Das Militär in Myanmar ist gleich in mehreren Landesteilen durch den bewaffneten Widerstand ethnischer Gruppen in schwere Bedrängnis geraten. Derweil kommen viele Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar nach Monaten auf See in Indonesien an.

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Besonders heftige Kämpfe gibt es seit Ende Oktober im östlichen Shan-Staat an der Grenze zu China. "Seit Beginn der Operation wurden mehr als 154 Stützpunkte und Außenposten des myanmarischen Militärs von der Bruderallianz besetzt", sagte ein Sprecher von ISP Myanmar, einem nicht staatlichen Think-Tank, der Deutschen Presse-Agentur.

In Myanmar bekommt die Militärjunta immer mehr Widerstand zu spüren

Zu der Allianz gehören drei Gruppen: die Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA), die Ta'ang National Liberation Army (TNLA) und die Arakan Army (AA). Alle drei stehen China traditionell sehr nah. Auch ist es der Bruderallianz eigenen Angaben und Medienberichten zufolge gelungen, mindestens sechs Kleinstädte in der Region einzunehmen.

MNDAA-Sprecher Li Kyarwen sagte der dpa, dass mindestens 150 Soldaten der regierenden Junta ums Leben gekommen seien. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Nach UN-Angaben sind allein in der Grenzregion Zehntausende Menschen auf der Flucht. Viele versuchen, nach China zu gelangen.

Aber nicht nur China ist Ziel vieler Flüchtlinge aus dem gebeutelten Land. Die bereits seit 2017 verfolgten muslimischen Rohingya nehmen derzeit große Strapazen auf sich, um in ein für sie sicheres Land zu fliehen. Dabei ist Indonesien ein zentraler Anlaufpunkt für viele Rohingya.

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Flüchtlinge bis zu zwei Monaten auf offener See

Allein in der vergangenen Woche seien fünf Boote mit fast 900 Menschen an Bord in der Provinz Aceh im Norden der Insel Sumatra gelandet, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mit. Rund 250 von ihnen befanden sich demnach seit Donnerstag auf einer Odyssee im Meer, nachdem die örtliche Bevölkerung gleich an zwei Orten ein Anlanden verhindert und die erschöpften Menschen zurück auf den Ozean geschickt hatte. Erst nach einem Appell der Vereinten Nationen und mehrerer Menschenrechtsgruppen konnten sie am Sonntag schließlich an Land gehen.

Laut Mitra Salima Suryono, einer Sprecherin des UNHCR in Indonesien, haben die Flüchtlinge zwischen einem und zwei Monaten auf offener See verbracht, nachdem sie in Cox's Bazar in Bangladesch in See gestochen waren. Das dortige Flüchtlingslager aus vielen einzelnen Camps mit 600.000 bis einer Million Flüchtlingen aus dem früheren Birma gilt als das Größte der Welt. Die meisten Menschen leben dort seit Jahren in provisorischen Notunterkünften.

"Es handelt sich um Reisen von Menschen, die keine Chancen und die Hoffnung verloren haben"

Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit, die 2017 brutal aus ihrer überwiegend buddhistischen Heimat Myanmar vertrieben wurde. Hunderttausende Menschen flohen damals vor der Militäroffensive im Bundesstaat Rakhine, der im Westen an Bangladesch grenzt. Die Vereinten Nationen bezeichnen die Verfolgung der Rohingya als Völkermord. Die Angehörigen der Minderheit hatten durch ein 1983 erlassenes Gesetz der Militärjunta Myanmars ihre Staatsbürgerschaft verloren.

"Auf der Suche nach Lösungen gehen die Rohingya-Flüchtlinge erneut lebensgefährliche Risiken ein", schilderte Ann Maymann, Leiterin des UNHCR in Indonesien. "Es handelt sich um Reisen von Menschen, die keine Chancen und die Hoffnung verloren haben." Viele Fischer und Anwohner in Aceh hatten die ersten Boote in der vergangenen Woche zunächst willkommen geheißen und die Flüchtlinge mit Essen und Unterkünften versorgt. Aber eines der Boote wurde gleich an zwei Küstenorten abgelehnt.

Der indonesischen Regierung, die die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterschrieben hat, wird häufig Tatenlosigkeit im Umgang mit Flüchtlingen vorgeworfen. Aktivisten forderten, den Rohingya humanitäre Hilfe, Sicherheit und Schutz zu gewähren und den Grundsatz der Nichtzurückweisung zu respektieren. "Indonesien ist verpflichtet, ihnen zu helfen", sagte Usman Hamid, Geschäftsführer von Amnesty International in Indonesien, der Deutschen Presse-Agentur.

Flüchtlingslager in Bangladesch
Die Rohingya wurden bereits 2017 aus Myanmar vertrieben und leben derzeit zu Tausenden in Bangladesch. Vielen von ihnen versuchten jetzt mit Booten nach Indonesien zu kommen. © picture alliance/dpa/Nazrul Islam

Myanmar droht zu zerbrechen

In Myanmar steht die Junta vor einer der größten militärischen Herausforderungen seit ihrer Machtübernahme im Februar 2021. Seit dem Putsch der Generäle versinkt das frühere Birma – ein Vielvölkerstaat – in Chaos und Gewalt. Die entmachtete Ex-Regierungschefin Aung San Suu Kyi sitzt im Gefängnis.

Auch in anderen Bundesstaaten – etwa dem Chin-Staat an der Grenze zu Indien und Bangladesch, dem Karenni-Staat ganz im Osten sowie in der Region Sagaing – sollen sich bewaffnete Gruppen gegen das Militär erhoben und verschiedene Ortschaften und Militärposten eingenommen haben. Fast 450 Soldaten hätten in verschiedenen Landesteilen bereits ihre Waffen niedergelegt, berichtete die Zeitung "The Irrawaddy". "Die tatsächliche Zahl könnte aber höher sein, da immer mehr Junta-Positionen aufgegeben werden", schrieb das Blatt.

Angesichts der Erfolge der Widerstandsgruppen hatte der von der Junta eingesetzte Präsident des Krisenstaats, Myint Swe, bereits vor knapp zwei Wochen vor einem Zerfall des Landes gewarnt. "Wenn die Regierung die Vorfälle in der Grenzregion nicht wirksam bewältigt, wird dies das Land in verschiedene Teile spalten", sagte er. (dpa/the)

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