Das Entsetzen im deutschen Fußball ist groß: Bei der Europameisterschaft im Sommer (ab 12. Juni 2020) muss die Nationalmannschaft gegen Weltmeister Frankreich und Titelverteidiger Portugal ran. Kaum standen zwei der drei Vorrunden-Gegner fest, bekam die EM-Gruppe F ihr Etikett verpasst: "Todesgruppe". Man muss sich trotzdem keine Sorgen machen.

Eine Kolumne
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Selbst wenn die deutsche Mannschaft ihre drei Gruppenspiele vergeigt: Eine Todesgruppe ist das nicht - alle beteiligten Trainer und Spieler werden überleben. Sterben wird niemand. Auch aus sportlicher Sicht muss niemand bange sein. Ja, die Gegner sind schwer. Aber hatte Deutschland bei der WM 2018 mit den leichteren Gegnern mehr Glück? Eben.

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Der EM-Modus sieht vor, dass nicht nur die jeweils zwei besten Nationen der sechs Vorrundengruppen ins Achtelfinale vorstoßen. Auch die vier besten der sechs Drittplatzierten kommen weiter. Erst im Frühjahr wird in den Play-Offs geklärt, wer die vierte Mannschaft in der Gruppe F sein wird. Mindestens Dritter sollte Deutschland dennoch werden können.

Gegner Frankreich und Portugal erlauben keine Selbstüberschätzung

Vielleicht ist es sogar gut, dass Super-Gegner in der Vorrunde warten. Gruppenspiele bedeuten auch: Anders als im anschließenden K.o.-System kann man Schnitzer gegen die vermeintlich starken Gegner wettmachen. Hinzu kommt: Wenn man weiß, dass der Gegner ein gewisses Kaliber hat, droht in der Vorbereitung kein Schlendrian.

Daran scheiterte ja die Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland. Man hat, weil man als Weltmeister angereist war, die Gegner aus Mexiko, Schweden und Südkorea einfach unterschätzt. Deutschland war noch niemals in einer WM-Vorrunde ausgeschieden. Die kommenden EM-Gegner erlauben so viel Selbstüberschätzung nicht.

Die Belohnung für eine fokussierte EM-Vorbereitung liegt auf der Hand: Sobald die höchsten Hürden überstanden sind, folgen zwangsläufig leichtere Gegner in den Ausscheidungsrunden. Deutschland darf zuversichtlich sein: Wer eine bestens besetzte Vorrundengruppe besteht, tankt Selbstbewusstsein und ist tatsächlich eingespielt.

Bei der EM wird sich zeigen, wo der Löw-Fußball wirklich steht

Über Jahrzehnte war Deutschland mit vergleichsweise einfachen Auslosungen beglückt worden und konnte sich, wenn die Saison lang war, mit Aufbaugegnern ins Turnier spielen. Dieses Glück musste irgendwann aufgebraucht. Frankreich und Portugal sind ein guter Gradmesser, um zu erfahren, wo der Löw-Fußball wirklich steht.

Und die schweren Gegner, Frankreich und Portugal eingeschlossen, wären ohnehin auf eine Mannschaft gestoßen, die Europameister werden will. In den drei Vorrundenspielen zu Hause in der Allianz-Arena in München sollte man die notwendigen fünf bis sieben Punkte schon holen. Wenn nicht, dann hat Deutschland die EM-Trophäe eh nicht verdient.

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