- Für den Krieg in der Ukraine mobilisiert Putin Hunderttausende Reservisten.
- Vom Westen und den UN kommen deutliche Antworten.
- Aber auch in Russland bleibt eine Reaktion nicht aus.
Der russische
Knapp sieben Monate nach dem Einmarsch in die Ukraine will der Kreml mit der Mobilisierung von 300.000 Reservisten auch Personalprobleme an der Front lösen. Putin erklärte zudem, angekündigte Abstimmungen in besetzten ukrainischen Gebieten über einen Beitritt zu Russland zu unterstützen.
"Scheinreferenden" nach undemokratischen Prinzipien
Sie sollen vom 23. bis 27. September in den international nicht anerkannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk im Osten sowie im südlichen Gebiet Cherson und in der Region Saporischschja abgehalten werden, weltweit werden sie als völkerrechtswidrig angesehen: Sie laufen ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ab. Ein Einsatz unabhängiger internationaler Beobachter ist nicht möglich.
Auf ähnliche Weise annektierte Russland 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim. International wurde die Abstimmung nicht anerkannt. Auch diesmal ist eine Anerkennung nicht in Sicht. Dennoch würde der Kreml Angriffe auf Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja nach erfolgreichen Scheinreferenden wohl als Angriffe auf das eigene Staatsgebiet werten. Putin drohte: "Wenn die territoriale Integrität unseres Landes bedroht wird, werden wir zum Schutz Russlands und unseres Volkes unbedingt alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Das ist kein Bluff."
Scholz spricht von Imperialismus und "Akt der Verzweiflung"
Bundeskanzler Scholz bezeichnete die Mobilisierung Hunderttausender russischer Soldaten als "Akt der Verzweiflung". "Russland kann diesen verbrecherischen Krieg nicht gewinnen", sagte
Schon zuvor hatte Scholz Kremlchef Putin in seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung am Dienstagabend (Ortszeit) "blanken Imperialismus" vorgeworfen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hatte von einem Wiederaufleben des Imperialismus gesprochen.
Biden: Russland will Existenzrecht der Ukraine auslöschen
US-Präsident Biden warf Russland vor, die Ukraine vernichten zu wollen. "In diesem Krieg geht es schlicht und einfach darum, das Existenzrecht der Ukraine als Staat auszulöschen. Und das Recht der Ukraine, als Volk zu existieren", sagte
Für Kriegsverbrechen in der Ukraine müsse Moskau zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Biden in New York. Er verurteilte nicht nur von Russland geäußerte nukleare Drohungen scharf, sondern auch solche von Nordkorea und anderen Ländern. "Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf niemals geführt werden."
Nawalny: Putin "wirft russische Bürger in den Fleischwolf"
Nach Meinung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj zeigt die angekündigte Teilmobilisierung in Russland, dass Moskau Probleme mit seinem Militärpersonal hat. "Wir wissen bereits, dass sie Kadetten mobilisiert haben, Jungs, die nicht kämpfen konnten. Diese Kadetten sind gefallen", sagte Selesnkyj im Interview der "Bild". Putin brauche "eine millionenschwere Armee", sehe aber, "dass seine Einheiten einfach weglaufen".
Zu Putins indirekter Androhung eines Einsatzes von Atomwaffen sagte Selenskyj: "Ich glaube nicht daran, dass er diese Waffen einsetzen wird." Er räumte aber ein: "Wir können diesem Menschen nicht in den Kopf schauen, es gibt Risiken." In der Nacht zu Donnerstag wurde in New York auch eine Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten erwartet.
Nach dem Befehl zur Teilmobilmachung in Russland beklagte der im Straflager inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny bei einem Auftritt vor Gericht, dass der "verbrecherische Krieg" Putins immer schlimmere Ausmaße annehme. Der Kremlchef wolle so viele Menschen wie möglich in das Blutvergießen in der Ukraine mit hineinziehen, sagte Nawalny am Mittwoch. "Um seine eigene Macht zu verlängern, zerfleischt er das Nachbarland, tötet dort Menschen. Und jetzt wirft er noch eine riesige Zahl an russischen Bürgern in den Fleischwolf", so Nawalny.
Mehr als 1300 Festnahmen bei Protesten in Russland
Bei Protesten gegen die Teilmobilmachung wurden in Russland mehr als 1300 Menschen festgenommen. Das Bürgerrechtsportal OVD-Info zählte am Mittwochabend über 1350 Festnahmen in 38 Städten des Landes. Allein in St. Petersburg wurden diesen Angaben zufolge 556 Demonstranten in Gewahrsam genommen, in der Hauptstadt Moskau waren es ebenfalls mehr als 500. Die Behörden machten zunächst keine Angaben zu den Festnahmen.
In Moskau riefen die Menschen "Nein zum Krieg!" oder forderten ein "Russland ohne Putin". Fotos und Videos zeigten, wie Polizisten die meist jungen Demonstranten grob ergriffen und in Busse schleppten. Von dort wurden die Festgenommenen in Polizeistationen gebracht. Ähnlich große Proteste hatte es zuletzt in den Tagen direkt nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar gegeben.
In Tomsk und Irkutsk in Sibirien, in Jekaterinburg am Ural und an anderen Orten gingen demnach vereinzelt Menschen auf die Straße. Sie hielten Plakate mit den Farben der ukrainischen Flagge und Sprüchen wie "Nein zur Mobilisierung!" in die Höhe.
Russland-Experte: Putin wird nicht gut aus diesem Krieg rauskommen
Der Russland-Experte Stefan Meister glaubt indes nicht, dass sich die Ukraine von der neuen Eskalation durch Russland demotivieren lasse. "Die Leute, die jetzt eingezogen werden, sind auch nicht unbedingt die Bestausgebildetsten und Kampffähigsten." Es könne Wochen oder gar Monate dauern, bis sie alle einsatzfähig seien. Bis dahin könne die Ukraine noch ganze Landesteile zurückerobert haben, sagte der Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Zudem gerate Putin in Russland selbst zunehmend unter Druck, der innere Rückhalt schwinde. "Umso mehr die russische Gesellschaft in diesen Krieg hineingezogen wird, umso mehr Opfer, auch Tote, zurückkommen aus der Ukraine, umso größer wird der Druck sein auf Putin. Ich sehe hier nicht, dass Putin da gut rauskommen wird aus diesem Krieg", sagte Meister weiter. (mt/dpa)