- Mit teils drastischen Worten kämpfte der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk für die Interessen seines Landes in Deutschland.
- Nun steht sein Nachfolger Oleksii Makeiev in den Startlöchern.
- Ob Makeiev ebenfalls einen so krawalligen Weg der Diplomatie einschlägt, wie sein Vorgänger?
Bundeskanzler Olaf Scholz nannte er eine "beleidigte Leberwurst", Alt-Kanzlerin
Die Worte, die er zum Abschied wählte, klangen da weitaus versöhnlicher. Von der Grenze zwischen Polen und der Ukraine schickt er am Samstag auf Twitter ein Foto von sich, auf dem im Hintergrund ein Schild in den Landesfarben Blau und Gelb mit dem Schriftzug "Ukraine" und dem Dreizack-Wappen zu sehen ist.
Mit den Fingern der rechten Hand zeigt Melnyk das V für Victory. "Unser Kampf geht weiter. Die Ukraine wird siegen. Liebe deutsche Freunde, danke für alles. Und auf Wiedersehen", schrieb er dazu.
Mit diesen Worten setzt Melnyk den Schlusspunkt unter acht Jahre als Botschafter in Deutschland, die er selbst, aber auch das politische Berlin so schnell nicht vergessen werden. Die einen werden froh sein, dass die "Nervensäge" endlich weg ist. Andere werden möglicherweise die Radikalität vermissen, mit der er die Interessen eines Landes im Krieg gegen einen vermeintlich übermächtigen Aggressor verteidigte. Oder auch nicht. Denn sein Nachfolger, Oleksii Makeiev, steht bereits in den Startlöchern.
Was ist von Melnyks Nachfolger Oleksii Makeiev zu erwarten?
An diesem Montag tritt der bisherige ukrainische Regierungsbeauftragte für die Sanktionen gegen Russland seinen neuen Posten in Deutschland an. Gegen 16.00 Uhr will Makeiev Bundespräsident
Erst nach diesem Zeremoniell ist der bisherige designierte Botschafter Makeiev formell im Amt. Dann kann er so richtig loslegen. Aber wie? Ähnlich krawallig wie sein Vorgänger? Oder eher auf die klassisch-diplomatische Art?
Vor seiner Abfahrt mit dem Auto aus Kiew nach Berlin macht Makeiev klar, dass er mit Klassik nur wenig anfangen kann – zumindest musikalisch. Auf Twitter bat er darum, seine Playlist mit deutschsprachigen Liedern für die etwa 15 Stunden Fahrtzeit mit dem Auto nach Berlin zu ergänzen. "Eher was Rockiges!", schrieb er. Er selbst hatte sich unter anderem "Deutschland" von Rammstein, "Hier kommt Alex" von den Toten Hosen und "99 Luftballons" von Nena als Soundtrack für den Roadtrip heruntergeladen.
Auch Makeiev spricht exzellent Deutsch
Makeiev hat einiges mit Melnyk gemeinsam. Beide sind Jahrgang 1975. Beide sprechen hervorragend Deutsch – für Talkshow-Auftritte nicht ganz unwichtig. Beide sind Berufsdiplomaten, die vor ihrer Entsendung nach Deutschland auf hochrangigen Posten im Kiewer Außenministerium Erfahrung gesammelt haben.
Makeiev wurde 2014 – zu Zeiten der russischen Krim-Annexion – politischer Direktor und damit wichtigster Berater des damaligen Außenministers Pawlo Klimkin. 2020 wurde er dann zum Sonderbeauftragten für die Sanktionen gegen Russland.
Kontakt zur neuen Ampel-Regierung hat Makeiev bereits aufgenommen. Er war dabei, als vor wenigen Wochen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ihren Amtskollegen Dmytro Kuleba in Kiew traf und mit der Forderung nach Kampfpanzern vom Typ Leopard 2 konfrontiert wurde.
