67. Eurovision Song Contest - Finale
1 27
Die undankbare Aufgabe des Openings bestehen Thea & Salena mit "Who The Hell Is Edgar" für Österreich mit Bravour. Der Song ist nur vordergründig eine Hymne auf Edgar Allen Poe, den Erfinder der Detektiv- und Gruselgeschichten. Vor allem disst er den Musicstreaming-Dienst Spotify, der die kleinen Künstler ausblute. Treibender Sound, tanzbar, mitreißend, klasse Auftakt.
2 27
Mimicat heißt eigentlich Marisa Isabel Lopes Mena, ist 34 und präsentiert ihren frech-feurigen Chanson "Ai coração" für Portugal. Die "Amy Winehouse vom Tejo", so der Spitzname in der Heimat, glänzt mit tänzerischer Laszivität, etwas Flamenco-Feeling und einem mitreißenden Rhythmus.
3 27
Remo Forrer (21) liefert die erste Ballade des Abends. Sein Antikriegssong "Watergun" ist hymnisch und klingt wie eine Nummer aus den Live-Shows von DSDS. Das kommt nicht von ungefähr: Remo gewann 2020 bei "Voice Of Switzerland". Die Botschaft "Ich will kein Soldat sein" passt in die Zeit.
4 27
Blanka (23) ist Ex-Kandidatin von "Poland's Next Topmodel" und ihr Auftritt wirkt wie eine Challenge bei "Heidis Mädchen", wie wenn man eine Jane-Fonda-Aerobic-Einheit mit einem mäßigen "Coco Jamboo"-Cover mixt. Der Song ist eher belanglos, das Modelling überzeugt nicht. Heidi würde sagen: "Ich habe leider kein Foto für dich."
Anzeige
5 27
Mysteriös-düster kommt Luke Blacks Elektro-Pop-Titel "Samo mi se spava" ("Ich will nur schlafen") daher. In seiner Heimat Serbien löste Luke (eigentlich: Luka Ivanović, 30) einen Twitter-Hype aus. Euroapweit dürfte der ausbleiben.
6 27
La Zarra (bürgerlich: Fatima Zahra Hafdi) ist Fan von Edith Piaf und Céline Dion (letztere ist, wie sie selbst, in Kanada geboren). Ihr "Évidemment", ein mitreißender Chanson im modernen Pop-Gewand und mit treibendem Beat, ist dann auch - auch was das Outfit betrifft - eine Verbeugung vor ihren Vorbildern. Gelungen.
7 27
Andrew Lambrou ist zwar Australier, hat aber griechisch-zypriotische Wurzeln. Der muskelbepackte Sänger nahm 2015 am australischen "X Factor" teil - und das hört und spürt man: Er übernimmt bei "Break A Broken Heart" stimmlich die Parts einer vierköpfigen Boyband, gibt barfuß eine große Gefühlsshow. Der Refrain aber ist Geheul.
8 27
Blanca Paloma (34) verbindet bei "Eaea" Flamenco mit biblischen Bezügen, feurige Rhythmen mit orientalischem Schluchzern. Da geht die Gefühlspost ab, allerdings zu Lasten der Eingängigkeit. Das rhythmische Klatschen am Anfang, Kastagnetten gleich, dürfte der einzig große Applaus bleiben. Barbara Schöneberger nennt sie "die schreiende Frau".
Anzeige
9 27
Loreen war mit ihrem Song "Tattoo", den sie stimmgewaltig mit langen Haaren und Fingernägeln zum Besten gibt, schon zuvor als Favoritin gehandelt worden. Bereits 2012 gewann die mittlerweile 39-Jährige mit ihrem damaligen Hit "Euphoria".
10 27
Albina & Familja Kelmendi ist tatsächlich die erste Familie, die in der ESC-Geschichte auf der Bühne steht. Im Mittelpunkt steht Sängerin Albina Kelmendi (24), ihre Eltern und Geschwister stehen bei den synkopierten Ethno-Rhythmen von "Duje" ("Liebe ihn/sie") mit auf der Bühne. Der albanische Beitrag erinnert an Schamanen-Gesänge.
11 27
Die Musikzeiten in Italien haben sich geändert. Es wird nicht mehr Maneskin-mäßig rebelliert, sondern wieder erosmäßig geschmachtet. Marco Mengoni (34), der schon 2013 in Malmö für Italien startete, liefert große Gefühle im silberglimmenden Pullunder.
12 27
Alika ist 20 und in ihrer Heimat ein Superstar, seit sie 2021 die estnische Version von DSDS gewann. Und sie strahlt echte Star-Power aus, füllt die Riesenbühne ganz alleine, nur mit Piano, Persönlichkeit und Stimmgewalt. Sie braucht keine Tänzer und keinen Schnickschnack und zieht trotzdem alle in ihren Bann. Beeindruckende Performance.
Anzeige
13 27
Party, Hardrock, Pop. Das macht für Käärijä (29) seine Heimat Finnland musikalisch aus. Und genau das bringt der bekennende Rammstein-Fan in seinem "Cha Cha Cha" als hochexplosiven Metal-Rap-Partyschlager auf die Bühne. Die Show passt und ist so schrill-bunt wie der Sound verschwurbelt. Den mag man oder man ist total genervt.
