Selbst die diskutierfreudigen Grünen können sich schönere Dinge vorstellen, als an einem Freitag mit der Fraktion in Löcherstopf-Klausur zu gehen, um einen Haushaltsentwurf zu beraten, bei dem es einzig um die Frage geht, wem man welche Schmerzen zufügen muss.
Und mittendrein platzt die Nachricht aus dem Lager des Bündnispartners CDU. "Ich möchte das Ratsbündnis zeitnah beenden, die Gemeinsamkeiten sind mittlerweile abgearbeitet."
Ausgesprochen von Karl Mandl, dem designierten OB-Kandidaten der CDU. Erstmal tief durchatmen, dann beginnen hektische Telefonate. Fraktionschefin Christiane Martin spricht mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Bernd Petelkau, der vom nächsten Alleingang seines Intimfeindes Mandl offenbar eiskalt erwischt wird und zunächst vermutet, da müsse die Presse wohl etwas missverstanden haben. Dem ist nicht so, Mandls Aussagen sind auf Band aufgenommen.
Wenig später schwört Petelkau Stein und Bein, seine Fraktion werde mit den Grünen und Volt wie geplant in die Haushaltsberatungen gehen. Ein gewisses Maß an Verunsicherung bleibt bei den Grünen zurück. Im Machtkampf zwischen Mandl und Petelkau zerrieben zu werden, ist das Letzte, was sie gebrauchen können. Schließlich stehen neben dem Haushalt in diesem Jahr mindestens zwei wichtige Entscheidungen an: die geplante Grundsteuererhöhung und der Ausbau der Ost-West-Achse. Bei letzterem Thema wird das Bündnis in jedem Fall getrennte Wege gehen.
Später am Freitagabend irritiert Mandl nach einer außerordentlichen Fraktionssitzung mit einem gemeinsamen Statement mit Petelkau, er sieht plötzlich keinen Handlungsbedarf mehr mit Blick auf das Bündnis. Es ist die nächste Volte an einem wilden Freitag. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist am Freitagmorgen passiert?
In der CDU-Kreisgeschäftsstelle sprechen Mandl und der Vorsitzende des CDU-Stadtbezirkverbandes Rodenkirchen, Oliver Kehrl. Es soll vor allem darum gehen, dass Kehrl doch nicht als OB-Kandidat für die CDU antreten will. Doch im Gespräch sagt Mandl plötzlich, er wolle das Bündnis zeitnah beenden. Das sei seine persönliche Meinung, die er aber in der Parteizentrale äußert. Danach gehen die Artikel dazu online, auch auf der Internetseite des "Kölner Stadt-Anzeiger". Aufgeregt rufen Politikerinnen und Politiker aus dem Rat bei den Reportern an, fragen, ob das stimme.
Wusste der Parteivorstand von Mandls Vorhaben?
Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Dass ein Bruch des Bündnisses jederzeit möglich ist, war einigen schon klar, nur der Zeitpunkt nicht. "Das ist ein Alleingang", sagt ein Vorstandsmitglied. Ein anderes sagt: "Das ist absolutes Chaos. Mandl hat bei seiner Wahl 2023 davon gesprochen, die Partei zu einen und Transparenz herzustellen. Das ist das Gegenteil davon."
Wusste die Fraktion davon?
Laut der Aussagen mehrere Mitglieder: nein. Sie kam am Freitagnachmittag zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, auch Mandl war dabei. Laut Teilnehmern habe Mandl davon gesprochen, seine Aussagen vom Morgen seien aus dem Kontext gerissen worden. Ein Fraktionsmitglied sagte: "Mandl ist eine tickende Zeitbombe." Nach der Sitzung versendeten Mandl und Petelkau ein gemeinsames Statement. Darin heißt es: "Die CDU-Ratsfraktion setzt weiterhin auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit ihren Bündnispartnern und wird sich unverändert der Verantwortung für unsere Stadt stellen. Dies insbesondere in Anbetracht der Herausforderungen, die sich aus dem Haushaltsentwurf der Verwaltung ergeben." Und mit Blick auf das Ratsbündnis "besteht seitens der CDU-Ratsfraktion in Übereinstimmung mit dem Parteivorsitzenden kein Handlungsbedarf".
Warum will Mandl morgens das Bündnis beenden und abends sieht er keinen Handlungsbedarf?
Diese Frage ließ viele in Partei und Fraktion am Abend verärgert zurück. Mandl selbst sprach auf Nachfrage davon, dass er – aktuell – keinen Handlungsbedarf sehe. Das Wort fehlte aber im Statement. Die Partei soll die Diskussion jetzt beginnen.
Was sagen die Bündnispartner zu all dem?
