- Christian Baldauf will in Rheinland-Pfalz Malu Dreyer ablösen und am 14. März neuer Ministerpräsident werden.
- Im Exklusivinterview spricht der 53 Jahre alte CDU-Spitzenkandidat über die Versäumnisse der Landesregierung, seine Pläne, seine Vorbilder und seine Forderung "Seepferdchen für alle Grundschüler".
- Baldauf verlor seinen Vater an COVID-19 und hat deshalb überhaupt kein Verständnis für Coronaleugner.
Herr
Christian Baldauf: Wir gehen mit Rückenwind und geschlossen in die kommenden Wochen. Dabei werden wir den Finger in die Wunde legen und unsere Lösungen präsentieren. Die Landesregierung ist Dauergast bei Gericht, zuletzt wurde der kommunale Finanzausgleich für verfassungswidrig erklärt. Wir wollen das Bildungschaos in Rheinland-Pfalz beenden. Unser Ansatz lautet: Deutsch fördern und einen modernen, digitalen Unterricht ermöglichen - mehr Lehrer, mehr Laptops, mehr Bildungsqualität. Bildungsfragen werden die Landtagswahlen entscheiden.
Laut aktueller Umfragen ist die CDU mit 33 Prozent derzeit stärkste Partei. Wie haben Sie das geschafft?
Umfragen sind nur Momentaufnahmen. Wir kämpfen darum, stärkste Kraft zu werden und "35 plus" zu holen. Die CDU-Landtagsfraktion präsentiert seit Jahren konsequent Lösungsansätze. Wir kritisieren nicht nur, sondern reden sehr gezielt mit Verbänden und Vereinigungen. Zum Beispiel jetzt zur Situation des Einzelhandels. Ich bin glühender Verfechter eines Unternehmerlohns.
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Christian Baldauf: "Mit mir gibt's einen Unternehmerlohn und Gründerdarlehen"
Wie soll der genau aussehen?
Unter einer CDU-geführten Landesregierung wird dieser Lohn eingeführt. Der Unternehmerlohn soll bei 1.180 Euro liegen, damit jetzt die schlimmste Zeit überbrückt werden kann. Ich möchte Insolvenzen und Jobverlust verhindern. Leider wurde er schon mehrfach von der Ampel-Koalition im Landtag abgelehnt. Die Regierung macht es sich zu leicht, wenn sie immer alles auf den Bund abschiebt, aber kein eigenes Förderprogramm auflegt, das wirklich zielführend ist und frisches Geld einbringt. Das schädigt unsere Mittelständler und Arbeitsplätze.
Was wollen Sie anders machen?
Die CDU wird im Falle eines Wahlsiegs ein Programm mit eigenem Landesgeld auflegen. Wir wollen auch Gründerdarlehen und direkte Gründerstipendien, damit mehr Menschen hier in Rheinland-Pfalz eine Gründung wagen. 1.000 Euro für zwölf Monate, um innovative Ideen auszuprobieren, und anschließend Unterstützung über einen Gründerfonds, damit sie auch hierbleiben, wenn sie vielversprechendes Potenzial haben. Damit wollen wir nicht nur Jobs erhalten, sondern auch am künftigen Wohlstand arbeiten. Ich kann aber noch weitere Punkte nennen, weshalb der Wahlkampf aus unserer Sicht gut läuft.
Nämlich?
Wir greifen die Themen in den Regionen auf. Die Menschen möchten wissen, was sich für sie in ihrem eigenen Umfeld verbessert oder zumindest nicht verschlechtert. Straßenbau, Schulen, Situation der Krankenhäuser, Kitas. Deshalb haben wir 14 Regionen definiert, bei denen wir jeweils die dort interessierenden, problematischen Punkte aufgreifen. Wir haben somit auch 14 Wahlprogramme statt nur einem.
"Wenn ich vor Ort einen Termin machen würde, kämen nicht so viele Leute wie auf virtuellem Weg"
Jeder vierte Wähler kennt den CDU-Spitzenkandidaten, also Sie, gar nicht. Woran liegt das und wie wollen Sie das ändern?