14 27
Vesna bieten als sechsköpfige Girlgroup nicht nur optisch Frauenpower. Ihr "My Sister's Crown" verbindet slawische Motive mit elektronischen Beats und Rap-Elementen und frauenbewegte Textzeilen ("Wir sind nicht eure Puppen."). Sie wollen und bieten viel, aber der Song ist nicht wirklich eingängig. Eine Krone gibt's für den tschechischen Beitrag international nicht.
15 27
Wenn der Auftritt des Progressive-Metal-Quintetts Voyager wirklich der letzte in der australischen ESC-Geschichte sein sollte (der Vertrag läuft aus), dann könnte "Promises" durchaus in Erinnerung bleiben. Allerdings nicht unbedingt wegen des Partyrock-Songs. Vielleicht eher wegen der Zahnlücke des Sängers (der übrigens in Deutschland aufwuchs).
16 27
Der Belgier Gustaph (bürgerlich: Stef Caers), eigentlich bisher vor allem als Backgroundsänger für andere Künstler, ist bekennender Boy-George-Fan und sieht auch wie ein Bruder der Culture-Club-Ikone aus. "Because Of You" klingt eher nach Lisa Stansfield. Der Disco-Rhythmus treibt.
Anzeige
17 27
Brunette (bürgerlich: Elen Yeremyan) ist 21, aber schon seit 17 Jahren im Business. Sie sieht aus und klingt wie die armenische Schwester von Ariana Grande und ist gestylt wie eine Komparsin aus "Mad Max Teil 17". Die Bühnenshow bietet Licht und Schatten und das gilt auch für den Song.
18 27
Der Teilnehmer aus Moldau, Pasha Parfeni (36, rechts), war schon 2012 in Baku im ESC-Finale. Sein "Soarele și luna" erzählt von "Sonne und Mond" und ist tatsächlich besinnlich. Sein Tanz mit dem Flötenspieler lässt einen entspannt zurück - aber auch ein wenig ratlos.
19 27
Tvorchi vertreten den Vorjahressieger Ukraine und bieten mit "Heart Of Steel" eine treibend-hypnotische Synthie-Orgie mit Rap-Anleihen. Sehr clever und international produziert und mit starkem Showspiel mit visuellen Effekten. Erneut ein starker ukrainischer Auftritt.
20 27
Alessandra tritt mit "Queen of Kings" in Liverpool für Norwegen an und sieht aus wie eine Marvel-Heldin. Ihr Song ist eine auf auf die Charts zugeschnittene Pop-Hymne mit starkem Refrain und catchy produziert.
Anzeige
21 27
Gute Nachricht: Weder die Band Lord Of The Lost noch ihr Rockbrett "Blood & Glitter" würde jemand für "typisch deutsch" halten. Schlechte Nachricht: Der Song ist nicht catchy, es gibt viel Gegrowle und Geschrei, aber wenig Gesang und wenig Refrain. Die Show bietet viel Feuer. Das alles ist schön anders, aber nicht wirklich überragend.
22 27
Auch Monika Linkytė (30) ist eine Rückkehrerin. Schon 2015 trat sie für Litauen (in Wien) an. Diesmal präsentiert sie mit "Stay" eine international orientierte Powerpopballade, die sich am Ende zur chorlastigen Hymne steigert - bei der dann nur das emotionale Geschrei der Sängerin stört.
23 27
Der Auftritt von Noa Kirel (22) ist beinahe zu perfekt. Sie ist in Israel ein Topstar, glänzt als Sängerin, Schauspielerin, Model und Moderatorin. Ihr Song "Unicorn" wirkt wie am Reißbrett für eine "Britney Spears 4.0" komponiert. Spitzenklasse, aber der Charme fehlt.
24 27
Die Slowenen von Joker Out wirken wie fünf nerdige Freunde, die sich als Studenten zu einer Band zusammengetan haben, weil sie sonst Außenseiter wären. Und jetzt richtig Spaß haben. Ihr "Carpe Diem" ist netter Hau-drauf-Pop-Rock, der keinem wehtut, der aber auch nicht richtig mitreißt.
Anzeige
25 27
Let 3 sind - noch deutlich vor Lord Of The Lost - der schrägste Haufen in Liverpool. Die kroatischen Punk-Veteranen bieten einen Mix auf Dragshow und Militärparade, ihr "Mama ŠČ!" ist aber eine Antikrieglied. Wobei es eher eine Aneinanderreihung von verschiedenen Soundfetzen und Stilrichtungen ist. Absolut schräg.
26 27
Mae Muller hat es daheim in England mit "I Wrote A Song" hoch in die Charts geschafft. Da muss man sagen: Die englischen Hitlisten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Es ist ein belangloses Popliedchen, sicherlich radiotauglich, dann aber nicht unbedingt in progressiven Sendern. Für das britische Talent eigentlich enttäuschend.
27 27
Mit 57 Punkten Vorsprung vor Finnland gewinnt Loreen aufgrund der Jury-Stimmen den ESC 2023 in Liverpool. Die schrägen Finnen bekamen die Hälfte mehr an Publikumspunkten als die Schwedin. Dritter wird Israel. Österreich schafft einen achtbaren 15. Platz. Deutschland als Letztplatzierter bekommt insgesamt 18 Punkte, 15 davon vom Publikum. Vorletzter wird England (24).