Frankfurter Weihnachtsmarkt: Jörg Senger bietet auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt heikle Ware feil. Das ist dem Messerhändler erlaubt – aber nur unter strengen Auflagen.
Der Weihnachtsmarkt ist Waffenverbotszone. Von einem der Schilder mit dem durchgestrichenen Messer, die das anzeigen, bis zum Stand von Jörg Senger sind es nur wenige Meter. Und so mutet das Gespräch, das der vertrauenswürdig und sympathisch auftretende Markthändler gerade führt, ein wenig bizarr an.
Ein Kunde führt auf Englisch aus, dass er eine längere Klinge suche, möglichst rostfrei. Seine Familie ernähre sich vegetarisch, es gehe also nur darum, Gemüse zu schneiden. Senger informiert fachkundig und führt sein Sortiment vor, reicht dem Kunden ein Messer nach dem anderen über die Ladentheke. Die Messer werden größer und größer.
"Auf solche Kundengespräche haben Sie doch gehofft für Ihre Geschichte", sagt er zu dem Journalisten, er lächelt etwas müde dabei. Der Geschäftsmann nimmt die Situation mit dem nötigen Humor, aber wirklich lustig findet er das Ganze nicht. "Natürlich bringt diese Waffenverbotszone Verunsicherung bei den Kunden. Ich kann jetzt noch nicht abschließend sagen, wie sich das auswirkt. Aber ich fürchte Umsatzeinbußen."
Gesetzesänderung nach Messerattentat in Solingen
Die Messer nehmen gut 20 Prozent von Sengers Sortiments ein, daneben verkauft er Spezialscheren aller Art, aber auch schön gemaserte Holzschneidebretter oder die günstigere Variante samt Kindermotiven und eingraviertem Namen. Die Vielfalt bewahrt ihn davor, abhängig zu sein von jener Ware, die auch als Waffe eingesetzt werden kann.
Senger darf Messer auf Weihnachtsmärkten anbieten, weil der Verkauf ausdrücklich ausgenommen wurde von der bundesweit geltenden Gesetzesänderung nach dem Messerattentat in Solingen, bei dem ein Syrer drei Menschen getötet und acht verletzt hatte: Bei öffentlichen Veranstaltungen und somit auch Weihnachtsmärkten ist das Mitführen von Waffen jeglicher Art untersagt.
Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) schloss sich Anfang November dem restriktiven Vorgehen ausdrücklich an. Die Verbote halten indes nicht alle für sinnvoll. Es gibt Experten, die in der Diskussion darauf hinwiesen, dass Ausweisungen von Waffenverbotszonen vornehmlich öffentlichkeitswirksam seien, die Kriminalitätsrate aber nicht senkten.
"Das Geschäft wird immer komplizierter"
Für Senger sind die Folgen der Debatten aufreibend. "Mich nervt das Ganze etwas, da ich mich auch ständig veränderten Vorgaben anpassen musste in den vergangenen Tagen", sagt er über seine Vorbereitungen für den Frankfurter Weihnachtsmarkt, auf dem er seit 1997 und nun zum 27. Mal seine Ware feilbietet.
Erst habe es geheißen, dass alle Messer außer Reichweite liegen müssten und einem Kunden, der sich für eines interessiere, jedes einzeln in die Hand gegeben werden müsse. Christian Müller, Veranstaltungsleiter der Tourismus- und Congress-Gesellschaft Frankfurt (TCF), die den Markt veranstaltet, versteht den Ärger des Händlers.
Aber er verweist darauf, dass die TCF ermöglicht habe, was derzeit gestattet sei. Müller fürchtet aber um die Zukunft der Messerverkäufer. "Vielleicht gibt es bald gar keine mehr auf einem Weihnachtsmarkt, das Geschäft wird tendenziell immer komplizierter."
Messer außerhalb der Reichweite, verpackt in Plastik
Immerhin: Vorerst sollen nun doch nur die längeren Klingen weit hinten ausgelegt werden, die Messer im ersten Zugriffsbereich müssen unter einer Plexiglasscheibe liegen. Alle Klingen müssen zudem in Plastik verhüllt sein. Nach dem Kauf muss Senger die Messer zudem in Papier einwickeln, um eine direkte Verwendung zu erschweren. Skalpelle hat er ganz hinter die Ladentheke verbannt, sie gibt es nur auf Nachfrage.
"Die Leute müssen aber ganz dringend wissen, dass ihnen kein Ärger mit der Polizei droht, wenn sie beim weiteren Besuch des Weihnachtsmarktes durchsucht werden sollten. Man bekommt wirklich keine Probleme", sagt Senger. "Das wäre ja auch verrückt, ich verkaufe hier schließlich Küchenmesser und keine Waffen."
Senger macht in diesen Tagen zum ersten Mal Erfahrungen mit den strengen Regeln reglementierten Verkaufs. Selbst für Märkte, die unmittelbar auf das Attentat von Solingen gefolgt seien, habe er nie vergleichbare Vorgaben erhalten. Nur vom Hörensagen weiß er von Märkten wie einem in Bietigheim-Bissingen, auf dem der Messerverkauf vollständig untersagt wurde, während er zur selben Zeit in einer Nachbargemeinde seinem Geschäft nachgehen durfte.
Am Stand in Frankfurt beschäftigt sich derweil eine Frau mit einem anderen Produkt. Der Teigroller aus Holz gefällt ihr. Die Waffenverbotszone bringt auch sie ins Gespräch, lächelnd: "Oder ist das doch ein Schlagstock?" © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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