Fruchtbarkeitsbehandlungen, Zuschüsse zu Kinderbetreuung und Adoption sowie eingefrorene Eizellen – bei familiären Aspekten unterstützen immer mehr Firmen die Mitarbeitenden.
Das deutsche Pharmaunternehmen Merck etwa unterstützt seine Angestellten finanziell bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches, indem es sich an den Kosten für Fruchtbarkeitsbehandlungen beteiligt. Sowohl Frauen als auch Männer können von diesem Angebot profitieren, unabhängig von ihrem Familienstand. Neben Fruchtbarkeitstests, die normalerweise einen dreistelligen Betrag kosten, zählen dazu auch künstliche Befruchtungen, deren Kosten im Durchschnitt im mittleren vierstelligen Bereich liegen. Khadija Ben Hammada, Chief Human Resources Officer von Merck, erklärt: "Mit diesem neuen Angebot können wir unsere Mitarbeitenden in einer Phase unterstützen, die viel Kraft kostet und sehr belastend sein kann."
Auch die US-amerikanische Unternehmensberatung Kearney hat kürzlich beschlossen, ihre Mitarbeiter im Bereich Familie zu unterstützen. Das Unternehmen bietet nun erweiterte Regelungen für Eltern und Teilzeitbeschäftigte an sowie monatliche Zuschüsse zur Kinderbetreuung und finanzielle Unterstützung bei Kinderwunsch und Adoption. Das Unternehmen möchte nach Angaben von Marc Lakner, Managing Director von Kearney in Deutschland, die Angestellten "bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch besser unterstützen und zu einem gesellschaftlichen Wandel beitragen".
Kearney unterstützt zum Beispiel die Kinderbetreuung mit bis zu 500 Euro pro Monat. Für Fruchtbarkeitsbehandlungen und Adoptionen gibt es Zuschüsse von bis zu 40.000 Euro. Es sei das Ziel des Unternehmens, ausdrücklich beide Elternteile zu fördern, wie Lakner betont. "Wir möchten auch Väter ermutigen, für eine längere Zeit zu pausieren, um die Kinderbetreuung zu übernehmen." Viele Paare wollten schließlich die familiäre Arbeit gleichberechtigt aufteilen. Allgemein wolle das Unternehmen seinen Mitarbeitenden eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen.
Höhere Attraktivität für Fachkräfte
Die beiden Unternehmen sind nur zwei Beispiele von vielen. Insgesamt hat sich der Anteil von Betrieben, die Kinderbetreuung in Form von Betriebskitas oder finanzieller Unterstützung anbieten, seit Beginn des Jahrtausends mehr als verdreifacht, wie Forschungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen.
Ann-Christin Bächmann hat sich im Rahmen ihrer Arbeit beim IAB mit dem Thema familienfreundliche Maßnahmen in Unternehmen auseinandergesetzt. Es sei anzunehmen, dass Firmen diese Maßnahmen anbieten, "um sowohl für potenzielle Fachkräfte attraktiver zu wirken und somit gut ausgebildete Kräfte leichter rekrutieren zu können, als auch um Beschäftigte an den Betrieb zu binden", erklärt Bächmann. Ihre Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass Mütter nach der Geburt eines Kindes schneller wieder in den Beruf zurückkehren, wenn vom Arbeitgeber familienfreundliche Maßnahmen angeboten werden. Außerdem ist ein Jobwechsel in diesem Fall auch weniger wahrscheinlich. Khadija Ben Hammada von Merck betont ebenfalls: "Solche Angebote tragen natürlich auch dazu bei, Mitarbeitende zu gewinnen, zu halten und zu binden."
Regina Ahrens, Sozialwissenschaftlerin und zertifizierte Wirtschaftsmediatorin, betont jedoch, dass Arbeitgeber nicht ausschließlich ihre eigenen Interessen verfolgen müssten, sondern auch gute Absichten haben können: "Das eine schließt das andere ja nicht aus." Seit über 15 Jahren beschäftigt sich Ahrens mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, forscht und lehrt zu diesem Thema und berät Unternehmen in Konfliktsituationen sowie bei der Entwicklung von familienbewussten Maßnahmen. "Grundsätzlich würde ich es als eine positive Entwicklung sehen, dass immer mehr Arbeitgeber solche Maßnahmen anbieten", sagt sie der Deutschen Presse-Agentur.
Angebot muss zur Firma passen
Es falle ihr jedoch schon seit einiger Zeit auf, dass der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften diese Entwicklung begünstige. Dies müsse nicht zwangsläufig negativ sein, da einige Vorteile die Interessen des Unternehmens und der Arbeitnehmer in Einklang bringen – eine klassische Win-win-Situation, von der beide Seiten profitieren.
Es existierten jedoch auch Maßnahmen, bei denen dies nicht zutreffe. "Häufig übernehmen Unternehmen einfach bestimmte Maßnahmen von anderen, ohne darauf zu achten, was ihre Beschäftigten eigentlich brauchen", erklärt Ahrens. Schließlich variiere die Belegschaft je nach Unternehmen stark. Ein Beispiel hierfür ist die betriebseigene Kindertagesstätte. "Wenn das Durchschnittsalter in der Belegschaft bei Mitte 50 liegt, ergibt das nicht so viel Sinn."
Ein weiteres zentrales Thema sei, dass bestimmte Maßnahmen potenziell zu mehr Druck führen könnten. "Wenn ein Unternehmen es ermöglicht, die Eizellen einfrieren zu lassen, geraten viele indirekt unter Zugzwang und denken: ’Dann sollte ich das vielleicht auch machen’." Ähnliches gelte auch für Betriebskindergärten. Es sei wichtig, dass Unternehmen sorgfältig abwägen, welche Maßnahmen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen sind, und darauf achten, dass kein Druck auf sie ausgeübt wird. Ahrens: "Grundsätzlich ist es eine positive Entwicklung, dass sich immer mehr Arbeitgeber mit dem Thema Familie beschäftigen. Es darf aber nicht aus Eigeninteresse missbraucht werden." © dpa/bearbeitet durch ella

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