Sie werden sehen, dass die Bekanntheit in den kommenden Wochen noch zunehmen wird. So werden wir insgesamt 100.000 Plakate aufhängen. Unsere Rheinland-Pfalz-Zeitung ging an 1,9 Millionen Haushalte. Und das Video, in dem Wegbegleiter von mir auf Facebook zu Wort kommen, wurde bereits 130.000-mal angeschaut. Natürlich haben wir durch Corona nicht die Möglichkeit, überall vor Ort zu sein. Das ist schon seit einem Jahr so. Ich versuche, bei Beachtung aller Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen, auch noch Termine vor Ort zu machen, beispielsweise in den Innenstädten. Die Situation des Einzelhandels bereitet mir große Sorge. Ansonsten versuche ich, über Themen Zielgruppen anzusprechen. Wir sind stark im Internet vertreten, machen sehr viele virtuelle Konferenzen mit Betroffenen und Interessierten, etwa zu den Themen Bildung, Wirtschaft oder Polizei und Rettungskräfte. Die sind immer gut besucht. Mein Eindruck ist: Wenn ich vor Ort einen Termin machen würde, kämen nicht so viele Leute wie auf virtuellem Weg.
Also hat der virtuelle Wahlkampf für die Politiker nicht nur Nachteile?
Das muss man unterscheiden. Natürlich kommen zu den digitalen Veranstaltungen viele Menschen. Was aber im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen fehlt, sind die Volksfeste, die Gaststätten, die Marktplätze, die Fußgängerzonen, also die direkten Kontakte vor Ort. Das können die digitalen Talkrunden nicht ersetzen. Ohne Corona bekäme ich einfach mehr Leute zu Gesicht. Aber ich nehme die Situation, wie sie ist. So habe ich es immer gemacht, schon in meiner Fußballerzeit.
Laut Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen würden bei einer Direktwahl sogar nur 50 Prozent der CDU-Wähler für Sie votieren, 40 Prozent für
Frau Dreyer ist sympathisch, keine Frage, aber nett sein bedeutet noch keine gute Politik zu machen. Ich gehe davon aus, dass die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer dieses Mal sehr genau hinschauen, was in den letzten Jahren gut gelaufen ist und was nicht. So musste die Umweltministerin in der Beförderungsaffäre zurücktreten. Der frühere Finanzminister aus der Nürburgringaffäre sitzt im Gefängnis. Elf der 20 deutschlandweit am höchsten verschuldeten Kommunen kommen aus Rheinland-Pfalz.
Was werfen Sie der Landesregierung konkret vor?
Nehmen Sie die Digitalisierung in Rheinland-Pfalz. Da ist die jordanische Wüste besser mit Mobilfunkmasten ausgestattet. Bei der Breitbandanbindung ist es nicht viel besser. Frau Dreyer wollte 2018 die Gigabit-Gesellschaft in Rheinland-Pfalz haben, davon sind wir aber weit entfernt. Von digitalen Schulen will ich gar nicht sprechen. Es muss Schluss sein mit dieser Ankündigungspolitik. Die SPD ist seit fast 30 Jahren an der Macht. Wenn jetzt angekündigt wird, die Schulen ans WLAN anzuschließen oder für Laptops und Tablets zu sorgen – dann frage ich mich: Was hat die Landesregierung eigentlich in den vergangenen Jahren gemacht? Da ist viel Fassadenpolitik. Das gilt auch für den Noch-Wirtschaftsminister Volker Wissing: Was hat er denn in den fünf Jahren erreicht? Der Investitionsstau bei den Straßen hat sich in seiner Zeit noch erhöht. Im Jahr vor Corona hatte Rheinland-Pfalz beim Wirtschaftswachstum die rote Laterne.
Welche Macht-Option wäre Ihnen am liebsten, wenn am 14. März ab 18 Uhr die ersten Prognosen und Hochrechnungen veröffentlicht werden?