Bevor die CDU-Fraktion gegen 18 Uhr ihr Statement versendet hatte, hatte Christiane Martin, Fraktionschefin der Grünen, gesagt: "Mandls Äußerungen sind verantwortungslos, denn er schürt damit unnötig Unsicherheit. Es gibt bisher keinen offiziellen Beschluss zum Ende des Ratsbündnisses oder entsprechende Signale aus der CDU-Fraktion." Und Volt-Fraktionschefin Jennifer Glashagen sagte: "Als Parteivorsitzender die eigenen Leute so zu positionieren, zeugt von schlechtem Stil." Glashagen kündigt an, im Bündniss "ungeachtet dieser Ego-Show" konstruktiv weiterarbeiten zu wollen.
Was sagen die anderen Ratsfraktionen?
SPD-Fraktionschef Christian Joisten wurde bei der Vorstellung des SPD-Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl von der Nachricht überrascht. Mandl habe das "völlig anlasslos" und "offenbar ohne sich mit der Fraktion abgestimmt zu haben" verkündet. Wer das tue, "weiß nicht, wie Politik funktioniert und wie man führt". FDP-Fraktionschef Volker Görzel sagte: "Ich bin absolut baff, dass die CDU jetzt von der Stange gehen will." Angesichts der Verhandlungen über den städtischen Haushalt benötigen die Kölner Verbände und sozialen Einrichtungen "Klarheit statt politischer Spielchen". Und Güldane Tokyürek, Fraktionsvorsitzende der Linken, sagt: "Wenn das Bündnis jetzt auseinander geht, wäre es wünschenswert zu schauen, was wir gemeinsam noch erreichen können."
Warum will Oliver Kehrl doch nicht OB-Kandidat der CDU werden?
In dem Pressegespräch hat Kehrl nach wochenlanger Spekulation mitgeteilt, dass er nicht zur Verfügung steht als OB-Kandidat und stattdessen in den Stadtrat einziehen will. "Ich hätte es mir zugetraut, aber in der jetzigen Konstellation werden wir erfolgreicher sein können." Kehrls Wahlkreis gilt als sicher für die CDU. Er will im künftigen Rat laut eigener Aussage eine "gute Rolle" spielen. Ob er Fraktionschef werden will, ließ Kehrl unbeantwortet. Der frühere Landtagsabgeordnete hatte sich bei der OB-Vorschlagskommission beworben, doch das Gremium konnte sich nach monatelanger Suche auf keine gemeinsame Empfehlung einigen. Also erklärte Mandl seine Bereitschaft, am 30. November wählt die Partei ihren OB-Kandidaten. Neben Mandl steht bisher IT-Manager Hendrik Biergans zur Wahl.
Was sagt Hendrik Biergans, CDU-Konkurrent als möglicher OB, zu den Vorgängen am Freitag?
"Die kurzfristig einberufene, nicht abgestimmte ‚Guerilla-Pressekonferenz‘ des heutigen Tages hat in allen Teilen der Partei viele erstaunte Gesichter hinterlassen. Das wirft Fragen auf. Auf rein inhaltlicher Ebene halte ich es wie viele CDU-Mitglieder durchaus für geboten, sich deutlich von diesen Grünen zu distanzieren, um klarere CDU-Lösungen durchsetzen zu können. Wann und wie dies geschehen soll, muss jedoch innerhalb der Partei beschlossen werden. Es kann es nicht sein, dass so eine richtungsweisende Aussage im Alleingang verkündet wird, ohne mindestens das gewählte Führungsgremium mitzunehmen."
Warum verbünden sich Mandl und Kehrl?
Kehrl war schon 2023 ein Unterstützer Mandls, als dieser gegen Petelkau antrat. Doch in den vergangenen Wochen schien das Verhältnis zu leiden, vor allem nachdem Mandl erklärt hatte, OB-Kandidat der Partei werden zu wollen. Unter anderem Kehrl hatte sich auch der Kommission vorgestellt und zuletzt Mitglieder zu Veranstaltungen eingeladen mit dem Motto "Aufbruch Köln". Öffentlich geäußert dazu hatte er sich aber konkret nicht, er ließ die Frage offen, theoretisch hätte er auch noch am 30. November als Kandidat aufstehen können.
Dann wählt die CDU auch ihre Direktkandidaten für die Wahlkreise bei der Kommunalwahl 2025 und die sogenannte Reserveliste, falls eine Politikerin oder ein Politiker seinen Wahlkreis nicht direkt gewinnt. Die Liste gilt als Gradmesser, ob Petelkau seine Gefolgsleute in den nächsten Rat bekommt oder doch Mandl und Kehrl. Wer mehr Unterstützer in der neuen Fraktion hat, hat bessere Chancen auf den Vorsitz. © Kölner Stadt-Anzeiger
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