Die deutsche Nationalmannschaft verliert mit 0:6 gegen Spanien. Aus einer solchen Klatsche müssen nun Konsequenzen gezogen werden. Langsam ist es fraglich, ob Bundestrainer Jogi Löw immer noch der richtige Mann für den Posten ist.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Das Debakel von Sevilla muss Konsequenzen haben. Wenn beim DFB jetzt wieder niemand begreift, dass der deutsche Fußball ins Nichts taumelt, ist die Verbandsspitze nicht mehr zu retten. Es ist kein Zufall, wenn in der Nations League 13 Gegentore in sechs Spielen fallen.

Seit der WM 2018 ist keine Entwicklung erkennbar, die jungen Spieler zahlen das Vertrauen, das ihnen Bundestrainer Joachim Löw schenkt, nicht zurück. Hier muss man die Trainerfrage stellen. Die Personalpolitik ist das eine, das man Löw vorwerfen muss, das andere: die taktischen Vorgaben.

Wenn Körpersprache und Laufleistung nicht stimmen, hat der Bundestrainer weder die richtige Ansprache vorgenommen noch das Mannschaftsgerüst standhaft ausgerichtet. Schlimmer noch: Dass keine Korrektur in der Pause fruchtete, nährt die Zweifel noch. Erreicht Löw die Spieler noch?

Kein Aufbäumen zu sehen

Mit Sevilla verbindet der deutsche Fußball eine historische Leistung. Im WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich lag die Nationalmannschaft mit 1:3 in der Verlängerung zurück und bäumte sich auf. Mit den Toren von Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Fischer schrieb die Derwall-Truppe WM-Geschichte: Keine andere Mannschaft holte jemals einen Zwei-Tore-Rückstand in der Verlängerung auf. Nie mehr.

Es wäre vermessen gewesen, von der deutschen Mannschaft gestern Abend den Ausgleich zu erwarten, wenn man 0:3 zur Halbzeit hinten liegt. Aber was man fordern kann: ein Aufbäumen, einen Kraftakt in aussichtsloser Position, damit man nicht weitere drei Tore kassiert und 0:6 vom Rasen schleicht. Doch diese Mannschaft spielte leblos. Das DFB-Team von 1982, eigentlich eine Skandaltruppe, hätte das Spanien niemals durchgehen lassen.

Niemand stellt infrage, dass Löw 14 Jahre lang als Bundestrainer Großes geleistet hat. Darum hat man ihn nicht wirklich zur Rechenschaft gezogen, als die Weltmeisterschaft vor zwei Jahren schieflief. Dem Leistungsgedanken aber kann sich Löw nicht entziehen: Die aktuelle Kurve zeigt nach unten.

Sollte der DFB an Jogi Löw als Bundestrainer festhalten?
  • A
    Natürlich! Einen Weltmeister-Trainer feuert man doch nicht.
  • B
    Auf keinen Fall. Die Nationalmannschaft braucht schon lange einen neuen Trainer.
  • C
    Eigentlich nicht. Aber wer soll es denn sonst machen?
  • D
    Löw muss weg! Ich mach das.

Sind Löws Methoden schon überholt?

Mit dem Verzicht der drei Weltmeister Müller, Hummels und Boateng setzte er sich dem Risiko aus, dass der radikale Umbruch nicht die erhoffte Rendite bringt. Man würde Dämpfer verzeihen, wenn Besserung in Sicht wäre. Die jedoch ist, siehe oben, nicht zu sehen. Das 0:6 ist die höchste DFB-Niederlage seit fast 90 Jahren.

Wer sagt überhaupt, dass ein Trainer, der in der Vergangenheit erfolgreich agierte, auch in Zukunft der passende Mann für die Veränderungen im Weltfußball ist? Vielleicht ist es genau umgekehrt: dass Löws Methoden längst überholt sind, Die Resultate sprechen jedenfalls nicht für ihn.

Man kann natürlich darauf hoffen, dass der zeitliche Abstand zu den nächsten Länderspielen im Frühjahr die Pleite von Sevilla relativiert und während des Winters ein neuer Geist die Nationalmannschaft entflammt. Darauf vertrauen sollte man lieber nicht.

Es würde ja helfen, wenn die Nationalelf eine nachvollziehbare Achse hätte, eine eindrucksvolle Spielweise mit Pressing und Tempo oder eine Art von Kommunikation, dass man Löws Gedankengänge versteht. Doch da passiert nichts beim DFB. In Vereinen hätte man längst die Notbremse gezogen.

Sky-Experte Lothar Matthäus sieht vor der EM keine verfügbare Alternative zu Joachim Löw

Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus, einer der prominentesten Kritiker von Bundestrainer Joachim Löw, schätzt nach dem 0:6 in der Nations League in Spanien den Ernst der Lage für Löw und den DFB ein. (Teaserbild: picture alliance / GES / Angel Martinez) © Sky