Jemanden per Testament vom Erbe auszuschließen, hat einen schlechten Ruf. Doch es kann gute Gründe geben, nahe Angehörige zu enterben. Etwa, wenn ein Erbe insolvent ist und das Erbe an dessen Gläubiger gehen würde. Ganz gleich, was die Gründe sind: Beim Enterben gibt es einiges zu beachten.
Ich gebe es zu, meine Vorstellung vom Enterben war bisher von Filmen und Serien geprägt, in denen vermögende Menschen aus Rachsucht oder Niedertracht einen Teil ihrer Nachkommen von dem Geldsegen ausschließen wollen, der nach dem Tod des Familienoberhaupts fließen würde. Wie so oft ist die Wirklichkeit nicht ganz so dramatisch.
Im Gegenteil, es gibt durchaus Fälle, in denen Menschen in wohlmeinender Absicht enterbt werden. Etwa dann, wenn ein Erbe staatliche Hilfen wegen Arbeitslosigkeit oder Behinderung bezieht, die er oder sie verlieren würde, wenn eine Erbschaft eintrudelt. Oder wenn ein Erbe insolvent ist. Dann kann eine Enterbung dafür sorgen, dass ein größerer Teil des Vermögens in der Familie bleibt, statt an die Gläubiger zu fließen.
Zwei Wege, um jemanden zu enterben
Es gibt zwei Wege, jemanden zu enterben. Zum einen kann die oder der Vererbende im Testament ausdrücklich anordnen, dass eine Person von der Erbschaft ausgeschlossen sein soll.
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Zum anderen besteht die Möglichkeit, die fragliche Person im Testament einfach nicht zu bedenken: Der Erblasser nennt die anderen Erben und erwähnt denjenigen, der enterbt werden soll, nicht. Gründe muss er dabei nicht angeben. Ein Testament ist aber auf jeden Fall Pflicht, um jemanden zu enterben. Gibt es keines, greift die gesetzliche Erbfolge.
Wer enterbt wird, bekommt trotzdem den Pflichtteil
Ganz so wie in Filmen und Serien funktioniert das Enterben allerdings nicht. Im Film reicht gewöhnlich ein gültiges Testament und schon geht eines der Kinder komplett leer aus. Ein solches Szenario ist im deutschen Erbrecht nicht vorgesehen. Nahe Angehörige wie Kinder, Enkel, Ehepartner oder Eltern der verstorbenen Person, die enterbt wurden, haben trotzdem Anspruch auf den sogenannten Pflichtteil. Und der ist nicht zu unterschätzen: Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wie hoch der Pflichtteil bei den verschiedenen Verwandtschaftsgraden ist, hat die Stiftung Warentest hier zusammenstellt.
Nehmen wir zum Beispiel eine alleinstehende Frau, die bei ihrem Tod 20.000 Euro auf dem Konto hat. Nach der gesetzlichen Erbfolge würde jedes ihrer beiden Kinder die Hälfte davon erhalten – der gesetzliche Erbteil beträgt also 10.000 Euro. Enterbt sie eines ihrer Kinder, bekommt es immer noch die Hälfte davon, also 5.000 Euro.
Verzicht ist möglich
Möglichkeiten, den Pflichtteil zu entziehen, gibt es kaum. In seltenen Fällen kann die vererbende Person dem Erben den Pflichtteil entziehen. Zum Beispiel dann, wenn der Erbe wegen einer vorsätzlichen Straftat zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde; oder wenn er oder sie den Vererbenden töten wollte. Hat der Erbe dies sogar getan, können ihn die anderen Erben vom Gericht für erbunwürdig erklären lassen. Wie das Wort schon nahelegt, geht derjenige dann ebenfalls leer aus.
Zum Glück dürften die Gründe, einem Erben nicht einmal den Pflichtteil lassen zu wollen, in den meisten Fällen weniger schwerwiegend sein. Nehmen wir den besten Fall: Jemand soll enterbt werden, um seine Ansprüche auf Sozialleistungen zu bewahren. In diesem Fall ist es möglich, einen Verzicht auf den Pflichtteil zu vereinbaren. Dabei müssen sich beide Beteiligte einig sein. Der Verzicht muss vor einer Notarin oder einem Notar geschlossen werden.
Wichtig zu wissen ist auch, wem kein Pflichtteil zusteht: den Geschwistern des oder der Verstorbenen und seinen Großeltern etwa. Auch andere weiter entfernte Verwandte wie Nichten und Neffen habe keinen Anspruch. Ebenfalls ohne Pflichtteilsanspruch gehen in der Regel Ex-Ehegatten aus – selbst dann, wenn die Scheidung noch nicht rechtskräftig ist, sondern nur eingereicht wurde und beide Partner zugestimmt haben.
Auf das Thema Enterben habe ich jetzt jedenfalls eine ganz neue Sicht – wenn auch eher theoretisch. Denn bisher habe ich weder ein hohes Vermögen, das ich aufteilen könnte, noch eine große Schar von Kindern und Enkeln. Aber kann ja noch werden.
Weiterführende Informationen
- Sie wollen Ihr Testament schreiben, wissen aber nicht, wie? Die Stiftung Warentest hat Musterformulierungen für viele gängige Fälle zusammengestellt.
Über die Autorin
- Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Stiftung Warentest Finanzen und ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Die Stiftung Warentest testet seit 60 Jahren Finanzdienstleistungen und veröffentlicht die Ergebnisse auf test.de und in ihren Magazinen. Alle Publikationen sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.