Zunächst einmal: Wir kämpfen für den Wahlsieg. Ich bin Fußballer und habe noch nie auf unentschieden gespielt. Klar ist, dass es keine Verhandlungen mit der AfD oder der Linkspartei geben wird. Die AfD ist völkisch und vertritt Auffassungen, die nicht mit den Werten der CDU vereinbar sind. Und die Linkspartei erkennt bis heute nicht die DDR als Unrechtsstaat an. Bei den anderen muss man dann schauen, wie groß die Schnittmengen sind. Wir haben eigene Ideen in unserem Regierungsprogramm formuliert – und die will ich möglichst auch durchsetzen, gerade in der Bildungspolitik.
Zum Beispiel?
Wir rücken die frühe Bildung in den Vordergrund. Fast ein Drittel der Kinder kann in der vierten Klasse nicht hinreichend Lesen und Schreiben. Wir wollen flächendeckende Sprachtests im Kita-Alter und wir wollen Startergruppen, um beim Übergang von der Kita in die Schule zu helfen. Ich nenne Ihnen das Beispiel einer Ludwigshafener Grundschule, erste Klasse: Neun von 20 Kindern sprechen kein Deutsch. Viele könnten nicht einmal einen Stift richtig halten. Mir geht es darum, dass hier nicht schon in der Grundschule ein Großteil der Kinder abgehängt wird. Das ist in Corona-Zeiten umso wichtiger.
"Ich halte es für sehr wichtig, dass alle schwimmen können"
Stimmt es, dass Sie das "Seepferdchen für Grundschüler" fordern?
Ja. Bildung kann nur ganzheitlich funktionieren, wenn man – so wie ich das tun möchte – Lesen, Schreiben und Rechnen zur Kernkompetenz macht. Experimente wie "Schreiben nach Gehör" wird es bei mir in der Grundschule nicht mehr geben. Dafür aber eine einheitliche Schreibschrift, die jeder beherrscht, damit es in der weiterführenden Schule kein Problem gibt. Daneben gilt aber auch der alte Spruch "In einem gesunden Körper ruht ein gesunder Geist", deshalb halte ich es für sehr wichtig, dass alle schwimmen können. Das war früher so, als ich jung war, und da müssen wir wieder hinkommen. Schwimmen ist ja eine Grundsportart, die wir auch zum eigenen Schutz brauchen.
Wenn man Sie als "unbekannten Provinzpolitiker" bezeichnet – stört Sie das?
Wenn man damit meint, dass ich geerdet und verwurzelt bin, die lokalen Themen sehr intensiv bearbeite, mich für die Probleme vor Ort interessiere und Rheinland-Pfalz zum "Land der Reben, Rüben und Router" machen möchte, dann habe ich damit kein Problem.
Wer sind Ihre politischen Vorbilder?
Aktuell ist es Angela Merkel. Mich beeindruckten ihre Ruhe und Gelassenheit, wie sie die Regierung führt in einer Zeit, in der es keine Blaupausen gibt. Früher war es Konrad Adenauer. An ihm imponiert mir, dass er gradlinig eine Idee verfolgt hat. Er wusste, von was er redet und wie er es umsetzen soll. Er hat 1955 die letzten Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion zurückgeholt, uns auf Augenhöhe zu den Amerikanern und Franzosen gebracht. Sportliches Vorbild ist übrigens Fritz Walter. Wenn ich mir überlege, was die damals geleistet haben!
Ich hätte ehrlich gesagt jetzt den Namen Helmut Kohl erwartet ...
Ja, der ist ja eine Art Ziehvater für mich, wie Bernhard Vogel auch. Wegen Helmut Kohl bin ich in die CDU eingetreten.
Es gab Diskussionen über die Impfstrategie des Landes. Welche Fehler hat die Landesregierung gemacht?
Die Landesregierung nutzt ein rollierendes System, nimmt also zunächst die Erstimpfungen vor und hofft, dass es dann noch genug Stoff gibt, um die Zweitimpfung durchzuführen. Das machen auch andere Bundesländer, allerdings planen die mit mehr Reserven, falls es zu Lieferschwankungen kommt. In Rheinland-Pfalz mussten rund 30.000 Termine für Erstimpfungen verschoben werden. Das hat die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger verunsichert. Die Regierung hat erklärt, die Zweitimpfungen seien sicher, und da nehme ich sie beim Wort. Ältere Menschen kamen am Telefon nicht durch, das Online-Anmeldeverfahren war kompliziert. Eine vorausschauende, durchdachte Impfstrategie sieht anders aus.
