Falling in Reverse: Mit Pyrotechnik, Beschimpfungen und Cowboyhüten begeisterte die amerikanische Band Falling in Reverse das Publikum in der ausverkauften Festhalle in Frankfurt.
Wohin die Reise mit der US-Formation Falling In Reverse gehen soll, vermittelt schon eindrucksvoll der Rockklassiker aus der Konserve unmittelbar vor Konzertbeginn: "Highway To Hell" von AC/DC donnert in der abgedunkelten Frankfurter Festhalle in den dicht bevölkerten Innenraum und darf wortwörtlich genommen werden. Derweil unterstreichen die leeren Plätze der beiden geschlossenen Ränge die emsige Lebendigkeit im Innenraum. Ein Tohuwabohu kurz vor dem Inferno.
Parallel nehmen die auf den gigantischen Bühnenhintergrund projizierten Filmeinspieler ihren Betrieb auf. Eine wild zusammengewürfelte Mixtur aus originalen Videoclips der 2008 in Las Vegas formierten Band im Hochglanzformat, verwackelten Cinema-Verité-Impressionen und aktuellen Eindrücken aus der Festhalle. Für einen Moment lang droht die Festhalle zum riesigen TV-Wohnzimmer zu avancieren.
Unterbrochen wird das Idyll, als der Kameramann den Weg der Truppe von der Garderobe auf die Bühne einfängt. Angeführt von Vokalist, Gründer, Komponist und Texter Ronnie Radke samt seinen Mitmusikern. Schon da jauchzt und brüllt kollektiv die aus nah und fern angereiste Fangemeinde vor Vergnügen. Möglicherweise auch vor Glück: Nicht nur, weil die ursprünglich für die Offenbacher Stadthalle angedachte Stippvisite aufgrund der immensen Ticketnachfrage kurzerhand in die Festhalle verlegt wurde. Vor allem wohl, weil der allgewaltige Bandchef Radke im Vorfeld einige der Shows der "Popular Monstour II - World Domination" kurzfristig absagte.
Ein gewaltiger Donnerschlag
Wie sehr der ganz in Schwarz samt Basecap gehüllte Vierzigjährige Frontmann die feierwütige Meute im Griff hat, demonstriert er schon im manisch gerappten "Prequel" – eine in harschen Worten gereimte Predigt, ja eine Beschwörung seiner selbst. Textsicher grölt die Besucherschar jeden weiteren Song mit. Mehrheitlich rekrutieren sich die 14 Tracks aus dem Material des aktuellen fünften Studioalbums "Popular Monster" (2024). Ein gewaltiger Donnerschlag eröffnet das übersteuerte "Zombified", es schießen regelmäßig meterhohe Feuersäulen bis knapp unter die Hallendecke.
Mit Schmackes hakt die Formation die martialisch hartkantigen Songepen "I’m Not A Vampire", "The Drug In Me Is You" und "Fuck You And All Your Friends" ab. Ronnie Radke, mit authentischem Gefängnisaufenthalt in seiner Biographie, gibt derweil in der Kunstfigur seiner Bühnenpersona verschiedene Facetten ab: Bei einem Charakter mit seiner Vergangenheit lag wohl "Bad Guy" nah. Es gesellen sich mit "Losing My Mind" und "Voices In My Head" auch noch der Wahnsinn hinzu. Im völlig überdrehten "Ronald", abermals ein Selbstporträt, wird thematisiert die Entwicklung vom unschuldigen Jüngling zum Mann in der harten Realität des Erwachsenseins, eine in dem er täglichen Angriffen durch innere Dämonen und gesellschaftliche Übel ausgesetzt ist.
Als echte Überraschung erweist sich "All My Life", eine Genreüberblendung aus Country’n’Western mit hartmetallischem Parts. Dazu trägt die Band Cowboyhüte. Da staunt das längst vom eigenen Enthusiasmus berauschte Publikum, wenn es mal nicht gleich etwas auf die Mütze gibt.
Nach neun Songs brechen Falling In Reverse abrupt ab, gehen, abermals begleitet von Kameras, in Richtung Garderobe. Ronnie Radke beschimpft dabei in herber Wortwahl die Fanmassen – Peter Handkes einst skandalträchtiges Schauspiel "Publikumsbeschimpfung" lässt grüßen.
Selbstverständlich aber kehrt die Band zurück zur Bühne. Schließlich muss unter anderem noch "Popular Monster" gewürdigt werden. Zum Finale treiben Falling In Reverse ein maliziöses Spiel wie einst Kaiser Nero im antiken Rom: "Watch The World Burn". © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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