- Frühling und Sommer sind Zeckenzeit? Das war einmal. Inzwischen ist eine Winterzecke auf dem Vormarsch.
- Die sogenannte Auwaldzecke könnte FSME übertragen. Gefährlicher als für Menschen ist sie allerdings für Tiere.
Klein, aber nicht waffenlos ist das braune Krabbeltier, vor dem aktuell gewarnt wird: Dermacentor reticulatus. Hinter dem lateinischen Namen versteckt sich die sogenannte Auwaldzecke, die vor allem für Hunde und Pferde, ein wenig aber auch für den Menschen zum gefährlichen Begleiter wird. Und das nicht nur in der bislang als Zeckenzeit bekannten Phase ab März oder April, sondern rund ums Jahr und im ganzen Land.
Begünstigend für die Auwaldzecke - auch Winterzecke genannt - ist der Klimawandel. Steigende Temperaturen kommen der Buntzeckenart schon seit längerem sehr entgegen. Sie sucht im Gegensatz zu ihren seit Jahren etablierten Verwandten schon bei Temperaturen um die vier Grad aktiv nach Wirten, die sie stechen könnte. Nächtlicher Bodenfrost hält sie nicht auf. Und damit steigt das Risiko für Menschen, früher im Jahr an Erregern zu erkranken, die durch Zecken übertragen werden - etwa an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), auch wenn die Gefahr insgesamt noch sehr klein ist.
Forscher gehen zwar davon aus, dass auch schon eine FSME-Übertragung von der Auwaldzecke auf Menschen stattgefunden hat. Allerdings scheint sie für den Menschen eher nicht gefährlich zu sein. So hatten von den bei einer Sammlung der Tierärztlichen Hochschule in Hannover eingesendeten Auwaldzecken gerade einmal 0,36 Prozent einen Menschen gestochen.
Tierhalter sollten wachsam sein
Die Zecke beißt vorzugsweise Hunde und Pferde und verbreitet sich deutschlandweit, warnt die Tierschutzorganisation Aktion Tier. Tierhalter sollten darauf achten, ihr Tier ab sofort ganzjährig gegen Zecken zu schützen, empfiehlt Tina Hölscher, Tierärztin bei Aktion Tier. Neben den üblichen Krankheiten, die von Zecken übertragen werden, ist die Buntzecke zudem Überträger der Babesiose. Das ist eine Erkrankung, die man bisher nur aus dem Ausland kannte. Sie führt zu hohem Fieber und zur Zerstörung der roten Blutkörperchen, was zum Tode des Tieres führen kann.
Tierärzte sollten nun an diese Infektionskrankheit denken, wenn ein Tier an Blutarmut leidet und dabei hohes Fieber hat - auch wenn der Patient bis dato nicht im Ausland war. Wird die akute Krankheit schnell erkannt, habe das Tier eine Chance zu überleben, so Hölscher.
Zum Zeckenschutz zählen ein Check des Tieres nach jedem Spaziergang durch Bürsten und Kämmen des Fells, aber auch vorbeugende Maßnahmen. Hierzu kann der Tierbesitzer im Vorfeld Präparate verabreichen. Die gibt es in Tablettenform, als Halsband oder zum Aufträufeln auf die Haut. Aktion Tier rät dazu, die Präparate in der Apotheke oder beim Tierarzt zu kaufen.
Wo die Winterzecke inzwischen heimisch ist
Die Zeckenexpertin Ute Mackenstedt von der Stuttgarter Uni Hohenheim hatte nach den ersten Funden von Hyalomma-Zecken und der Braunen Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) in Deutschland vor knapp zwei Jahren dazu aufgerufen, verdächtige Zecken einzusenden. So wurden nach ihren Angaben bislang rund 9.000 Exemplare eingeschickt und untersucht, darunter auch Auwaldzecken. Auf diesem Weg habe sich unter anderem auch gezeigt, wie sehr diese Zeckenart mittlerweile heimisch geworden sei.
"Wir sehen, dass die Auwaldzecke vor allem im Norden eine sehr invasive Art ist", sagt auch Dobler. Sie komme ursprünglich aus dem Osten, aus Sachsen und Sachsen-Anhalt, und sei über den Westen nordwärts gezogen.
Wie Corona das FSME-Risiko erhöhte
FSME ist von wenigen Landkreisen abgesehen vor allem in Süddeutschland bis hinein nach Hessen, Thüringen und Sachsen verbreitet. Die meisten infizierten Menschen bleiben beschwerdefrei. In schweren Fällen kann diese Viruserkrankung aber zu einer Gehirnentzündung und zu einer Schädigung des Rückenmarks führen. Gegen diese Krankheit gibt es eine Impfung, nicht jedoch gegen die in ganz Deutschland verbreitete Borreliose. Inzwischen wurde nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) das FSME-Virus auch in Auwaldzecken nachgewiesen.
"Wir wissen, dass FSME pro Jahr etwa 0,8 Tage früher auftritt", sagt Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Die Zeckenaktivität habe sich in den vergangenen 20 Jahren um mehr als zwei Wochen nach vorne verschoben, das gelte auch nach hinten heraus. "So wird auch der Zeitraum größer, in dem FSME als meldepflichtiges Ereignis wichtig wird und von Ärzten beachtet werden sollte", warnt der Leiter der Abteilung für Virologie und Rickettsiologie.
Und auch die Corona-Pandemie hat etwas damit zu tun, dass die Gefahr durch die Zecken insgesamt steigt. "Bedingt durch die empfohlenen Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 haben sich Menschen in Ihrer Freizeit häufiger im Freien aufgehalten und hatten somit ein erhöhtes Expositionsrisiko", heißt es beim Landesgesundheitsamt (LGA) in Stuttgart. (dpa/af)

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