-Shops, wo es einfach nur schönen "Schnulli-Kram" gibt. Duftkerzen, Bilder, Wohnungseinrichtung, Karten und so weiter. Und ich glaube, dann ist sowohl dem Wunsch etwas geschenkt zu haben als auch dem Gefühl etwas geschenkt zu bekommen, Genüge getan. Wenn einem Menschen wichtig sind, wenn man sie gut kennt und man eine innige persönliche Beziehung hat, dann ist das natürlich eher "arschig".
Inwiefern?
Bei besonderen Menschen sollte man sich schon vorher damit beschäftigen, was den anderen wirklich freut. Wenn ein Geschenk den persönlichen Geschmack gut trifft, ist das auch ein Zeichen für die Intensität oder Tiefe der Beziehung zwischen zwei Menschen. Ich sage mal so: Ich kann meinem Freundeskreis oder entfernten Verwandten, die ich ein-, zweimal im Jahr sehe, durchaus mal etwas aus einem Geschenke-Shop kaufen. Aber wenn es meine Liebste ist oder wenn es die Kinder sind oder die Mutter oder der beste Freund, dann sollte man sich schon Gedanken machen.
Also rechnen Sie einem Geschenk so viel Bedeutung an?
Das kommt darauf an, welche Bedeutung der Mensch für einen hat. Im Kern eines Geschenks möchte ich jemandem eine Freude bereiten. Das ist einerseits oberflächlich betrachtet eine nette Geste. Jemandem, den man nicht so gut kennt oder mit dem man kein inniges Verhältnis hat, bringt man irgendwas mit, einfach damit man etwas geschenkt hat. Wenn man das allerdings beim Partner oder bei den eigenen Engsten, der Familie oder bei einem sehr guten Freund anwendet, ist dieser Anspruch fast so etwas wie eine Beleidigung. Da darf man sich, wenn der Mensch wirklich wichtig ist, Gedanken machen, was ihm wirklich gefällt. Und hier ist zu beobachten: Wenn die Vertrauensbasis besteht, sagen Nahestehende häufig "Schenk mir nichts, ich brauch' nichts oder ich will nichts. Oder schenk mir mal ein gemeinsames Wochenende. Oder wir verbringen mal ansonsten schöne Zeit miteinander". Dann kann man eine ganz andere Ebene des Schenkens erreichen. Und das tut man dann nicht, weil es eine Pflicht ist, sondern weil man jemandem ein Geschenk machen möchte, das von Herzen kommt.
Wie finde ich denn für jemanden, der mir nahesteht, das richtige Geschenk?
In der Regel zeigen einem Menschen im Laufe der Monate immer wieder, was sie mögen. Bei mir ist es so, dass ich durchaus Monate vorher weiß, was ich zum Geburtstag schenken könnte oder was ein schönes Weihnachtsgeschenk wäre. Dann kaufe ich das – auch wenn es vielleicht erst August ist. Wenn man einem Menschen etwas von Herzen schenkt, sollte man im Alltag aufmerksam sein. Mütter wissen in der Regel, was ihre Kinder wollen. Man geht etwa zum Einkaufen und dabei läuft ein inneres Programm: "Ach, das könnte ich dem Sohnemann schenken. Das würde meiner Tochter gefallen."
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"Wir schenken uns dieses Jahr nichts", sagen Menschen immer wieder. Und manchmal gibt’s dann doch ein Geschenk. Wieso passiert das und wie sollten wir darauf reagieren?
Wenn jemand sagt "Schenk mir nichts", kann es sein, dass derjenige unterschwellig ausdrücken will, dass er eigentlich schon gerne beschenkt werden würde. Manche erwarten das Brechen dieser Regel regelrecht und hoffen auf eine Kleinigkeit. Auch hier kommt es wieder auf die Beziehung an, wie echt sie und der Austausch zwischen den Menschen ist.
Aber einige zählen auf diese Abmachung und schenken nichts …
Ich habe dieses Jahr mit meiner Schwester und meiner Mutter vereinbart, dass wir uns nichts schenken außer gemeinsamer Zeit. Das ist eine ehrliche Regel, an die sich alle halten. Und da würde man die Regel brechen, wenn man doch etwas schenkt. Je nach Ernsthaftigkeit der Beziehung möchte man das nicht. Wenn überhaupt, sind da Kleinigkeiten wie eine Flasche Wein drinnen. Das ist dann völlig in Ordnung.
Angenommen, man hat die Abmachung, sich nichts zu schenken. Einer hat dann aber doch ein Geschenk, die andere Person nicht. Wie sollte man reagieren, wenn man ohne Geschenk dasteht?
Da kann man souverän drüber lachen und sagen: "Hey, du hast dich nicht an die Regeln gehalten. Aber danke." Die Person, die etwas schenkt, wollte wahrscheinlich lieber auf der sicheren Seite sein. Aber für das nächste Jahr ist dann klar: Diese Absprachen sind wirklich ernst gemeint sind.
Ist es sinnvoll, vorher abzuklären, in welchem Preisrahmen sich die Geschenke bewegen sollen?
Das würde ich empfehlen. Das ist auch eine Möglichkeit, vorher darüber zu sprechen, was man sich schenkt. Und dann legt man eine Obergrenze fest. Ansonsten gibt es noch den Trick, den Partner desjenigen, den man beschenkt, zu fragen, ob er eine Idee hätte. Manchmal klappt das. In der Regel wissen etwa auch Eltern, was die Kinder wollen. Übrigens: Wenn Menschen von der Inflation betroffen sind, sollte dieses Jahr beim preislichen Rahmen klar sein, dass niemand ein riesiges Geschenk erwartet.
Was, wenn man unerwartet ein Geschenk bekommt, aber für die Person selbst keines hat?
Da würde ich die Regeln der allgemeinen Höflichkeit anwenden: Sich sehr über das Geschenk freuen oder zumindest so tun als ob. Aber ja nicht in die Falle hineintappen und sagen: "Oh, jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen." Dann kann man ganz offen sagen: "Oh, ich habe gerade nichts für dich". Oder aber – mein Trick 17: Es kann sich durchaus lohnen, eine Box mit nullachtfünfzehn-Geschenken parat zu haben, die man schnell aus der Schublade ziehen kann. Eine Notfall-Box mit Geschenken. Da können auch Geschenke lagern, die man selbst nicht mag. Ein zweiter Nussknacker, den man nicht braucht, aber mal geschenkt bekommen hat zum Beispiel.
Einfach behalten. Wäre das die richtige Reaktion darauf, wenn mir ein Geschenk nicht gefällt? Denn natürlich möchte ich die Person, die mich beschenkt, nicht verletzen.
Wenn eine Person, zu der ich eine sehr enge Beziehung habe, einem das komplett Falsche schenkt, ist es im Sinne der Beziehung wichtig, das irgendwann mal anzusprechen. Direkt am Abend des Weihnachtsfestes sollte man sich angemessen freuen, einfach im Rahmen des allgemeinen sozialen Miteinanders. Aber danach kann man das unter vier Augen schon ansprechen. Bei allen anderen sollte man milde darüber hinweglächeln, denn die Geste zählt.
Und was, wenn ich merke, dass die Person sich nicht über mein Geschenk freut?
Da sollte man einfach sagen: "Ich merke, das trifft nicht ganz deinen Geschmack. Ich dachte, das gefällt dir. Ich habe es gut gemeint." Zu Weihnachten gehört nun mal auch, den Perfektionismus beiseitezulegen. Es geht darum, gemeinsam eine schöne Zeit zu haben und auch mal auf sich selbst und seine Bedürfnisse zu schauen.

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