Nach der umstrittenen Ministerpräsidentenwahl steckt Thüringen in einer politischen Krise. Wie kann eine Regierung ins Amt kommen, ohne von AfD-Stimmen abhängig zu sein? Ex-Ministerpräsident Ramelow macht einen ungewöhnlichen Vorschlag. Ist es der Befreiungsschlag? Die Reaktionen sind geteilt.

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Der Vorschlag von Thüringens ehemaligem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke), für eine Übergangszeit seine Vorgängerin Christine Lieberknecht (CDU) zur Ministerpräsidentin zu machen, stößt im Präsidium der Bundes-CDU auf Zustimmung.

CDU-Präsidiumsmitglied Annette Widmann-Mauz forderte am Dienstag im Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg, den überraschenden Vorschlag ernsthaft zu prüfen. "Ich glaube, es ist klug, wenn man sich rückversichert, wenn man darüber berät."

Widmann-Mauz forderte die CDU in Thüringen auf, jetzt "ausgiebig" über den Vorschlag Ramelows zu beraten. Berlin dürfe da nicht vorgreifen. "Aber wenn es eine Möglichkeit ist, Thüringen wieder zu stabilen Verhältnissen zu verhelfen, dann ist es zumindest ein Vorschlag, über den man sehr ernsthaft diskutieren muss."

Thüringens SPD-Chef Tiefensee: "Das ist keine Erpressung, das ist ein Angebot"

Unterstützung bekommt Ramelow auch von der Thüringer SPD. Deren Landeschef Wolfgang Tiefensee zollte Ramelow im BR-Radiosender Bayern 2 auch persönlich Respekt. "Ich finde es gut, dass er sich für eine gewisse Übergangszeit selbst aus dem Rennen nimmt und dass wir auf schnelle Neuwahlen zielen", sagte Tiefensee.

Er erwarte, dass auch die CDU "heute mit einem ganz konkreten Fahrplan kommt und einen anderen Vorschlag dagegen setzt". Dann werde man darüber diskutieren und hoffentlich bald zu einer Entscheidung kommen. "Wir können uns keinen Stillstand leisten. Wir müssen zu klaren, stabilen Verhältnissen kommen." Eine Neuwahl ist aus seiner Sicht unumgänglich.

Auch der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans äußerte sich zu dem Vorschlag. Auf Twitter kommentierte er: "Jetzt ist es an der CDU, die ausgestreckte Hand anzunehmen und die Thüringerinnen und Thüringer bei einer raschen Neuwahl urteilen zu lassen."

Linke und SPD könnten bei einer Neuwahl voraussichtlich mit einem Aufschwung rechnen, CDU, Grüne und FDP müssten eher Verluste befürchten. Auf die Frage im Deutschlandfunk, ob Ramelows Vorschlag nicht eigentlich eine Erpressung sei, antwortete Tiefensee: "Das ist ein Angebot."

Grüne: "Dieser Vorschlag kann uns aus der Regierungskrise herausführen"

Der Thüringer Grünen-Fraktionschef Dirk Adams unterstützt den Vorstoß der Linken. "Das ist auf jeden Fall ein Vorschlag, der uns aus der Regierungskrise herausführen kann", sagte Adams am Dienstag dem Sender MDR Aktuell. Damit befürworten Linke, SPD und Grüne den Vorstoß - nur die CDU muss sich insgesamt noch positionieren.

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt begrüßte zumindest Ramelows Vorstoß. Dass er von der Linkspartei komme, solle "nicht zu kleinteilig betrachtet werden", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Die CDU könne trotzdem aus dem Verfahren gestärkt hervorgehen, wenn sie geschlossen agiere.

Grünen-Politiker Adams sagte, mit dem Vorschlag Ramelows würden auch Bedenken der CDU Rechnung getragen, die Ramelow als ebenfalls möglichen Kandidaten nicht aktiv mitwählen wollen. "Es war ja immer die Schwierigkeit gewesen, dass die CDU gesagt hat, sie kann nicht erklären, dass vier oder mehr Stimmen Bodo Ramelow im ersten Wahlgang wählen." (hub/afp/dpa)