Für SPD und Grüne waren die Abstimmungen vergangene Woche, bei denen die Union auch Mehrheiten mit der AfD in Kauf nahm, ein Dammbruch. Besonders aus den Jugendorganisationen der beiden Parteien hagelte es jetzt Kritik.
Bereits nach der ersten Abstimmung vergangenen Mittwoch zu einem Antrag der CDU/CSU, der durch Stimmen der AfD eine Mehrheit im Bundestag erlangt hatte, äußerte sich die Grüne Jugend zu möglichen Koalitionsverhandlungen. Der Vorsitzende der Grünen Jugend, Jakob Blasel, hält eine etwaige Koalition der Grünen mit der Union unter Friedrich Merz für nicht hinnehmbar. "Solange Merz an der Spitze der Union steht, dürfen die Grünen keine Koalition mit CDU und CSU eingehen", sagte Blasel dem "Spiegel". Der CDU-Kanzlerkandidat habe die Demokratie zum Spielball seines eigenen Wahlkampfs gemacht.
"Konservative, die Steigbügelhalter für Nazis sind, können keine Koalitionspartner werden", sagte Blasel über die Union. Der Bundestag hatte zuvor einem Antrag mehrheitlich zugestimmt, der Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen vorsieht. Für den Antrag stimmten 187 Abgeordnete der Union, 75 AfD-Abgeordnete sowie 80 Angehörige der FDP-Fraktion sowie 6 Fraktionslose. Zusammen sind das 348 Stimmen. 344 Abgeordnete stimmten dagegen. Der Antrag hat jedoch keine rechtlich bindende Wirkung.
Jusos bei Koalitionsfrage mit CDU/CSU geteilter Meinung
Am heutigen Dienstag meldeten sich auch die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, zu Wort. Dem "Spiegel" sagte der Juso-Chef Philipp Türmer: "Ich bekomme jeden Tag Dutzende Nachrichten von Jusos und aus anderen Teilen der Partei, die mir sagen, dass eine Koalition mit der Union unter
Türmer selbst hält sich aber mit Absagen an eine Koalition mit der Union zurück. Kritik übt er an dem Manöver CDU/CSU allerdings schon. "Kooperation mit Faschos, Erpressung statt Kompromisssuche und das sichere Gefühl, dass wir es hier mit einem affektgetriebenen Politikamateur ohne Impulskontrolle zu tun haben, lassen sehr ernsthaft an der Regierungsfähigkeit der Union in diesem Zustand zweifeln."
Intern soll bei der SPD trotz massiver Kritik an Friedrich Merz eine Koalition immer noch eine Option sein. Demokraten müssten immer gesprächsbereit sein, heißt es. Die Jusos wollen aber eine große Koalition nicht um jeden Preis. "Ich hoffe, dass demokratische Mehrheiten abseits einer schwarz-roten Koalition möglich sind", sagte die Berliner Juso-Vorsitzende Kari Lenke dem "Spiegel". Die vergangene Woche habe "gezeigt, wie viel die Parteien CDU/CSU und SPD inhaltlich und ideologisch trennt".
"Der Dammbruch darf nicht ohne Konsequenzen bleiben", forderte Lenke. "Gleichzeitig besteht bei uns die Sorge, dass als weitere Option neben der Groko nur eine Koalition von CDU/CSU mit der AfD möglich sein könnte." Man dürfe in der SPD keine Angst vor dem Gang in die Opposition haben, so die Juso-Vorsitzende weiter. Jedoch müsste man eine Machtübernahme von Faschisten und Rechtsextremen verhindern.
Merz sieht große Koalition weiterhin als Option
Friedrich Merz sieht ebenfalls das Tischtuch zwischen Union und SPD noch nicht als zerschnitten an. Man werde sich trotz harter Kontroversen nach der Bundestagswahl auf Schritte in der Migrationspolitik verständigen können, so Merz beim TV-Sender Phoenix. "Nach der Wahl werden wir uns auf diese Themen, die in unserem Gesetzentwurf vorhanden waren, einigen, zumal sie im Wahlprogramm der SPD stehen." Hätte die SPD zugestimmt, dann, "hätten wir heute eine verbesserte Rechtslage, gerade was das Thema Migration betrifft. Jetzt müssen wir auf die Zeit nach der Bundestagswahl warten", sagte der Kanzlerkandidat der Union.
Merz verwies darauf, dass am Freitagabend Union, SPD, FDP und Union gemeinsam ein Gesetz zum besseren Schutz von Frauen vor Gewalt verabschiedet haben. Das zeige: "Es wird auch danach weitergehen." Der Bundestag könne auch noch nach der Bundestagswahl zusammentreten und Entscheidungen treffen, auch wenn das neugewählte Parlament erst vier Wochen später zusammenkomme. "Es wird nie eine Zeit ohne handlungsfähigen Bundestag geben. Wenn die SPD, wenn die Grünen Entscheidungen treffen wollen, an uns wird es nicht scheitern", sagte Merz.
Auch bei "Welt TV" machte Merz deutlich, dass Gespräche zwischen der Union, SPD und Grünen weiter möglich seien. Jetzt sei viel Wahlkampf und Nervosität dabei, SPD und Grüne stünden mit dem Rücken zur Wand. "Die SPD kommt aus diesem Loch nicht heraus. Ich sehe auch nicht, dass das noch besser wird in den nächsten Tagen. Danach reden wir miteinander, ist doch völlig klar", betonte der Unionskanzlerkandidat.
Lang kritisiert eigene Partei für Umgang mit AfD-Debatte
Kritik am Umgang mit der AfD-Abstimmungsdebatte kam indes aus dem grünen Lager. Die frühere Grünen-Chefin und Bundestagsabgeordnete Ricarda Lang zeigte sich auf X verwundert, über so manche Aussage aus den Reihen der SPD und ihrer eigenen Partei. Zwar habe Merz "große Fehler im Umgang mit den Rechtsextremen gemacht" und auch sie selbst habe dafür "harte Worte" gefunden, äußerte sich Lang auf X. "Aber dieses fast hämische 'wollte er nicht die AfD halbieren höhöhö' von manchen aus meiner Partei und der SPD finde ich ziemlich befremdlich."
Besonders deutlich wurde die Grünen-Politikerin gegenüber der Rest-Ampel-Regierung. "Man kann nicht in Regierungsverantwortung sein, während sich die AfD verdoppelt und dann so tun, als ob dafür alleine die Opposition verantwortlich wäre", schrieb Lang. (the)
Verwendte Quellen
- Material von der dpa
- Spiegel (hinter einer Bezahlschranke): Jusos drohen Merz mit Koalitionsabsage


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