Die Corona-Pandemie ist das alles beherrschende Thema. Dennoch gibt es viele Menschen, die die Existenz beziehungsweise die Gefährlichkeit des Virus leugnen. Können Sie dafür Verständnis aufbringen?
Nein, dafür habe ich kein Verständnis, denn ich habe selbst erleben müssen, wie mein Vater daran verstorben ist. Und es sterben weiterhin Menschen an diesem Virus. Deshalb kann ich so eine Einstellung nicht nachvollziehen. Es geht hier um die schwierige Abwägung zwischen Freiheitsrechten und Gesundheitsschutz. Da geht es auch um die Solidarität mit den Menschen, die diesen Schutz besonders benötigen. Verschwörungstheorien bringen uns hier nicht weiter. Deshalb bin ich wirklich dankbar, wie die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gemeinsam sehr diszipliniert versucht, durch diese Krise zu kommen. Allerdings verstehe ich auch jeden, der vor dem Hintergrund dieser langen Zeit eine gewisse Müdigkeit empfindet.
"Wir brauchen dringend ein Wiederaufforstungsprogramm"
Wie kommen wir denn durch die Krise?
Es muss ein Plan her, wie es weitergehen soll, was für welche Fälle vorgesehen ist. Da müssen wir sehr regional agieren: Wenn in Regionen die Inzidenz niedrig ist, müssen dort wieder Regelschulbetrieb und teilweise Öffnungen möglich sein. Solche Pläne gibt es in Rheinland-Pfalz bisher nicht. Sehen Sie sich die Digitalisierung der Schulen an. Ich hätte im Mai, Juni, nach der ersten Welle, die Bürgermeister und Landräte zu mir geholt und mit ihnen zusammen im Sommer eine Digitaloffensive gestartet, also die Schulen, Lehrer und Schüler entsprechend ausgestattet, IT-Fachleute eingestellt. Dann wären wir im Herbst digital sauber aufgestellt gewesen. Auch in Sachen Impfung hätte man im Sommer schon die Vorbereitungen für einen möglichen Impfbeginn im Winter treffen können, so zum Beispiel die Voraussetzungen schaffen können, dass die Pflegeeinrichtungen schnell durchgeimpft sind. Wir hätten viel vorausschauender agieren können.
Welche Antworten haben Sie und die CDU auf die noch viel größere Krise, die Klimakrise?
Wenn wir die Regierung in Rheinland-Pfalz übernehmen, werde ich einen Staatssekretär im Bereich Bioökonomie an die Staatskanzlei andocken. Wir müssen den Transformationsprozess im Wirtschaftsbereich so gestalten, dass er ökonomisch, aber auch ökologisch sinnvoll ist. 43 Prozent der Fläche von Rheinland-Pfalz sind bewaldet, aber über 80 Prozent der Bäume sind geschädigt. Der Wald ist nach dem Moor das größte CO2-Reservoir. Deshalb brauchen wir dringend ein Wiederaufforstungsprogramm. Nicht so, wie es die Grünen vorhaben, nämlich die wegen der Schädigung gerodeten Flächen mit Windanlagen zu bestücken. Der Wald hat für mich die oberste Priorität.
Auf dem digitalen Parteitag der Bundes-CDU wurde Armin Laschet zum neuen Vorsitzenden gewählt. Wäre ein anderer Vorsitzender besser gewesen?
Nein, ich erhoffe mir einen Schub durch die Wahl von Armin Laschet – und den gab es ja schon. Wir hatten drei sehr gute Kandidaten, die sich alle bereit erklärt haben, den Sieger zu akzeptieren und zu unterstützen – und so passiert das jetzt auch im Moment. Ich verspüre dadurch großen Rückenwind. Wenn ich mir ansehe, wer bei der SPD gewählt wurde, noch dazu von nur wenigen Leuten, dann kann ich nur sagen, dass wir alles richtig gemacht haben.
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