Und er begleitete den ukrainischen Verteidigungsminister Olexij Resnikow nach Odessa zum Treffen mit der deutschen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Es gibt ein Bild, auf dem zu sehen ist, wie Makeiev vor dem Flugabwehrpanzer Gepard auf die Ministerin einredet.
Makeiev brachte Melnyk das Twittern bei
Auf Twitter ist Makeiev ähnlich aktiv wie Melnyk. Er hat seinem Vorgänger das Twittern sogar beigebracht. Das war Anfang 2015, als die beiden zusammen nach Berlin geflogen sind – Makeiev als politischer Direktor, Melnyk als angehender Botschafter. Sein erster Tweet sei nur mit technischer Assistenz Makeievs zustande gekommen, erzählt Melnyk. "Freue mich auf neue Aufgaben", schrieb er damals mit Blick auf seine Zeit in Berlin. Damals bekam er gerade mal fünf "Likes".
Heute hat Melnyk mehr als 165.000 Follower, Makeiev nur gut 32.000. Die Zahl dürfte in die Höhe schnellen, wenn er erst mal in Deutschland angekommen ist. Aktuell nennt sich Makeiev auf Twitter bereits "designierter Botschafter der Ukraine in Deutschland".
Schon in den vergangenen Wochen sendete er hin und wieder Nachrichten auf Deutsch – und wandte sich mit der Forderung nach Waffen an die deutsche Öffentlichkeit. Während der Raketenangriffe auf Kiew schrieb Makeiev aus einer zum Luftschutzbunker umfunktionierten U-Bahn-Station: "Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen! Dazu brauchen wir allerdings Waffen – Russen bomben uns ohne Verstand."
Melnyk: "Er muss halt Makeiev sein"
Das klingt aber schon deutlich diplomatischer als bei seinem Vorgänger. Der glaubt auch nicht, dass Makeiev ihm nacheifern wird. "Er kann kein zweiter Melnyk sein. Das würden die Deutschen auch nicht wollen. Er muss was anderes erfinden, er muss halt Makeiev sein", sagte er.
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, der sich in den letzten Monaten vehement für Waffenlieferungen an die Ukraine eingesetzt hat, äußerte sich ähnlich: "Er wird seinen ganz eigenen Stil finden, dieses Amt auszufüllen."
Die Opposition erwartet, dass auch Makeiev Klartext redet. "Ich erhoffe mir, dass der neue ukrainische Botschafter genauso stark für die Ukraine kämpft, wie dies sein Vorgänger tat", sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
"Die Ukraine braucht einen Botschafter, der mit aufrüttelnden Worten klar auf den Handlungsdruck und die Verantwortung Deutschlands hinweist." Er erwarte, dass Makeiev "mit Herzblut die Stimme der Ukraine in Deutschland ist, die erhört wird".
Gleich zu Beginn zwei hochrangige Besuche aus Kiew
Eine Schonzeit wird Makeiev in Deutschland jedenfalls nicht bekommen. Die First Lady Olena Selenska besuchte am Samstag die Frankfurter Buchmesse. In dieser Woche kommt Ministerpräsident Denys Schmyhal zu einer internationalen Ukraine-Konferenz nach Deutschland, bei der es vor allem um den Wiederaufbau gehen wird.
Vielleicht lernt Makeiev dort schon Bundeskanzler
Sollte es zu dem Treffen kommen, dürfte schon klar sein, worüber der Diplomat mit dem Kanzler sprechen wird. Denn in einem Video auf Twitter bedankte sich Makeiev bei der Regierung für die Unterstützung und die an die Ukraine gelieferten Waffen.
Er machte aber auch klar: Wir brauchen mehr, viel mehr." Dafür wolle er sich einsetzen. Und dafür, dass "Europäer, Ukrainer und Deutsche" Europa zu einem sicheren Ort machen. Von der Krawall-Attitüde Melnyks, fehlt dabei bislang jede Spur. (dpa/thp)