- Bringt die Kanzler-Reise nach Peking eine Zeitenwende auch in der China-Politik?
- Oder bleibt Scholz beim Pragmatismus der Merkel-Ära?
- Wenige Stunden vor seiner Abreise verkündet Scholz wie er die Beziehungen zu China künftig gestalten möchte.
Vor seiner mit Spannung erwarteten Reise nach Peking hat Bundeskanzler
Die Bekenntnisse zum Marxismus-Leninismus hätten dabei deutlich breiteren Raum eingenommen als bisher und das Streben nach Stabilität des kommunistischen Systems und nationaler Autonomie sei gestärkt worden.
"Das China von heute ist nicht mehr dasselbe wie noch vor fünf oder zehn Jahren", schreibt Scholz. "Es ist klar: Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern."
Scholz buchstabiert neue China-Strategie erstmals aus
Der Kanzler bricht am Donnerstag zu einem nur elfstündigen Besuch in Peking auf. Dort wird er Präsident
Jedes Wort und jede Geste des Kanzlers in Peking dürften auf die Goldwaage gelegt werden - von den Verbündeten in der Europäischen Union, von den USA und nicht zuletzt von den Koalitionspartnern in Berlin.
Während die USA schon seit längerer Zeit einen harten Kurs gegenüber der autoritären Regierung in Peking verfolgen, hatte das wirtschaftlich stark mit China verflochtene Deutschland unter Kanzlerin
Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP darauf verständigt, eine neue China-Strategie zu entwickeln. "Wir wollen und müssen unsere Beziehungen mit China in den Dimensionen Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität gestalten", heißt es darin.
In dem "FAZ"-Beitrag buchstabiert Scholz nun erstmals aus, was er sich unter einer neuen China-Strategie vorstellt. Er ist zwar gegen eine wirtschaftliche Entkopplung. Einseitige Abhängigkeiten müssten aber abgebaut werden.
"Wo riskante Abhängigkeiten entstanden sind – etwa bei wichtigen Rohstoffen, manchen seltenen Erden oder bestimmten Zukunftstechnologien –, stellen unsere Unternehmen ihre Lieferketten nun zu Recht breiter auf. Wir unterstützen sie dabei, zum Beispiel durch neue Rohstoff-Partnerschaften", schreibt er.
Mögliche Invasion Taiwans besorgt den Kanzler
Scholz kündigte an, bei seinen Gesprächen mit der chinesischen Führung "schwierige Themen" nicht ausklammern zu wollen. "Hierzu zählt die Achtung bürgerlicher und politischer Freiheitsrechte sowie der Rechte ethnischer Minderheiten etwa in der Provinz Xinjiang." Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen wirft der chinesischen Führung Unterdrückung der überwiegend muslimischen Uiguren in Xinjiang vor. Die Regierung in Peking weist die Vorwürfe zurück.
Beunruhigt äußerte sich Scholz mit Blick auf die angespannte Lage rund um Taiwan und warnte China indirekt vor einer Invasion. "Wie die USA und viele andere Staaten verfolgen wir eine Ein-China-Politik. Dazu gehört aber, dass eine Veränderung des Status quo nur friedlich und in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen darf."
China betrachtet das 23 Millionen Einwohner zählende Taiwan als Teil der Volksrepublik und lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh entschieden ab. Taiwan hingegen sieht sich schon lange als unabhängig an. Xi hatte auf dem Parteitag erneut mit einer Eroberung der Insel gedroht.
Experte: Kurswechsel Chinas in Bezug auf Russland ist unwahrscheinlich
Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erhofft sich Scholz Druck Pekings auf Moskau. "Als ständigem Mitglied des Sicherheitsrates kommt China eine besondere Verantwortung zu. Klare Worte Pekings an die Adresse Moskaus sind wichtig – zur Wahrung der Charta der Vereinten Nationen und ihrer Prinzipien."
Bislang hält die chinesische Führung aber an der demonstrativen Rückendeckung für den russischen Präsidenten fest. Beobachter sehen zwar, dass die Unterstützung des geostrategischen Partners in der Rivalität mit den USA längst nicht mehr so enthusiastisch ist. Aber ein echter Kurswechsel Xis gilt als unwahrscheinlich.
"Wenn Scholz erwartet, er könnte China dazu bringen, Russlands Krieg oder Drohungen in Europa öffentlich zu kritisieren, wird er enttäuscht werden", bewertet der renommierte Professor für internationale Beziehungen, Shi Yinhong, von der Volksuniversität (Renmin Daxue) die Lage.
Der Kanzler betonte in dem FAZ-Beitrag, dass er sich mit den USA und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor der Reise abgestimmt habe. "Wenn ich als deutscher Bundeskanzler nach Peking reise, dann tue ich das zugleich als Europäer", betonte er. "Nicht etwa um im Namen ganz Europas zu sprechen, das wäre falsch und vermessen. Sondern weil deutsche Chinapolitik nur eingebettet in eine europäische Chinapolitik erfolgreich sein kann."
Scholz waren in der Energiekrise zuletzt von EU-Partnern Alleingänge vorgeworfen worden. Auch mit Blick auf die China-Reise war die Befürchtung laut geworden, er könne in Peking Tatsachen für den Rest der EU schaffen.
Druck auf Scholz wegen China von allen Seiten
Scholz war zuletzt in der eigenen Koalition wegen seiner Haltung zu China unter Druck geraten. Die Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen setzte er nur gegen den Widerstand mehrerer seiner Minister durch. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte ihn daraufhin an den Koalitionsvertrag erinnert.
Auch Scholz' Reise nach China stieß auf Kritik. In einem offenen Brief forderten etwa 186 Dissidenten und andere kritische Intellektuelle aus China Scholz dazu auf, seinen Besuch in Peking abzusagen. Das heutige China sei "nicht nur ein zentralisierter Staat", sondern rutsche langsam in eine "Diktatur nach nationalsozialistischem Vorbild" ab, hieß es in dem Schreiben.
Befürchtet wird auch, dass Scholz Trip nach China für die Propaganda der Volksrepublik ausgeschlachtet werden könnte. Denn gerade einmal zwei Wochen ist es her, dass Xi Jinping sich auf dem Parteitag alle Macht gesichert und nur noch mit "Ja-Sagern" umgeben hat.
Das sieht man auch in der Opposition kritisch. CDU-Chef Friedrich Merz sprach Ende Oktober davon, dass Scholz China-Reise zu keinem "schlechteren Zeitpunkt" stattfinden könnte. Merz warf Scholz damals vor, noch immer an die Theorie vom Wandel durch Handel zu glauben. "Ihm fehlt die Bereitschaft, die Risiken, denen wir ausgesetzt sind, neu zu bewerten".
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